Der Schweizer Finanzplatz erhält eine neue Krypto-Aktie: Eben hat ein Verein namhafter Banken- und Technologiepartner den Testlauf abgeschlossen. finews.ch hat mit Mitinitiant und Swissquote-Chef Marc Bürki gesprochen.


Auf der Höhe des Corona-Shutdowns im vergangenen April kündigte die Vereinigung Capital Markets and Technology Association (CMTA) eine neuen Krypto-Standard für die Schweiz an. Nun hat die Initiative den «Trockentest» mit einer digitalen Aktie (Equity Token) erfolgreich abgeschlossen, wie die Organisation am Donnerstag vermeldete.

Für den Test wurde eigens eine Aktiengesellschaft gegründet, deren Anteile auf der Ethereum-Blockchain tokenisiert, gehandelt und digital eingelagert wurden – also der gesamte Aktien-Zyklus durchgespielt.

Involviert in den Test waren die grösste Schweizer Online-Bank Swissquote, welche die Handelsplattform stellte. Das Startup Taurus sorgte für die Verwahrung, die Wirtschaftskanzlei Lenz & Staehelin für die regulatorische Basis. Am Handel beteiligten sich in einer ersten Runde das Zürcher Bankhaus Vontobel, die Arab Bank (Switzerland), die Hypothekarbank Lenzburg sowie die spezialisierten Schweizer Kryptobanken Seba und Sygnum.

Initialmitglieder von CMTA sind Lenz & Staehelin, die Genfer Bankensoftware-Schmiede Temenos, die Lausanner Hochschule EPFL sowie Swissquote. Deren CEO Marc Bürki hegt nun die Ambition, den führenden Schweizer Standard für die Emission, Handel und Verwahrung von Krypto-Aktien zu etablieren, wie er gegenüber finews.ch erklärte.


Herr Bürki, eben hat der Verein CMTA den gesamten Zyklus einer digitalen Aktie durchgespielt – von der Emission und der Hinterlegung eines Token bis zum Handel damit. Hat die Coronakrise diesen Trockentest beschleunigt?

Wir wurden eher gebremst. Die Abstandsregeln haben die Koordination unter den Mitgliedern erschwert. Auf die Auszahlung einer Dividende auf dem Token, bei der eine Cash-Überweisung nötig gewesen wäre, haben wir aus diesen Gründen verzichtet. Alles in allem hat aber alles geklappt wie geplant.

Was sind denn nun die weiteren Pläne mit dem Token?

Wir wollten mit dem Testlauf beweisen, dass wir den gesamten Zyklus einer Aktie digital abbilden können. Das ist uns gelungen. Nun arbeiten wir daran, dass die der Lösung zugrunde liegende, dezentrale Kapitalmarkt-Infrastruktur zum führenden Schweizer Standard für die Tokenisierung von Aktien avanciert.

Über die Blockchain-Technologie wird gespottet, dass sie eine Lösung sei, die nach einem Problem suche. Sie sind selber Ingenieur: Geht es bei CMTA mehr als um die blosse technische Machbarkeit?

Natürlich ist das auch ein Business Case. In der Schweiz gibt es rund 600'000 Firmen, aber nur an die 230 davon sind an der Börse kotiert. Entsprechend gross ist das Potenzial für alternative Formen der Kapitalbeschaffung. Über einen Börsengang entscheiden traditionell die Investmentbanken. Unser Standard schaltet die Mittler aus und bringt Investoren und Firmen, die Kapital aufnehmen wollen, direkt zusammen. Im Kern geht es also um die Demokratisierung des Kapitalmarkts.

Die etablierten Investmentbanken freuen sich bestimmt darüber. Ist es Zufall, dass hinter dem Verein vor allem Privat- und Handelsbanken stehen?

Es ist bestimmt nicht unsere Absicht, die Investmentbanken aus dem Geschäft zu drängen. Im Gegenteil: Firmen, die auf Basis unserer Infrastruktur Equity Token ausgeben, gelangen schneller auf ein Niveau, wo sie für Investmentbanken als Kunden interessant sind. Ich sehe das Angebot als Beschleuniger fürs Geschäft.

Was verdienen denn die CMTA-Vereinsmitglieder an den Token?

Die Depotbanken und der Digitalverwahrer Taurus könnten eine Depotgebühr erheben, die allerdings deutlich günstiger ausfiele als bei physischen Wertschriften. Für die Transaktionen würden bei den Banken zudem Courtagen anfallen. Swissquote wiederum könnte für die Rolle als Handelsplattform eine Exchange Fee verlangen. Der Verein selber soll aber primär kein Geld verdienen und steht allen Interessenten offen. Die Ethereum-Blockchain, auf welcher die Token basieren, ist frei verfügbar.


CMTA lanciert nicht die erste Schweizer Kryptoaktie, hat aber überraschend schnell Anhänger um sich scharen können. Zu den mittlerweile 30 Mitgliedern des Vereins zählen unter anderen namhafte Banken wie Pictet, Vontobel, Lombard Odier, Swissquote und UBP. Mit von der Partie sind zudem Krypto-Grössen wie Seba, Sygnum, der Broker Bitcoin Suisse, die Tezos Stiftung und branchenfremde Schwergewichte wie der Pharmazulieferer Lonza.

Ein funktionierendes Kryptoaktien-Ökosystem betreibt bereits das Konsortium Daura, dem unter anderem der Telekomriese Swisscom und die Börsenbetreiberin SIX angehören; SIX wiederum arbeitet an einer eigenen Krypto-Handelsplattform, der SIX Digital Exchange (SDX). Deren Start steht aber nicht unmittelbar bevor, müssen doch die Schweizer Banken mit ihrer IT ins neue System integriert werden.


Allerdings konkurrieren Sie mit der Schweizer Kryptoaktie Daura, hinter der ein Konsortium steht, zu dem auch die Schweizer Börse SIX und der Telekomriese Swisscom zählen. Die SIX wiederum arbeitet an der Digitalbörse SIX Digital Exchange, die bestehende Wertschriften tokenisieren möchte. Warum wird CMTA das Rennen machen?

Die SDX ist spät dran. Wir haben nicht das Gefühl, dass sich das Angebot noch durchsetzen kann. Daura wiederum hat das Handicap, dass deren Kryptoaktie auf einer privaten Blockchain beruht. Wir sind der Meinung, dass offene Technologien wie Ethereum den Weg in die Zukunft weisen.

Ethereum gibt die nach dem Bitcoin zweitwichtigste Kryptowährung aus, den Ether. Macht sich CMTA mit der Wahl der Ethereum-Blockchain nicht zu stark abhängig von Kryptowährungen und ihrem schillernden Ruf?

Beim Verkauf unserer Token wird der Verkäufer zunächst mit Ether abgegolten, welcher bei Bedarf in Fiat-Währung konvertiert werden kann. Die hohe Volatilität von Kryptowährungen ist ein Problem, das sich aber meiner Meinung nach mit zunehmender Reife des Markts legen wird.


Kryptowährungen erleben derzeit nach langem «Winter» einen neuerlichen Boom. Die wichtigste Digitaldevise Bitcoin handelt derzeit deutlich über 11'500 Dollar, der zweitplatzierte Ether bei knapp 390 Dollar. Das entspricht einem Wertgewinn von 60 respektive 200 Prozent seit Jahresbeginn. Die Hausse wird vom schwachen Dollar, der Flucht aus Wertschriften sowie der vom Tiefzins-Umfeld ausgelösten Jagd nach Rendite befeuert. Krypto-Aficionados sprechen dem Bitcoin bereits die Eigenschaften eines sicheren Hafens zu, ähnlich wie Gold.


Derzeit erleben die Kurse von Ether, Bitcoin & Co einen Höhenflug. Hilft das auch Ihrer Initiative?

Der Bitcoin ist dabei, sich als Zahlungsform durchzusetzen. Das hilft indirekt auch unserer Initiative – wenn in der Krypto-Szene alles tot wäre, hätten wir einen schweren Stand.

In der Vergangenheit haben Investoren bei der Ausgabe von Token und Coins teils Millionen verloren. Geht das im derzeitigen Hype vergessen?

Das Krypto nur Abzocke sei, ist auch heute noch zu hören. Wir wollen aber gerade zeigen, das wir nicht der Wilde Westen sind. Im Gegensatz zu Utility Token oder Payment Token geht es hier um Security Token, die dem Inhaber alle Rechte eines Aktionärs verleihen. Das regulatorische Fundament ist extrem wichtig: Wenn sich dieses als Selbstregulation der Branche durchsetzt, hoffen wir, damit auch die Finanzmarktaufsicht Finma zu inspirieren.

Damit würden Kryptoaktien zum etablierten Markt. Wie viel verdiente Swissquote im letzten Halbjahr mit Token und Coins?

Mit den Kommissionen aus dem Handel mit Kryptoanlagen erzielten wir einen Umsatz von rund 5 Millionen Franken. Wir rechnen damit, aufs Gesamtjahr besehen 10 Millionen Franken zu erreichen.

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