Fassungslos beobachtet die Branche, wie das Schicksal der einstmals stolzen Credit Suisse immer kuriosere Formen annimmt. Was jetzt geschehen muss. 

Angeblich soll die Credit Suisse (CS) vom US-Finanzinstitut State Street übernommen werden, einem Unternehmen, das herzlich wenig mit den Geschäftstätigkeiten der CS gemeinsam hat. Bestenfalls liesse sich eine solche Transaktion als komplementär betrachten. Doch das ist gelinde gesagt sehr weit hergeholt. Wie mit der Situation vertraute Personen betonen, ist an dem Gerücht nichts dran.

Mehr noch: auf der Chefetage der Grossbank begegnet man den Übernahmespekulationen mit einiger Verärgerung. Zwar hat die Meldung am Mittwoch zu einem massiven Kursanstieg geführt. Doch sobald sich erhärtet, dass es sich eben um eine Gerücht handelt, dürfte der Preis der CS-Aktie umso stärker wieder einbrechen – was verständlicherweise nicht im Sinne der Bank ist.

Tatsächlich hat CEO Thomas Gottstein an einer Investorenkonferenz vom Donnerstag recht geharnischt auf das Gerücht reagiert, wie die Agentur «Reuters» berichtete. Fragen nach einer Übernahme durch State Street seien «richtig dumm», fand der Manager. Und sein Vater habe ihn gelehrt, dass man auf dumme Fragen am besten keine Antwort gebe.

Kuriose Situation für Thomas Gottstein

Kurzum, die CS wird nicht umhinkommen, weiter notfallmässig an einer Strategie zu zimmern, die ihr einen Turnaround in Aussicht stellt. Allerdings ist in dieser Situation Bankchef Gottstein wahrlich nicht zu beneiden. Zumal er sich selbst in einer höchst kuriosen Situation befindet.

Als Repräsentant der «alten» CS, haftet ihm der Makel an, dass er die vielen Verfehlungen der letzten paar Jahre mitzuverantworten hat, so dass er eigentlich gar nicht mehr tragbar wäre für einen Neustart. Mit Gottstein an der Spitze hat die CS recht eigentlich ein Glaubwürdigkeits-Problem, was wiederum in einer Kulturfrage kulminiert, oder anders gesagt: Die Alfred-Escher-Unternehmer-Bank ist ihrer Kultur verlustig geworden.

Trotzdem steht er nach wie vor auf der Kommandobrücke, weil seine unmittelbare Auswechslung zu noch mehr Turbulenzen und Erschütterungen innerhalb der Bank führen würde.

Nur radikale Massnahmen nützen

Insofern muss sich bei der CS einiges grundlegend ändern, egal ob es der Management-Crew rund um Gottstein gelingt, am nächsten Investorentag vom 28. Juni 2022 neue Perspektiven zu projizieren. Gerade angesichts der Tatsache, dass sich die Stimmung an den Finanzmärkten aufgrund des Ukraine-Kriegs, der grassierenden Inflation, den Zinserhöhungen und der drohenden Rezession in einigen Ländern vorläufig kaum substanziell aufhellen wird, bleibt die Ausgangslage finster.

Mit anderen Worten: Die teils kosmetischen Anpassungen der im vergangenen Herbst angekündigten und in den Folgemonaten noch etwas verfeinerten Strategie werden keinesfalls ausreichen, die CS aus der Misere zu führen. Letztlich werden nur radikale Massnahmen greifen, wie das in der Schweizer Finanzbranche zwar nicht oft, aber in den entscheidenden Situationen oftmals der Fall war – sei es in der Hypothekenkrise der frühen 1990er-Jahre, als diverse Banken geopfert wurden, oder später, als die Schweizerische Volksbank verschwand, und schliesslich mit der Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Schweizerischen Bankverein zur heutigen UBS.

«Holistische» Betrachtung nötig

Was zuvor kaum vorstellbar gewesen war, ergab sich trotzdem und erwies sich als folgerichtig und wegweisend für die weitere Entwicklung der Branche. Vor diesem Hintergrund führt kein Weg mehr an einer Aufspaltung der CS vorbei. Wie diese konkret vollzogen werden soll, hängt einerseits von den Management-Kapazitäten innerhalb der Bank ab, der direkten Konkurrenz (UBS), aber auch vom Wohlwollen der Behörden in Bern sowie von der M&A-Nachfrage an den Finanzmärkten.

Nun isoliert über einen Verkauf der Asset-Management-Sparte oder über eine Abwicklung der Investmentbank zu spekulieren, greift zu kurz. Die Zukunft der CS, immerhin eine systemrelevante Bank für die Schweiz, muss vielmehr mit allen Beteiligten (Share- und Stakeholdern) «holistisch» beschlossen werden – um einen Modebegriff aus dem Private Banking zu bemühen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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