Fifa, Usbekistan, 1MDB: Skandale verstärken den Eindruck, dass die Schweiz bei der Geldwäschereibekämpfung versagt. Ein Umdenken in Bern sei dringend nötig, findet Katharina Bart auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Niemand in der Schweiz will wirklich über Geldwäscherei reden. Dabei kochen Skandale rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB oder um die korrupte usbekische Diktatorentochter und bei der Fifa das Thema dauernd wieder auf. Doch wer sich in Bank- oder Berner Behördenkreisen über die anhaltenden Negativschlagzeilen wundert, wird lapidar an die «Stabilität der Schweiz» und deren «Abwehrdispositiv» erinnert – letzteres ein Begriff aus der Militärterminologie, der auch in der Politik verbreitet ist.   

Doch etwas scheint trotzdem schief zu laufen, angesichts der Tatsache, dass die Schweiz regelmässig in der Kritik internationaler Institutionen steht, wenn es um die Bekämpfung von Finanzkriminalität geht. Letztes Mal war dies im vergangenen Dezember der Fall, und zwar beim Länderexamen der Financial Action Task Force (FATF), einer internationalen Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei.

Harsche Kritik musste sich unser Land auch schon von einigen Jahren von der Egmont Group gefallen lassen – ebenfalls eine internationale Organisation, die sich der Bekämpfung der Geldwäscherei angenommen hat, und feststellte, dass sich Bundesbern in diesen Belangen höchst unkooperativ anstelle. Erst dieser Druck führte dazu, dass das Parlament entsprechende Gesetze regelrecht durchwürgte, um Schlimmeres abzuwenden. 

«Anders lässt sich die Existenz der vielen Luxusboutiquen und -galerien kaum erklären»

So erstaunt es auch nicht, dass die Schweizer Banken immer noch unter Generalverdacht stehen Geld zu waschen – nicht so offensichtlich wie einst, aber noch immer im Dienst einer ausländischen Klientel, die in Zürich oder Genf Luxusgüter, Immobilien und Kunst mit Bargeld und damit relativ unkontrolliert aufkauft. Anders lässt sich auch die Existenz der zahlreichen Luxusboutiquen und -galerien an der Limmat oder an der Rhone kaum erklären.

Doch was ist es, das da letztlich schief läuft? Eigentlich ist die Antwort einfach: Bern und die Schweizer Banken haben es versäumt, mit der Entwicklung in anderen sogenannten Offshore-Zentren auf der Welt Schritt zu halten. So hat beispielsweise Singapur nach den Erschütterungen rund um den 1MDB-Skandal seine Aufsichts- und Strafuntersuchungsbehörden noch enger miteinander verzahnt. Grossbritannien wiederum rief die interdisziplinäre Arbeitsgruppe JMLIT von Vertretern aus Behörden, Privatwirtschaft und Polizei zur Bekämpfung der Geldwäscherei ins Leben.  

Im Vergleich dazu hat die Schweiz zwar die rund 15-köpfige Behörde gegen Geldwäscherei in Bern. Die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) steht unter der Leitung von Stiliano Ordolli, früher Fachreferent für Geldwäscherei bei der Banque Cantonale de Geneve. Aber sie ist gegenüber anderen staatlichen Gremien tatsächlich sehr auf sich gestellt. Daraus lässt sich unschwer folgern: Die Schweiz ist schlecht gerüstet, wenn es darum geht, Korruption, Mafiagelder oder Terrorfinanzierung zu bekämpfen.

«Genau dies unterstreicht denn auch das Dilemma der Meldestelle»

Dass sich Mark Branson, der Chef der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) in jüngster Zeit verschiedentlich zur Geldwäschereibekämpfung geäussert hat, ist durchaus löblich. Aber gleichzeitig hat diese Behörde beispielsweise bis heute niemanden im Top-Management, der sich in Sachen Geldwäscherei explizit der Banken annimmt.

Positiv ist zumindest zu werten, dass die MROS sozusagen als Transmissionsriemen zwischen den Banken und der Finma agiert, und dabei erst noch eine gute Arbeit macht, die von beiden Seiten auch respektiert wird. Das eigentliche Problem liegt vielmehr in der Divergenz zwischen den Aufsichts- und den Strafverfolgungsbehörden, die nicht immer am gleichen Strang ziehen. Während die Finma den Anlegerschutz als oberstes Ziel hat, gehen die Bemühungen der Staatsanwälte eher dahin, vor Gericht einen Erfolg verbuchen zu können. Letzteres ist vor allem der Fall, seit 2012 Michael Lauber die Leitung der Bundesanwaltschaft übernommen hat.

Genau dies unterstreicht denn auch das Dilemma der MROS: Seit ihrer Einführung vor zwanzig Jahren hat sich die Meldestelle durchaus zu einer mächtigen und einflussreichen Behörde entwickelt, doch bleibt sie sozusagen eingeklemmt zwischen der Politik in Bundesbern und Partikularinteressen, was ihre Eigenständigkeit und Durchschlagskraft stark beeinträchtigt. 

«Man arbeitet bei der Meldestelle immer noch ausgiebig mit Fax und Papier»

Vor diesem Hintergrund ist klar, die MROS muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Denn wie aus Berner Behördenkreisen zu vernehmen ist, arbeitet man bei der Meldestelle immer noch ausgiebig mit Faxgerät und Papier – was schwer nachvollziehbar ist in einer Zeit, in der das papierlose Büro allmählich Realität wird, und Fintech-Firmen die Bankbranche auf den Kopf zu stellen. 

Ressourcen sind das andere grosse Problem. In diesem Sommer hat der Bundesrat eine Aufrüstung der MROS nur dem Parlament vorschlagen können, indem er die nötigen Vorkehrungen in ein Gesetzespaket für Anti-Terrormassnahmen einbrachte. Ein klares Eingeständnis dafür, wie politisch heikel das Thema Geldwäschereibekämpfung bis heute ist.  

«Nimm' Dich in Acht vor diesen Geldwäschern auf dem Schulweg!»

Dabei hat die Meldestelle mittlerweile eine so grosse Bedeutung, dass man ihr mehr Verantwortung übergeben sollte und sie gleichzeitig auch Rechenschaft darüber ablegen würde – genauso wie eine Finma. Und ebenso wichtig wäre es, dass die MROS die Befugnis hätte, um in manchen Fällen bei der Zusammenarbeit mit anderen Behörden (Finma, Nachrichtendienst, Bundesanwaltschaft) die Leitung zu übernehmen. Denn solange die Meldestelle ein Mauerblümchendasein unter der Obhut der Polzeibehörde fristet, wird sich die Meldekultur (in Sachen Geldwäschereiverdacht) nicht verbessern, sprich werden die Banken nicht eher bereit sein, Unregelmässigkeiten zu melden. 

Leider agieren in Bern noch zu viele Politiker – im Hauptberuf zumeist Rechtsanwälte –, die persönliche Interessen mit der Schweizer Finanzbranche teilen und darum auch kein Interesse haben, dass sich an der Gesetzgebung etwas ändert. Kommt dann noch hinzu, dass es äusserst schwierig ist, in Sachen Geldwäscherei politische Interessensgruppen zu bilden, da das Thema erstens komplex ist und die Bevölkerung nicht unmittelbar tangiert. Niemand sagt seinen Kindern: «Nimm' Dich in Acht vor diesen Geldwäschern auf dem Schulweg!»

Unter diesen Prämissen fällt das Fazit höchst ernüchternd aus: Korruptionsgelder, Kapital zur Terrorfinanzierung, organisiertes Verbrechen sowie andere strafbaren Machenschaften werden auch künftig ihren Weg in «sichere Häfen» wie die Schweiz suchen und auch finden. Denn ohne ein Umdenken und damit verbundene Massnahmen wird die Schweiz kaum aus der Skandalspirale herausfinden – was langfristig der Reputation des Landes enorm schadet.


Katharina Bart ist als Senior Contributor für finews.ch und finews.com tätig. Darüber hinaus schreibt sie auch für die asiatische Partnerseite finews.asia. Die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin ist seit knapp 15 Jahren im Journalismus tätig, zuletzt war sie Chief Correspondent im Zürcher Büro der internationalen Nachrichtenagentur «Thomson Reuters», für die sie insgesamt vier Jahre arbeitete. Zuvor war sie von 2003 bis 2011 Correspondent für das «Wall Street Journal» sowie für die Nachrichtenagentur «Dow Jones Newswires».

Nach ihren Studien in Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Grand Valley State University in Michigan, USA, sowie an der Universität in Fribourg in der Schweiz, arbeitete Bart für die damalige Zurich Financial Services, für den Industriekonzern Rieter und Friedli Corporate Finance.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Katharina Bart, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard und Adriano B. Lucatelli.

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