Ich habe gute Erinnerungen an die Schweiz; meine Familie kam 1970 nach Zürich, wo ich das Gymnasium besuchte und später auch studiert habe. Meine Mutter stammt aus dem Tessin. Eigentlich wusste ich lange nicht, wo ich später leben würde.

«Trump ist wie ein Küchenmixer, bei dem man vergessen hat, den Deckel drauf zu schrauben»

Ich habe meine Dissertation in Israel geschrieben und dort auch gearbeitet. Dann erhielt ich ein Stipendium für meine Habilitation und machte ein Postdoc-Studium in den USA, wo ich dann später bei verschiedenen Anwaltskanzleien gearbeitet habe. Das ist nun fast dreissig Jahre her; meine Eltern leben immer noch hier, meine Schwester und meine Freunde auch.   

Bleiben Sie in den USA?

Vor ein paar Jahren hätte ich sofort ja gesagt. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Letztlich wird es davon abhängen, wie es mit der Polarisierung in den USA weitergeht. Eigentlich bin ich schon sehr verwurzelt, wegen der Familie und meinen Kindern. Aber ich mache mir grosse Sorgen. 

Wegen der zunehmenden Polarisierung unter US-Präsident Donald Trump?

Donald Trump ist bloss eine Manifestation von all dem. Die Polarisierung in den USA besteht zwischen Stadt und Land. Man sucht keinen Konsens mehr, sondern kann nur noch mehrheitsfähig etwas beschliessen, was aber immer schwieriger wird, weil das von der jeweiligen Gegenseite verhindert wird. 

Und welche Rolle spielt da Donald Trump?

Er ist wie ein Mixer in der Küche, auf den man vergessen hat, den Deckel drauf zu schrauben. Er ist laut, und alles fliegt durch die Gegend. Das wirkliche Problem ist nicht Trump, sondern die unglaubliche kulturelle Polarisierung in dem Land. 

Worauf führen Sie das zurück?

Was mir wirklich Sorgen macht in den USA, ist diese zweite Ursünde mit der Sklaverei, die man nie wirklich verarbeitet hat. Meine Kinder im jungen Erwachsenenalter haben schwarze Freunde, deren Eltern ständig Angst haben müssen, dass wenn diese abends in den Ausgang gehen, sie von der Polizei verhaftet oder erschossen werden – nur weil sie schwarz sind. Das können wir als Schweizer kaum nachvollziehen.

«China darf sich aus guten Gründen als Reich der Mitte sehen»

Dieser kulturelle Graben ist das letzte Aufbäumen gegen die Modernisierung und letztlich gegen die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Es sind Leute, die es lieber sähen, wenn die Welt noch so wäre wie in den 1950er-Jahren. Für sie ist Donald Trump ein Verfechter dieser längst untergegangenen Zeit.

Interessieren Sie sich für Geschichte?

Ja, meines Erachtens ist dies unerlässlich. Gewisse Vorgänge in der heutigen Weltpolitik lassen sich nur im historischen Kontext deuten. Wer den russischen Nationalismus nicht versteht, wird auch Wladimir Putin nicht verstehen – diese Erniedrigung seit dem Zerfall der Sowjetunion, und dass seither alles nur ein Aufholen ist.

Oder nehmen Sie Chinas neues Selbstbewusstsein. Man sollte wissen, dass das vergangene Jahrhundert eine einzige Katastrophe war, aber China eine über 5'000-jährige Tradition besitzt und sich daher aus guten Gründen als Reich der Mitte sieht.


Buchvover Levin 160Der 55-jährige Daniel Levin ist Rechtsanwalt. Er verbrachte seine Kindheit als Sohn eines Diplomaten im Nahen Osten und in Afrika, später besuchte er das Gymnasium in Zürich und absolvierte sein Studium in der Schweiz und in den USA. Seit über zwanzig Jahren arbeitet er als Berater für wirtschaftliche Entwicklung und politische Reformen für Regierungen und Institutionen. Gegenwärtig ist er Mitglied des Stiftungsrates der Liechtenstein Foundation for State Governance. Er lebt nahe New York City. Beruhend auf persönlichen Erfahrungen, gesammelt im Laufe seiner weltweiten Beratungstätigkeit wirft Levin in seinem Buch «Alles nur ein Zirkus» einen scharfen und bittersüssen Blick hinter die Kulissen der Macht.

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