Das Robo-Advisor-Sterben in der Schweiz wirft auch die Frage auf, warum kein Schweizer Fintech den internationalen Durchbruch schafft. Vier Branchen-Experten haben dazu pointierte Meinungen.

Es war eine Art «State of the Union»-Gespräch zur Fintech-Branche in der Schweiz und in Europa, welches am Exponential Finance Summit in Zürich abgehalten wurde. Die Investoren-Konferenz galt eigentlich Entwicklungen und Branchen, welche exponentielles und disruptives Wachstum versprechen.

Doch die vier Gesprächsteilnehmer auf der Bühne – Daniel Diemers von PWC, Fintech- und Blockchain-Professor Fabian Schär sowie die Investoren Marc Bernegger und Eric Sarasin – hielten sich vor allem mit den vielfältigen Gründen auf, warum Fintech in der Schweiz und in Europa bislang nicht die Bedeutung erreicht und die Veränderungen ausgelöst hat wie in den USA und in China.

Teils hausgemacht, teils strukturell

In der Schweiz scheint Fintech teilweise gar auf dem Rückzug zu sein: Innert weniger Wochen hat eine Reihe von Robo-Advisors hierzulande den Stecker gezogen, andere Startups, wie die viel gepriesene KMU-Finanzierungs-Plattform Advanon, schrammten diesen Sommer hart an der Insolvenz vorbei.

Zeit für Ursachenforschung also, warum in einem Bankenland wie der Schweiz noch kein Super-Fintech à la Revolut entstanden ist – und die Gesprächsteilnehmer enttäuschten in diesem Punkt nicht.

Die Gründe sind teils hausgemacht, teils strukturell, wie sich alle vier im Prinzip einig waren.

Mentalität: Lieber die Espressomaschine

Zu den hausgemachten Gründen liess sich zunächst PWC-Berater Diemers vernehmen. Er ortete bei den Schweizer Startup-Gründern Mentalitätsprobleme. Die Unternehmer würden sich von Beginn Weg konkurrenzfähige Löhne bezahlen wollen, während dies beispielsweise bei asiatischen Startups undenkbar wäre.

Stellvertretend für diese Mentalität nannte Diemers den Anspruch, dass zur Ausstattung der Gründer-Büros eine Espressomaschine zu gehören habe. In Vietnam beispielsweise käme das niemandem in den Sinn, «dort trinken sie Instant Kaffee.»

Andere attraktive Optionen

Geprägt werde diese Mentalität auch dadurch, dass potenzielle Startup-Gründer in der Schweiz auch andere hervorragende Karriereoptionen haben. «Die Opportunitätskosten, das Risiko eines Startups auf sich zu nehmen, sind in der Schweiz einfach höher», sagte Fintech-Professor Schär.

Sarasin, der frühere Private Banker und heutige Fintech- und Blockchain-Investor fügte weiter hinzu, dass Fintechs zu oft den Fehler begingen, sich keinen professionellen Rat von aussen und aus der Finanzindustrie zu holen.

Die strukturellen Gründe für das verhaltene Dasein der Schweizer Fintech-Branche machten die Gesprächsteilnehmer in drei Gebieten aus: In der Beschaffenheit der Märkte, in der Finanzierung – und vor allem in der etablierten Banken- und Versicherungsbranche.

Expansion ist ein Albtraum

Das Argument der schwierigen Marktsituation ist nicht nur Fintechs bekannt: Während beispielsweise China oder die USA riesige Binnenmärkte mit einer einheitlichen Regulierung darstellten und Fintechs darum rasch skalieren könnten, käme eine Auslandsexpansion im europäischen Raum einem Albtraum gleich, so Sarasin.

Fintech-Professor Schär sieht den Hauptgrund für die schleppende Entwicklung der Fintechs in Europa und der Schweiz im Mangel an Risikokapital – und zwar hauptsächlich an der Risikofähigkeit von Investoren, Startups nach der ersten Etablierungsphase Geld für Wachstum bereitzustellen.

Mentalitätsprobleme gegenüber Fintechs machten die Teilnehmer vor allem auch in den Chefetagen der Banken und Versicherer aus. Auch das ist nicht neu. Und doch ist das Fazit in Anbetracht der in den Finanzkonzernen deutlich gestiegenen Kooperationsbereitschaft, M&A-Aktivitäten und eigenen Digitalisierungsanstrengungen etwas überraschend.

Hohe Hürden aufgebaut

Grundsätzlich hätten sich die bisherige Strategien in den Grossbanken und Versicherungen darauf konzentriert, die Eintrittshürden für neue Player zu erhöhen um den eigenen Status Quo zu sichern. «Fintechs sind in Europa sofort von grossen Unternehmen umzingelt», sagte Diemers. Zum Nachteil gereiche den Fintechs darum, dass die Schweiz und Europa «overbanked» seien, so Bernegger.

Das Problem in den Grosskonzernen sei ganz oben angesiedelt – in den Chefetagen. Ignoranz und Ahnungslosigkeit würden dort herrschen, berichteten die Teilnehmer aus eigener Erfahrung. Verbreitet sei auch die Haltung: «Was ein Fintech kann, können wir schon lange.»

Es war wiederum Fintech-Professor Schär, der die anhaltende Verweigerungshaltung von Bank-Managern in einen Kontext stellte. Erstens sei der Leidensdruck noch nicht hoch genug und zweitens sei der Strategiehorizont eines Banken-CEO auf kurzfristige Ergebnisse ausgelegt. Die Adaption von Innovationen von und mit Fintechs bedinge hingegen eine langfristige Denkweise.

Ganz wenige Leuchttürme

Gefragt nach den Leuchttürmen in der europäischen Fintech-Szene und unter den etablierten Banken wurde es dann eher ruhig auf dem Podium. Immerhin: Diemers nannte die niederländische Grossbank ING, welche ihre Transformation hervorragend gemanagt habe. Auch unter den spanischen Caixas machte der Berater technologische Vorreiter aus. Voraussetzung sei immer, dass die Bankführung den Takt angebe.

Bernegger nannte, als Investor mit einer kleinen Minderheit, Revolut als herausragendes Beispiel. Die Neobank liefert Anschauungsmaterial: Nicht weil sie auf «Rocket Science» setzt, sondern ein schlagendes Angebot über ein äusserst benutzerfreundliches Interface verbreitet.

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