Open Banking, Kryptoaktie, Digitalbörse: Ein ums andere Mal wird die Schweizer Börsenbetreiberin bei Fintech-Lösungen von wendigeren Anbietern überrundet. Warum sich dennoch die Lösung der SIX durchsetzt.

Nun geht das Team Taurus durchs Ziel: Das Genfer Startup hat grünes Licht von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) für die Kryptobörse TDX erhalten. Wie auch finews.ch am (heutigen) Montag berichtete, soll an der TDX künftig jede Art von digitalen Assets gehandelt werden: Token von Aktien, Kunst, Immobilien, aber auch Kryptowährungen und andere Vermögenswerte.

Ob es sich effektiv um den weltweit ersten regulierten Marktplatz für digitale Assets handelt, wie Taurus erklärte, sei dahingestellt; im September 2020 erhielt die Schweizer Kryptobank Sygnum den Segen der Finma für den Betrieb der eigenen Kyptobörse.

Sicher ist, dass das TDX-Angebot deutlich früher kommt als die SIX Digital Exchange (SDX) – die Digitalbörse des Schweizer Finanzinfrastruktur-Konzerns SIX.

Wer macht das Rennen?

Der letzten Wasserstand-Meldung zufolge befindet sich die SDX noch in Gesprächen mit der Aufsicht; ab dem Sommer sollen dann die ersten Transaktionen über die neue Plattform laufen. Dies, nachdem sich das Projekt der SIX bereits um Monate verzögert hat. Mit der Ankündigung vom Montag hat die Jungfirma Taurus die führende Börsenbetreiberin des Landes um mindestens ein Jahresviertel überrundet.

Zwerg schlägt Koloss, möchte man meinen. Doch könnte sich zeigen, dass am Ende nicht TDX, sondern trotzdem SDX das Rennen um die führende Schweizer Digitalbörse für sich entscheidet. Denn bei wichtigen Fintech-Projekten vermochte die SIX in der Vergangenheit jedesmal zu punkten – auch wenn die wahre Stärke der Börsenbetreiberin nicht in der Geschwindigkeit liegt.

Schweizer Pionierarbeit

Zu denken ist da ans Thema Open Finance: Die Öffnung des Geschäfts etablierter Banken und Versicherer für Drittanbieter gilt als die Zukunft des Finanzgeschäfts. Im Zentrum jener Bemühungen stehen digitale Schnittstellen (API), mit denen sich Neuankömmlinge an die angestammten Plattformen «andocken» können.

Ausgerechnet der Telekom- und IT-Anbieter Swisscom leistet hier Schweizer Pionierarbeit: Bereits 2017 (!) lancierte der «blaue Riese» seinen «Open Banking Hub». Dies, während die SIX jahrelang an einem Projekt tüftelte, das im Mai 2020 nach diversen Wendungen in der Plattform b.Link formalisiert wurde.

Plötzlich umarmt

Vergangenen März erfolgte dann die Überraschung: SIX und Swisscom kündeten eine Partnerschaft im Bereich Open Finance an. Dass sich die beiden Erzgegner plötzlich umarmen, dürfte einen tieferen Grund haben, der im gemeinsamen Statement damals nicht zur Sprache kam.

Die Swisscom hat zwar den zeitlichen Vorsprung, die Technik und das Know-how. Doch die Börsenbetreiberin hat die Kunden: Im Gegensatz zur Swisscom, die vor allem kleinere Nutzer für ihr Angebot gewinnen konnte, weiss die SIX die Grossbanken im Rücken – die UBS, die Credit Suisse sowie seit vergangenem Herbst die Zürcher Kantonalbank.

Die Nachfrage-Falle

Ohne Nachfrage sind selbst die tollsten Innovationen zum Scheitern verurteilt. Das gehört zu den bitteren Erkenntnissen von Startups. Dass mit der Swisscom ein Grosskonzern mehrfach in diese Falle tappte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: So ist der Telekom-Riese die treibende Kraft hinter dem Konsortium Daura, das seit Anfang 2019 ein so genanntes Ökosystem rund um die gleichnamige Kryptoaktie baut.

Zwischenzeitlich konnte fürs Vorhaben, dass sich parallel zur SDX entwickelte, mit der Deutschen Börse gar eine direkte Konkurrentin der SIX gewonnen werden.

Vertauschte Vorzeichen

Ende 2019 kam es dann auch hier zum Richtungswechsel. Die Deutschen schieden bei Daura aus, dafür kaufte sich die SIX ins Konsortium ein – mit vertauschten Vorzeichen: Aus Sicht der SIX ist es das Daura-Angebot, welches das eigene Ökosystem rund um die SDX-Plattform bereichert.

Fürs Daura-Konsortium könnte sich das trotzdem lohnen. Für die Kryptoaktie konnte sie zwar einzelne Anbieter wie die Weisse Arena Gruppe, Betreiberin des Skiresorts Flims Laax Falera gewinnen. Der ganz grosse Durchbruch bei nichtkotierten Firmen und KMU blieb Daura aber versagt.

Mächtiges Aktionariat

Mit der SDX-Mutter SIX vermochte das Daura-Konsortium hingegen auf einen Schlag Dutzende höchste einflussreicher Akteure am Schweizer Finanzmarkt zu gewinnen: Die SIX gehört rund 120 Schweizer Banken, wobei die Grossbanken den Ton im Aktionariat angeben. Wer also die Börsenbetreiberin auf seiner Seite weiss, darf auf Millionen von Kunden und ein internationales Vertriebsnetz hoffen.

Ein Sprecher der SIX führte auf Anfrage aus, was das für Innovations-Vorhaben bedeutet: «Projekte wie die SDX werden von Anfang an vom Verwaltungsrat der SIX bewilligt.» Insofern sei auch gesichert, dass das Aktionariat, das aus den Schweizer Banken besteht, voll hinter solchen Vorhaben stehe.

Zudienender Partner

Damit wird deutlich: die SIX entscheidet bei der Digitalisierung nicht mit hohem Tempo das Rennen, sondern mit dem ganzen Gewicht ihres Aktionariats. Initiativen und Projekte, die zwar schneller sind, denen es aber am Ende an Marktmacht fehlt, sehen sich in die Rolle des zudienenden Partners verwiesen.

Dies könnte dereinst auch bei der Kryptobörse TDX wiederfahren. Wie es bei der SIX hiess, gibt es derzeit keine Zusammenarbeit mit dem Digitalbörsen-Projekt von Taurus. Die SIX sei aber bestrebt, um die SDX-Plattform ein Ökosystem von Anbietern aufzubauen. «Gewinnbringende Partnerschaften», so der Sprecher, «sind da sehr willkommen.»

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