Der unabhängige Vermögensverwalter Chefinvest in Zürich stellt seit Jahren zeitgenössische Kunst in seinen Räumlichkeiten aus. Neuerdings befasst er sich auch mit NFTs. Mimi Haas, Partnerin bei Chefinvest, sieht in diesem Markt ein enormes Potenzial, hat aber auch ihre Vorbehalte, wie sie im Interview mit finews.ch erklärt.

Frau Haas, Christies versteigert regelmässig NFTs von Künstlern für mehrere Millionen. Auch das berühmte Belvedere in Wien bot im Februar 10.000 NFTs des Gemäldes «Der Kuss» von Gustav Klimt an. Sind NFT Kunst? Was sind NFTs?

Kunstliebhaber werden sich an den Begriff Non-Fungible Token (Deutsch: Nicht austauschbare Wertmarke, kurz NFT) gewöhnen müssen. Das Handelsvolumen von NFTs hatte mit 4 Milliarden Dollar im September 2021 seinen Höchststand erreicht. Schätzungen gehen davon aus, dass das Potenzial des Volumens dieses Marktes sogar die boomenden Kryptowährungen um ein Vielfaches übersteigen wird.

In der Theorie kann jeder Vermögenswert digitalisiert und zum NFT werden, Zeichnungen, Fotografien und viele andere reale Besitztümer. Wichtig ist dabei, dass die NFTs Informationen beinhalten, die ihre Einzigartigkeit belegen. Mit dieser neuartigen Form wird es eine grosse Transformation in der Kunstszene, sowohl auf der Seite der Künstler, dem Angebot, aber auch der Nachfrageseite geben.

«Die Künstler sehen dies als eine Art digitaler Urheberschutz»

Die Ankunft der Digitalisierung in der Kunst stellt eine Revolution dar. Die Künstler sehen dies als eine Art digitaler Urheberschutz. Für Michel Comte werden NFTs Ordnung in das System bringen, sie werden den Markt auf intelligente Weise regulieren.

Wie funktionieren NFTs?

NFTs beruhen wie Kryptowährungen auf einer Blockchain. Diese stellt eine dezentrale Datenbank dar. Vereinfacht gesagt, setzt sich diese aus Informationsblöcken zusammen, welche wie die Glieder einer Kette aneinandergereiht sind.

Auf den Blöcken werden die Daten und Informationen gespeichert und sind im Nachhinein nicht mehr veränderbar. Sie bieten damit eine hohe Transparenz und Sicherheit. Diese Anwendung kann für viele Bereiche interessant sein. NFTs werden auf einigen Handelsplätzen, die bekanntesten sind OpenSea, Rarible und Mintable, im Internet angeboten.

«Sobald NFTs standardisiert werden, könnte ein Markt ähnlich einer Optionsbörse entstehen»

Sie werden in der Regel in Kryptowährungen bezahlt, vereinzelt besteht die Möglichkeit, mit klassischen Währungen zu bezahlen. Zum Beispiel wurden die NFTs von «Der Kuss» im Februar 2022 zu 1’850 Euro oder 0,65 Ethereum angeboten. Sie brachten dem Museum in der Zwischenzeit rund 4,5 Millionen Euro ein.

Ist es nicht nur eine Vermarktung der elektronischen Rechte?

Da auf einer Blockchain die Daten immer zurückzuverfolgen sind, können individuelle Besitzverhältnisse sehr gut dokumentiert werden. Ein NFT, das auf der Blockchain gespeichert ist, kann folglich nicht kopiert werden – zumindest nicht innerhalb der Blockchain.

Alle Arten von realen Werten können mit dieser Technologie verbrieft werden, zum Beispiel Musik, Sport, Uhren, sogar Immobilien. Hier ist der Fantasie kein Ende zu setzen und es kann ein Markt entstehen der diese Rechte verkauft, vermietet oder verwendet.

Sobald NFTs standardisiert werden, könnte ein Markt ähnlich einer Optionsbörse entstehen. Da kann sich in der Zukunft ein Arbeitsfeld für uns als Vermögensverwalter auftun.

Also erst in Zukunft für Vermögensverwalter interessant?

Oft bleiben die NFTs auf den Wallets der jeweiligen NFT-Marktplätze liegen, dort sind sie allerdings nur teilweise gesichert. Es dreht sich alles um die Sicherung des persönlichen Zugangsschlüssels. Hierfür gibt es Softwarelösungen von unterschiedlichen Anbietern die eine sichere Verwahrung gewährleisten, an Versicherungen wird zurzeit gearbeitet.

«Die Auswahl von NFTs beruht einerseits auf dem eigenen Geschmack und andererseits auf dem zukünftigen Bekanntheitsgrad des Werkes»

Insgesamt ist zu sagen, dass der ganze Markt und die Handhabung im Moment noch in den Kinderschuhen steckt und vieles noch kompliziert, umständlich und mit Unsicherheit verbunden ist. Hier gehe ich aber davon aus, dass die Technologie bald einfacher zu handhaben ist und dann eventuell sogar die frühen Werke wertvoller werden.

Wie gehen Sie als Vermögensverwalterin mit NFTs um?

Das wachsende technologische Verständnis unserer Kunden fördert das Interesse an diesem Markt. Die Auswahl von NFTs beruht einerseits auf dem eigenen Geschmack und andererseits auf dem zukünftigen Bekanntheitsgrad des Werkes.

Bei der Auswahl und Aufbewahrung begleiten wir unsere Kunden und öffnen für sie unsere Netzwerke sowie den Zugang zu Experten als Fringe Benefit zu unseren umfassenden Vermögensverwaltungs-Dienstleistungen.

Offensichtlich haben Sie Kenntnisse in diesem jungen Markt erarbeitet. Wieso bieten Sie nicht die Verwaltung von NFTs an?

Zurzeit sind die NFT nicht reguliert und haben auch keine vertraglichen Standards. Man muss im Einzelfall prüfen, was die Rechte an diesem NFT beinhalten. Die reine Verwaltung der sogenannten Cold Wallets, vergleichbar mit der Depotaufbewahrung von Wertschriften bei Banken für unsere Kunden (wie einige Marktteilnehmer es für Kryptowährungen anbieten), bringt unseren Kunden keinen wirklichen Mehrwert.

«Banken werden immer mehr zu Plattformen»

Bei der Auswahl hingegen gibt es durch die richtigen Netzwerke das Potential einen Mehrwert zu generieren. Dies ist ähnlich, wie bei der Analyse von Investments, das Fachwissen und ein robuster Auswahlprozess ist gefragt.

Wieso befasst sich die Firma Chefinvest als Vermögensverwalterin überhaupt mit Kunst?

Wir haben uns in unserer Beratung auf Lösungen aller Fragestellungen rund um Finanzfragen spezialisiert. Hier ist in den vergangenen Jahren eine ähnliche Transformation und Digitalisierung im Gange. Banken werden immer mehr zu Plattformen. Hier sind wir als Vermögensverwalter gefordert, um diese Schnittstelle optimal für den Kunden mitzugestalten und zu nutzen.

Das Kerngeschäft der Firma Chefinvest bleibt die Vermögensverwaltung und die holistische Kundenbetreuung. Vereinfacht geht es in der Vermögensverwaltung darum, mit einem vordefinierten Risiko und der sich verbessernden Technologie eine gute Rendite zu erwirtschaften, ohne den Kapitalerhalt zu vergessen.

«Diese Ausstellung ist für uns ein Novum»

Investitionen müssen aber nicht immer eine reine Kopf- und Zahlensache sein. Wir stellen seit mehreren Jahren unsere Büroräumlichkeiten zeitgenössischen Künstler zur Verfügung. In den letzten Jahren wurden Werke von Franz Gertsch, Hannes Schmid, Bernd Nicoleisen und Edward Burtynsky und auch die herausragende GENAP Collection einer wichtigen Sammlerin aus der Schweiz mit bedeutenden Werken von Herbert W. Franke, Gottfried Jäger, Karl Martin Holzhäuser und Pierre Cordier ausgestellt.

Aktuell sind Werke von Michel Comte zu sehen. Damit haben wir einen grossartigen Raum für Begegnungen geschaffen. Die Kuratorin dieser Ausstellungen ist Christina Scheublein.

Können Sie noch etwas mehr zur aktuellen Ausstellung sagen?

Wir haben eine besondere Ausstellung mit dem Namen «Fusion» seit Mai 2022 in unseren Räumen. Der Schweizer Künstler Michel Comte ist äusserst vielseitig. Er hat sein gesamtes Leben in einer Vielzahl von Genres und Medien gearbeitet.

Er begann als Restaurator, der sich auf die Restaurierung von Gemälden von Andy Warhol und Yves Klein spezialisierte. Bald folgten seine Fotografien. Diese Ausstellung ist für uns ein Novum. Verbindet Sie doch klassische Fotografie mit dem Neuen. Michel Comte dropped zum ersten Mal ein NFT Projekt in dieser Ausstellung.


Mimi Haas verfügt über eine 15-jährige Erfahrung in der Finanzbranche. Während mehr als acht Jahren war Sie im Asset Management tätig, danach betreute sie vermögende Privatkunden im deutschsprachigen Raum bei der Deutschen Bank und Credit Suisse. Haas absolvierte an der Universität in St. Gallen das Studium in internationalen Beziehungen und darauffolgend einen Master of Arts in Banking and Finance. Während Ihres Studiums veröffentlichte sie ihre Masterarbeit zum Thema Family Offices. Seit 2017 ist sie Gesellschafterin einer deutschen GmbH, die Immobilien unterschiedlichster Ausprägung in Deutschland hält und bewirtschaftet. Im Jahr 2021 erfolgte ihr Einstieg als Partnerin bei der Firma Chefinvest.