Wenn KMUs bei einer Auslandsexpansion an ihre Grenzen stossen, kann Switzerland Global Enterprise beispringen. Dann arbeitet die Organisation häufig auch mit der Finanzbranche zusammen. Die Kooperation hat in den vergangenen Jahren allerdings gelitten, wie SGE-Präsidentin Ruth Metzler-Arnold im Interview mit finews.ch feststellt.


Frau Metzler-Arnold, als Präsidentin von Switzerland Global Enterprise (SGE) können Sie der Schweizer Exportwirtschaft den Puls genau fühlen. Deshalb zuerst die Frage: Wie geht es derzeit den Exportfirmen?

Der während der Corona-Krise aufgestaute Bedarf hat die Exportwirtschaft bis vor kurzem noch beflügelt. Seit Juli zeichnet sich allerdings eine Abkühlung gerade auch in den grossen Exportmärkten USA und Europa ab.

Sind das die Vorboten eines grösseren Abschwungs?

Das mag sein. Für mehr Diskussionen sorgen im Moment aber strukturell bedingte Neuordnungen von Wertschöpfungsketten. Wo die Anforderungen an die Produktion hoch sind, beobachten wir vermehrt ein Reshoring zum Beispiel nach Osteuropa oder noch näher an die Schweizer Grenze. Ausserdem führt der kriegsbedingte Rückzug aus Russland zu einer Verlagerung, zum Beispiel in die zentralasiatischen Länder oder nach Lateinamerika.

Sind die Schweizer Exporteure nicht auch unmittelbar vom Frankenanstieg bedroht, indem er ihre Produkte im Ausland weniger konkurrenzfähig macht?

Bis jetzt hat sich der stärkere Franken im Exportgeschäft nicht nachteilig ausgewirkt. Die währungsbedingt gestiegenen Schweizer Preise werden durch die inflationsbedingt noch höheren Preiserhöhungen auf ausländischen Märkten bis jetzt aufgefangen.

Also sind Befürchtungen wie beim letzten Frankenschock im Jahr 2015 überzogen?

Mit der Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) mussten die Exporteure lernen, dauerhaft mit einem hohen Franken zu leben, und sind quasi zu Fitnessweltmeistern geworden.

Was heisst das genau?

Sie haben etwa die Lieferketten neu organisiert. Teilweise wurden dabei zwar schweizerische Lieferanten durch ausländische ersetzt. Die Unternehmen konnten damit aber ihre Heimbasis erhalten und manchmal sogar stärken. Die Sorgen um eine Desindustrialisierung haben sich in den vergangenen Jahren nicht bewahrheitet. Bei einer regionalen Diversifikation können sie ausserdem ihre Produktionsstätten auf die Absatzmärkte abstimmen und damit die Währungsrisiken besser steuern.

«Die Credit Suisse hat 2015 mit Schulungen einen wichtigen Beitrag geleistet»

Oder sie sichern ihr Fremdwährungsrisiko selber im Unternehmen ab. Hierbei haben übrigens die Schweizer Banken, allen voran die Credit Suisse (CS), 2015 rasch und kompetent mit von ihnen initiierten Schulungen einen wichtigen Beitrag geleistet.

Sie winden den Banken ein Kränzchen. Klappt die Zusammenarbeit zwischen SGE und dem Finanzplatz Schweiz immer so gut?

Wir haben insgesamt sehr gute und regelmässige Beziehungen, übrigens nicht nur zu den Banken, sondern zu allen Akteuren des Schweizer Aussenhandels. Unsere Organisation versteht sich als Dienstleister vor allem für kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU), die bei ihrer internationalen Expansion eine Unterstützung suchen, die der Markt so nicht anbietet. Hier kommt die privatwirtschaftlich organisierte, vom Bund finanzierte SGE subsidiär zum Zug.

«Die Banken können ein wichtiger Baustein bei der Finanzierung von Exportprojekten sein»

Unser Grundauftrag besteht darin, für KMU neue Märkte zu identifizieren, zu analysieren und Markteintritte zu planen. Dazu können wir uns auf rund 90 Mitarbeitende in 30 Ländern abstützen, die den jeweiligen Botschaften angesiedelt sind und von uns fachlich geführt werden.

Welche Aufgaben nimmt die SGE neben der Exportförderung noch wahr?

Wir unterstützen bei der Ansiedlung von ausländischen Unternehmen in der Schweiz. Zusammen mit den Handelskammern kümmern wir uns häufig um technische Fragen oder helfen zu verstehen, was es etwa bei der Anwendung eines Freihandelsabkommens alles braucht.

Und wann gibt es Berührungspunkte zu den Banken?

Die Banken können ein wichtiger Baustein bei der Finanzierung von Exportprojekten sein. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel machen. Ein KMU will an einem Infrastrukturprojekt in einem Schwellenland teilnehmen, mit dem die Stromproduktion oder die Transportkapazitäten ausgebaut werden.

Zunächst übernimmt typischerweise die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) nach eingehender Prüfung besondere politische Risiken oder Zahlungsausfälle, die der private Versicherungsmarkt sonst nicht abdeckt.

«Als Anbieter von speziellen Lösungen treten vor allem die beiden Schweizer Grossbanken auf»

Gibt die SERV, die selber über ein AAA-Rating verfügt, grünes Licht für das Projekt, können es diese Garantien der Hausbank des Exporteurs erleichtern, mit ihren Mitteln zur Finanzierung beizutragen.

Welche Banken sind bei diesen Exportfinanzierungen besonders aktiv?

Als Anbieter von solch speziellen Lösungen treten vor allem die beiden Schweizer Grossbanken auf. Von den Kantonalbanken ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB) dabei, vor allem wenn es um Finanzierungen in Indien geht. Darüber hinaus sind allerdings kaum andere Banken tätig.

Sie sind seit elf Jahren Präsidentin von SGE. Hat diese Zurückhaltung der Banken zugenommen, seit sie dieses Amt ausüben?

Wir müssen leider feststellen, dass das Fachwissen bei vielen Banken im Bereich Exportfinanzierung im vergangenen Jahrzehnt etwas verloren gegangen ist.

Dies mag zum einen mit dem allgemeinen Fachkräftemangel zusammenhängen. Zum andern sind die Exportgeschäfte, bei denen die SGE involviert ist, teilweise zeitaufwändig und komplex, selbst wenn es sich nicht um Grossprojekte handelt.

Aus Gewerbekreisen ist häufig zu hören, dass die Banken die KMU-Wirtschaft links liegen lassen.

Diese Kritik können wir so nicht teilen. Allerdings sind bei einem KMU-Projekt, das die SERV durchgewinkt hat, keine untragbaren Risiken vorhanden. Dies darf also kein Grund sein, dass Hausbanken zurückstehen und keine Hand zu einer Finanzierung bieten.

«Zur Verbesserung des Zusammenspiels könnte sich ein ‹House of Trade› anbieten»

Ausserdem sind vermutlich viele Hausbanken, die im KMU-Bereich nebst UBS und CS aktiv sind, nicht international ausgerichtet und haben deshalb kaum Know-how bei der KMU-Exportfinanzierung in eher schwierigen Ländern.

Wie könnte sich diese Situation wieder verbessern?

SGE hat als koordinierender Partner ein vitales Interesse daran, dass Exportvorhaben nicht an überholten Strukturen oder mangelndem Wissen scheitern. SGE übernimmt darum eine aktive Rolle und will alle Akteure noch mehr an denselben Tisch bringen.

Planen Sie etwas Konkretes?

Wir prüfen derzeit, wie mit der Bankbranche und anderen Akteuren der Aussenwirtschaft das Fachwissen wieder besser verankert werden kann. Zur Verbesserung des kontinuierlichen Zusammenspiels zwischen allen Akteuren könnte sich ein «House of Trade» anbieten, sei es physisch oder virtuell.

«Diese Art der Swissness verkörpert die Finanzbranche hervorragend»

Ausserdem wollen wir herausfinden, ob unsere Organisation die KMU, die ja am liebsten mit ihrer Hausbank zusammenarbeiten, in diesem Bereich noch besser unterstützen kann. Dabei werden wir uns auch künftig als subsidiärer Dienstleister mit Sachwissen und Erfahrung, aber nicht als Strategieberater verstehen.

Werden dabei auch neue Finanzierungsinstrumente geprüft?

Wir lassen selbstverständlich keine Themen aus. Bei den KMU sind die Dimensionen jedoch häufig zu gering, dass für eine Expansion ins Ausland etwa Private Equity bei etablierten Unternehmen oder Venture Capital bei Jungunternehmen eingesetzt wird.

Bei der Expansion ins Ausland kann die Swissness durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein. Wie wichtig ist dabei die Ausstrahlung der international stark verflochtenen Finanzbranche?

Die Schweizer Wirtschaft kann nur mit Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit punkten. Diese Art der Swissness verkörpert die Finanzbranche hervorragend.

Die Bankbranche hat also kein Reputationsproblem?

Die sich häufenden Äusserungen über eine angeknackste Reputation sind Ausdruck einer für die Schweiz manchmal vielleicht etwas typischen Nabelschau. Wie bei vielem ist auch der Ruf der Finanzbranche zuhause schlechter als im Ausland.
Das wird mir gerade bei den vielen Auslandreisen im Dienst von SGE immer wieder bewusst, wo meist auch Vertreter aus der Bankbranche in der Wirtschaftsdelegation dabei sind. Der Austausch ist jeweils sehr intensiv und man tritt geschlossen auf.

Das Miteinander ist auch ein Markenzeichen der Schweiz.

Genau. Ich bin auch immer wieder erstaunt und erfreut, wie sich lokale Chefs im Ausland anderen Schweizer Unternehmen vor Ort verpflichtet fühlen und sich gegenseitig helfen. Sich gegenseitig unter die Arme zu greifen, ist nicht an den Schweizer Pass, sondern eher an typische Schweizer Werte gebunden. Über ein solches Team Switzerland freue ich mich jeweils besonders.


Ruth Metzler war Bundesrätin und Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartementes (1999-2003). Sie ist Präsidentin von Switzerland Global Enterprise (SGE), Asteria Investment Managers sowie Fehr Advice & Partners. Sie ist Vizepräsidentin von Axa Schweiz und unter anderem Mitglied des Verwaltungsrats der Bankengruppe Reyl. Ausserdem präsidiert sie den Stiftungsrat der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan und ist Mitglied des Stiftungsrates des liberalen Think Tanks «Avenir Suisse».