Anders als in Grossbritannien ist den Pensionskassen in der Schweiz der Einsatz von Derivaten nur begrenzt erlaubt. Gefahren lauern aber an einem anderen Ort.

In Grossbritannien läuft derzeit einiges schief. Wegen der umstrittenen Wirtschaftspolitik der Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss geht jetzt sogar die Angst um, dass vermeintlich langweilige Pensionskassen in Schwierigkeiten geraten und die Renten gefährdet sind.

Auslöser des Unheils war, dass britische Pensionskassen auf der Jagd nach Rendite während der Tiefzinsphase vermehrt riskantere Anlagen wie Unternehmenskredite, Immobilien oder Aktien in ihre Portefeuilles aufnahmen. Die damit verbundenen Risiken sicherten sie durch Derivate. Dafür mussten sich Geld ausleihen und ihre sichersten Werte, ergo britische Staatsanleihen, als Pfand einsetzen.

Ein Teufelskreis in Grossbritannien

Das ging so lange gut, als die Märkte der britischen Wirtschaft vertrauten. Mit den Wachstumsplänen der Regierung, die im Kern aus Steuersenkungen und mehr Staatsschulden bestand, stieg allerdings das Misstrauen und folglich die Risikoprämien auf Staatsobligationen. Im Gegenzug sanken zwangsläufig die Kurse dieser Papiere.

Das erwischte die Pensionskassen auf dem falschen Fuss. Weil ihre als Staatsanleihen hinterlegten Sicherheiten weniger wert waren, verlangten die Gläubiger von den Pensionskassen weitere Zuschüsse. Diese Mittel beschafften sich die Pensionskassen, indem sie ihre liquiden Papiere abstiessen, also britische Staatsanleihen. Dieser Teufelskreis wurde erst durchbrochen, als die britische Notenbank einschritt und als Nothelfer abgestossene Staatsobligationen aufkaufte.

Hebel auch in der Schweiz erlaubt

Ähnliches sollte in der Schweiz nicht passieren. Jedenfalls lassen die Anlagevorschriften zur zweiten Säule Anlagen in derivative Finanzinstrumente nur zu, wenn keine Hebelwirkung auf das Gesamtvermögen der Vorsorgeeinrichtung ausgeübt wird.

Ein Hebel ist indessen zulässig für alternative Anlagen. Ausdrücklich erlaubt ist gemäss der einschlägigen Verordnung der Einsatz von Hebeln ausserdem bei Einzelimmobilien oder bei regulierten kollektiven Immobilienanlagen.

Käuferstreik bei Immobilienfonds

Da zahlreiche Pensionskassen in den letzten Jahren ihre Engagements in Immobilien verstärkt haben, ist ein heraufziehendes Gewitter nicht auszuschliessen. Allerdings fehlen bisher Anzeichen, wonach die Immobilienmärkte wegen Pensionskassen, die sich mit gehebelten Produkten eingedeckt haben, einem Stresstest ausgesetzt sind.

Für Beunruhigung gesorgt hat aber, dass verschiedene Immobilienfonds jüngst ihre Pläne für eine Kapitalerhöhung abblasen mussten. Grund für den Käuferstreik war, dass keiner der kotierten Fonds ein Aufschlag von mindestens 10 Prozent gegenüber dem Nettoinventarwert aufwies. Bei solch tiefen Agios ergeben sich keine positiven Bezugsrechtspreise und bestehende Investoren müssen aufgrund der entstehenden Kosten und der Verwässerung einen Nachteil hinnehmen.

Mehrheit in Unterdeckung

Auch wenn auf Hebelprodukte verzichtet worden ist, haben doch viele Schweizer Pensionskassen von ihren in den vergangenen Jahren aufgebauten Polstern zehren müssen.

Ende September 2022 waren gemäss Zahlen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge 480 Pensionskassen nicht in der Lage, ihre Vorsorgeverpflichtungen zu 100 Prozent zu decken. Demnach sind 55,6 Prozent der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Unterdeckung und einem Sanierungsrisiko konfrontiert, gegenüber verschwindenden 0,1 Prozent Ende 2021.

Ähnlich ist der Befund bei der Auswertung von Swisscanto für das dritte Quartal. Eine Unterdeckung weisen demnach 19,4 Prozent der privatrechtlichen Kassen aus, 52,8 Prozent der öffentlich-rechtlichen Kassen mit Vollkapitalisierung und 87,5 Prozent der öffentlich-rechtlichen Kassen mit Teilkapitalisierung.

Wer zahlt bei Sanierungen?

Die Zahlen überzeichnen allerdings die Gefahren, denn der deutliche Zinsanstieg um rund 1,3 Prozentpunkte in der Schweiz per Ende September 2022 wirkt sich positiv auf die Bewertung der Verpflichtungen aus.

Ausserdem ist es Pensionskassen als langfristigen Investoren gesetzlich erlaubt, Unterdeckungen bis zu einem gewissen Ausmass auszusitzen. Doch die Zeit des übermütigen Anlegens in der Hoffnung auf höhere Anlageerträge ist endgültig vorbei. Jetzt müssen sich die Stiftungsräte ungemütlicheren Themen zuwenden – bis hin zur Frage, wer Löcher bei einer deutlichen Unterdeckung stopft.

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