Was hat der Holcim-Obligationär vom Amrize-Spin-off?

Spin-offs wie die Abspaltung des Nordamerika-Geschäfts von Holcim werden mit der Steigerung des Unternehmenswerts begründet. Für den Obligationär bringen solche Transaktionen aber erfahrungsgemäss oft diverse Unsicherheiten mit sich. Die Zürcher Kantonalbank empfiehlt, besonders bei Schuldnern mit schwacher Kreditqualität genau hinzusehen.

Am Montag hat Holcim mitgeteilt, dass der Handel mit den Aktien von Amrize an der New York Stock Exchange und an der SIX Swiss Exchange am 23. Juni aufgenommen wird. Amrize ist eine Abspaltung (Spin-off) des Nordamerika-Geschäfts des Schweizer Baustoffkonzerns mit Schwerpunkt Zement.

Die Holcim-Aktionäre haben den länger vorbereiteten Spin-off an der Generalversammlung im Mai mit grossem Mehr abgesegnet.

Aus Sicht der Aktionäre meist vorteilhaft

Spin-offs werden meistens damit begründet, dass der auszugliedernde Teil unterbewertet sei. Mit solchen Transaktionen soll also Mehrwert für die Aktionäre geschaffen werden, die auch bei Holcim in den Genuss von zusätzlichen Ausschüttungen kommen (Dividend-in-kind in Form von Amrize-Aktien). In der Regel wird im Gegensatz zu einem normalen Börsengang (IPO) kein zusätzliches Kapital aufgenommen.  

Etwas anders sieht die Perspektive der Obligationäre aus, wie Adrian Knoblauch, Bonitätsanalyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), in einer Studie zu Spin-offs im Allgemeinen und zu den Fällen Holcim und ABB im Besonderen darlegt. ABB plant die Abspaltung der Robotics Division.

Für Obligationäre nicht unbedingt positiv

Spin-offs offenbarten wichtige Aspekte im «Debt-Equity-Konflikt», also im potenziellen Interessenkonflikt zwischen Obligationären und Aktionären eines Unternehmens, schreibt Knoblauch. «Im Gegensatz zu den Aktionären ist ein Spin-off für die Anleihengläubiger aber nicht unbedingt positiv, was auch durch akademische Studien belegt wird. Gerade wenn es bei einem Spin-off zu einer Umverteilung von Vermögenswerten von den Schuldnern zu den Aktionären kommt, kann dies für die Fremdkapitalgeber auch kreditnegativ sein.»

Die typischerweise im Verhältnis zu den Besitzverhältnissen an der Muttergesellschaft ausgegebenen Aktien des Spin-off könnten als zusätzliche Ausschüttung an die Aktionäre interpretiert werden. Ausserdem sei oft unklar, «wie die Feinabstimmung der zukünftigen Kapitalstruktur aussehen wird und wie der Vermögenstransfer in die neue Gesellschaft stattfinden soll». Zudem reduziert eine Abspaltung die Diversifikation eines Schuldners, was für die Obligationäre grundsätzlich nachteilig ist.

Trau, schau, wem!

Das ZKB-Credit-Research empfiehlt, dass Anleiheninvestoren besonders bei Spin-offs von Unternehmen aus dem Segment unterhalb der Anlagequalität (Investment-Grade) genau hinschauen sollten. Dort müssten im internationalen Kontext oft zusätzliche Bedingungen (Covenants) erfüllt sein, damit eine Abspaltung überhaupt möglich sei.

Knoblauch erinnert dabei an die Abspaltung Medmix' von Sulzer im Jahr 2021, die über einen Aktiensplit erfolgte. Nach der Transaktion habe die Solidarhaftung von Medmix nur noch für alte Sulzer-Anleihen gegolten. Die mangelhafte Kommunikation habe zu Unruhe am Frankenanleihenmarkt geführt. Die ZKB selber schrieb damals von einem «intransparenten Vorgehen», das die Sulzer-Obligationäre verunsichert habe und so «als Boomerang zurückkam», was das Unternehmen zu einer Klarstellung zwang.

Holcim: Ein Schwergewicht auch am Anleihenmarkt

Aus Bonitätssicht weniger problematisch sind hingegen Spin-offs von Unternehmen im Investment Grade – wie aktuell eben Holcim und ABB. 

Holcim bildet am Anleihenmarkt ein Schwergewicht. Ausser einer Reihe von Bonds in der Heimwährung hat das Unternehmen viele Obligationen in Euro, Dollar und Pfund ausstehend.

Amrize hat gleiche Bonität wie Holcim

Ihre Kapitalmarktfähigkeit bereits unter Beweis gestellt hat die neue Amrize: Sie ist von Standard & Poor's und Moody's mit BBB+ bzw. Baa1 (die gleichen Ratings wie Holcim selber) sowie einem stabilen Ausblick eingestuft worden und hat zur Finanzierung des Spin-off 3,4 Milliarden Dollar über die Emission von Anleihen aufgenommen.

Das ZKB-Credit-Research hat sich intensiv mit Frage auseinandergesetzt, ob sich durch den Spin-off die Kreditqualität der alten Holcim verschlechtert – und bestätigt das Rating von BBB+.

Negativ: Durch Abspaltung reduziert sich die Diversifikation

Entscheidend für das Kreditprofil sei, wie wie die Profitabilität, die Cashflow-Kraft und die Verschuldung nach dem Spin-off aussähen, hält die ZKB fest. Dabei wird auf die Zusage Holcims verwiesen, die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) unter 150 Prozent halten zu wollen. Negativ fällt ins Gewicht, dass der Konzern durch den Spin-off kleiner wird und geografisch weniger diversifiziert unterwegs ist.

Das Kreditprofil setzt sich bei der ZKB aus dem Geschäfts- und dem Finanzrisikoprofil zusammen.

Kann Holcim die Preise halten?

Das erstere wird im Vergleich zu anderen Unternehmen in dieser Ratingklasse weiterhin als gut eingestuft. Positiv bewertet wird die Strategie Holcims, sich von schwierigen Märkten wie Indien oder Nigeria zu verabschieden. Zudem begegne der Konzern den Herausforderungen der Dekarbonisierung proaktiv und bemühe sich, die Kohlenstoffintensität (bei der konventionellen Zementherstellung wird viel CO2 freigesetzt) zu reduzieren.

Beim Finanzrisikoprofil rechnet Knoblauch als Folge des Spin-off mit einer leichten Abschwächung. Entscheidend sei aber, ob Holcim «dem Preisdruck bei den Baumaterialien auch zukünftig unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung mit starkem Pricing entgegenwirken kann». Eine Gefahr für das Finanzrisikoprofil stellten indes die «traditionell hohe Akquisitionskadenz» und die «historisch grosszügige Aktionärsvergütung (Dividenden und Aktienrückkäufe)» dar.

Europa: Spin-off als Alternative zum Börsengang?

Für ABB wird das Rating sogar um eine Stufe auf A erhöht. Grund dafür ist allerdings nicht diese Transaktion, sondern die gute operative Leistung des Konzerns und die starke Verbesserung der kreditrelevanten Kennziffern. «Auch das geplante Spin-off der Robotics Division dürfte auf die Höherstufung keinen Einfluss haben», führt die ZKB aus.

Spin-offs sind nicht nur hierzulande, sondern auch international ein grosses Thema. So hat vor einigen Tagen die Nachrichtenagentur Bloomberg gemeldet, dass eine Reihe europäischer Unternehmen in nächster Zeit Einheiten im Wert von 100 Milliarden Dollar abspalten wolle. Neben Holcim (auf diese Transaktion entfällt ein Drittel bis die Hälfte des Gesamtbetrags) und ABB werden dabei Anglo-American, BASF, Continental und Unilever genannt.

Spin-offs funktionierten auch in einer Phase, in der normale Börsengänge aufgrund der von der US-Zollpolitik ausgelösten Volatilität rar seien, lautet der Tenor des Beitrags.