Die Basler Kantonalbank durchbricht mit der vollständigen Übernahme der Bank Cler bisherige Grenzen – und setzt damit im Branchengefüge einiges in Bewegung, wie finews.ch analysiert.

Dass Kantonalbanken ihre Geschäfte auf das Kantonsgebiet beschränken, mag in der Theorie noch der Fall sein. Faktischer ist die Entwicklung, wonach Staatsinstitute mittels Tochtergesellschaften und Beteiligungen ihr Markgebiet sukzessive ausdehnen.

Die Basler Kantonalbank (BKB) geht mit der geplanten Übernahme der Bank Cler noch deutlich weiter: Die bisherige Tochter wird zu einem gewissen Grad in die BKB-Mutter integriert, und zwar mit dem Ziel, Skaleneffekte zu erzielen. Die BKB dehnt, auch wenn die Marke Cler bestehen bleibt, ihre physische Präsenz praktisch um 32 Filialen schweizweit aus.

Im Schweizer Bankengefüge – namentlich unter Kantonal- und Regionalbanken – wird dies einiges in Bewegung setzen.

1. Das Beispiel wird Schule machen

Die Schweiz ist «overbanked», und dies wird sich im Zuge dünnerer Margen und Fintech-Konkurrenz weiter akzentuieren. Die BKB geht diese strukturelle Herausforderung offensiv an. Die Cler-Übernahme mündet in eine Teilintegration, wohl vornehmlich im Back- und Middle-Office, um Kosten zu sparen.

Die Übernahme bedeutet auch eine massive Ausdehnung des Potenzials für neue Kundenkontakte und Geschäfte. Vor diesem Hintergrund ist es bloss noch eine Frage der Zeit, dass sich andere Kantonal- und Regionalbanken Gedanken über ähnliche Modelle machen und entsprechende Lösungen anstreben.

2. Der digitale Arm wird immer länger

Zwar markieren die Kantonalbanken physische Präsenz auch ausserhalb ihres angestammten Gebietes – namentlich im Private Banking. Bei der digitalen Expansion sind die Finanzinstitute indes deutlich weiter. Mittlerweile führt nahezu jede Kantonalbank ein Online-Portal für die Finanzierung von Wohneigentum oder ist an Immobilienagenturen beteiligt; beispielsweise die Zürcher Kantonalbank an der landesweit agierenden Homegate oder die Luzerner Kantonalbank an der Immobilienplattform Crowdhouse.

Auch was die Vermögensverwaltung anbelangt, drängen die Kantonalbanken über digitale Angebote in andere Kantone vor. So besteht zwischen der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) und dem Zürcher Online-Vermögensverwalter Truewealth eine strategische Kooperation. Als digitale Vorreiterin ist zudem die Glarner Kantonalbank (GLKB) zu nennen, welche mit ihrem Robo-Advisor Investomat schweizweit auf Kundenfang geht.

Die BKB will auch von der digitalen Stärke der Bank Cler profitieren – und so Zugang zu Kunden in der ganzen Schweiz gewinnen. Dieser Prozess wird sich unter anderen Kantonalbanken nicht nur fortsetzen, sondern beschleunigen.

3. Jede Kantonalbank für sich allein – das ist vorbei

Die kleinen Clientis-Banken tun es genauso wie die Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS) – sie alle denken angestrengt darüber nach, wie sie ihre rückwärtigen Dienste effizienter und kostengünstiger betreiben können: Die Clientis-Gruppe hat mit Inventx einen gemeinsamen Rechen- und Datenverarbeiter gefunden, die UBS und CS planen möglicherweise ähnliche Schritte in Bereichen wie Compliance, IT, Transaktionen und Datenzentren.

Dass die Kantonalbanken in Back-Office-Bereichen nach wie vor ihr eigenes Süppchen kochen und eigene Outsourcing-Lösungen verfolgen, ist ein Anachronismus in Zeiten, da Banking mehr und mehr hartem Kostenmanagement unterworfen ist. Darauf wies kürzlich auch CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein im Interview mit finews.ch hin. 

4. Es droht ein zweiter Fall Postfinance

Wenn Staatsinstitute wie die BKB zunehmend direkt schweizweit zu geschäften beginnen, könnte sich auch die Debatte um die Postfinance überraschend ausweiten. Zur Erinnerung: Der Bankentochter des Staatsbetriebs Post ist es aus politischen Gründen untersagt, direkt Kredite zu vergeben. Dieses Korsett hat die Postbank in den vergangenen Jahren angesichts des Tiefzinsumfelds in eine verzwickte Lage gebracht und erst kürzlich zu einem grösseren Stellenabbau gezwungen.

Wenn nun (kantonale) Staatsbanken über Firmentöchter oder dem digitalen Kanal frischfröhlich Hypotheken vergeben, dann darf die Postfinance mit gutem Grund eine Neubeurteilung ihres Kreditverbots einfordern.

5. Muss die Staatsgarantie überdacht werden?

Beeinflusst eine mögliche Schieflage der Bank Cler das Mutterhaus BKB und dessen Staatsgarantie direkt, oder allenfalls indirekt? Gemäss BKB-Gesetz wird die Staatsgarantie gegenüber Tochtergesellschaften und kontrollierten Unternehmen explizit ausgeschlossen. Da die Staatsgarantie die BKB bei der Refinanzierung am Kapitalmarkt bevorteilt, ist sie gegenüber dem Kanton abzugelten.

Die Berechnung der Entschädigung schafft bezüglich möglichen, indirekten Auswirkungen mehr Klarheit: Das Fremdkapital der Bank Cler fliesst nicht in die Berechnung ein und wird folglich bei einem Ausfall nicht durch den Kanton gedeckt. Die Frage lautet: Wer deckt es dann, wenn nicht die BKB?

6. Folgt das Undenkbare: Konsolidierung unter Kantonalbanken?

Ausgerechnet Iqbal Khan, der heutige Chef Internationales Wealth Management bei der CS, hat den Niedergang des Schweizer Retailbanking prophezeit. Im Jahr 2012 schrieb er, damals noch beim Beratungsunternehmen EY, Retailbanking sei in der heutigen Form nicht mehr rentabel zu betreiben. Eine Konsolidierungswelle werde einsetzen.

Nun verfolgen solche Prognosen und Studien von Beratungsunternehmen einen Eigenzweck – nämlich Beratungsbedarf zu schaffen – doch sind sie deswegen nicht immer nur abwegige Fantasterei. Sogar ein Kantonalbanken-CEO wie Blaise Goetschin von der Banque Cantonale Genevoise, sieht die Konsolidierungswelle kommen.

Nur eine Handvoll Kantonalbanken werde in der Schweiz noch tätig sein, sagte er unlängst in einem Interview mit finews.ch. Die Cler-Übernahme durch die BKB ist mehr als ein Fingerzeig. Sie könnte die Konsolidierung im Schweizer Retailbanking massiv beschleunigen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.8%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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