Nach einem Jahr der Neuausrichtung hat Philipp Wehle den Schalter im internationalen Private Banking der Credit Suisse umgelegt. Im Gespräch mit finews.ch konkretisiert er erstmals seine Wachstumspläne mit den reichsten Kunden der Bank.      

Seit dem Ausbruch der Coronakrise vor bald einem Jahr hat die Credit Suisse (CS) im internationalen Vermögensverwaltungs-Geschäft (International Wealth Management, IWM) ein Drittel mehr Kundenkontakte verzeichnet – vor allem digital, dank der innert kurzer Zeit so populär gewordenen IT-Tools. Diese Nähe zur Klientel ermöglichte es der Bank, die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden genauer zu erfassen.

Vor diesem Hintergrund hat die CS in den vergangenen Monaten ihren Plan beschleunigt, verschiedene Dienstleistungen aus dem Investmentbanking stärker ins Wealth Management zu integrieren. «Corona war ein wichtiger Impuls, unser Geschäftsmodell zu überdenken», sagt IWM-Chef Philipp Wehle im Gespräch mit finews.ch.

Neuer Bereich

Dies betrifft vor allem das Geschäft mit Unternehmern mittelständischer Firmen, die aufgrund ihrer finanziellen Bedürfnisse oftmals weder richtig in eine klassische Privatbank passen, noch die kritische Grösse haben, um für eine Investmentbank wirklich attraktiv zu sein. Hier hat Wehle eingehakt und im vergangenen Jahr den Bereich Investment Banking Advisory (IB Advisory) geschaffen. Die Abteilung beschäftigt aktuell 20 Spezialisten und soll 2021 auf bis zu 50 Leute ausgebaut werden, wie er weiter erklärt. Sie ist bereits seit 2020 für die Regionen Naher Osten, Russland und andere GUS-Staaten tätig und wird nun auch in Europa aktiv.

Zentral bei diesem Plan ist Deutschland, wo die CS in Frankfurt am Main künftig entsprechende Dienstleistungen anbieten will. Ein Team von fünf Beratern soll im ersten Halbjahr 2021 bereitstehen, die sich sowohl in der Betreuung sehr reicher Kunden auskennen und gleichzeitig die Bedürfnisse im Investment- und Corporate Banking verstehen. Wahrlich kein einfaches Unterfangen, solche Leute zu finden, wie Wehle einräumt.

Investitionen von 150 Millionen

Insgesamt will die CS in ihre Wachstumsinitiativen in der Vermögensverwaltung bis zu 150 Millionen Franken investieren, wobei ein Teil dieser Mittel durch Effizienzsteigerungen in bereits bestehenden Bereichen erzielt werden soll, wie Wehle weiter erklärt. Um dieses Sparziel zu realisieren, denkt er nicht primär an Stellenkürzungen, sondern hat bereits im vergangenen Jahr einzelne Abteilungen zusammengelegt. Ausserdem will er gewisse Prozesse weiter digitalisieren.

Die neue Abteilung IB Advisory steht weltweit unter der Co-Führung des langjährigen Kadermanns Babak Dastmaltschi sowie dem erst kürzlich zur CS gestossenen Investmentbanker Christian Meissner, der eine Zeit lang als Nachfolger von UBS-Chef Sergio Ermotti gehandelt wurde, wie auch finews.ch berichtete.

Turbulente Zeiten

Mit dieser Initiative sowie anderen Massnahmen, etwa dem Fokus auf Impact Investing, nimmt die IWM-Division der Credit Suisse unter dem 47-jährigen Deutschen allmählich neue Gestalt an. Wehle, zuvor Finanzchef im IWM, übernahm Anfang Juli 2019 in einer turbulenten Zeit das Ruder.

Er ersetzte Iqbal Khan, der die Bank in Richtung UBS verlassen hatte, nachdem es zu einem persönlichen Streit mit dem damaligen CS-Chef Tidjane Thiam gekommen war. Die ganze Eskalation und die daraus resultierende interne Verunsicherung, die schliesslich sogar zum Abgang Thiams führte, war eine denkbar schwierige Zeit, um das IWM-Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Dass kurz darauf, im Frühjahr 2020, noch die Coronakrise ausbrach, erleichterte das Vorhaben in keiner Weise.

Ein Viertel des Vorsteuergewinns

Dabei stand einiges auf dem Spiel. Denn Wehles Division beschäftigt rund 10'000 Mitarbeitende und verwaltet rund 800 Milliarden Franken an Kundengeldern. An ihrer Profitabilität gemessen erwirtschaftet sie ein Viertel des Vorsteuergewinns (rund 1,1 Milliarden Franken per drittes Quartal 2020) des Konzerns.

Insofern war Wehle, der in dieser Zeit vorerst einmal unter dem Radar aktiv wurde, enorm gefordert. Während 2020 das Jahr der Reflektion und Neuausrichtung war, sei 2021 nun das Jahr der Umsetzung – der Execution, wie er feststellt. Näher an die Klientel rückt seine Abteilung auch im Nahen Osten, wo die CS kürzlich eine Filiale in der saudischen Hauptstadt Riad eröffnete.

Hoffnung auf Rückenwind

Mag die erste Phase der Neupositionierung der IWM-Sparte unter erschwerten Bedingungen erfolgt sein, so darf Wehle nun doch auf Rückenwind hoffen. In Asien erholt sich die Wirtschaft unerwartet schnell, was positive Auswirkungen auch auf Europa zeitigen dürfte. Ausserdem könnte der politische Wandel in den USA neue Impulse rund um die Welt freisetzen.

Hinzu kommt, dass seit der Corona-Pandemie viele Kundinnen und Kunden ihre finanziellen Aktivitäten neu beurteilen. Unter diesen Prämissen findet Wehle, dass nachhaltiges Investieren nicht bloss ein Mode- oder Marketingtrend sei, sofern sich damit auch Wichtiges bezwecken lasse, wie er im Gespräch erklärt.

Selber investiert

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Mittlerweile gebe es immer mehr (vermögende) Kunden, die explizit nachhaltige Anlagen nachfragten, nicht als Selbstzweck oder zur Beruhigung des eigenen Gewissens, sondern, um etwas zu verändern – Impact zu erwirken; portugiesische Kunden etwa, die sich für die Rettung der Meere einsetzten, oder Kunden aus Brasilien, die konkret etwas zur Rettung des Ökosystems beitragen möchten. Zum Teil wünschten sie sogar die Entwicklung eigener Finanzprodukte, um ihren Anliegen gezielter gerecht zu werden.

Die Beratung dieser Klientel erhalte so einen neuen Stellenwert und zwinge eine Bank, sich mit Spezialisten zusammen zu tun, wie das die CS beispielsweise mit Rockefeller Asset Management mache. «Solche Produkte, die die CS anbietet, habe ich selber gekauft», sagt Wehle und beweist damit auch ein neues Selbstverständnis, zumal es in der Vergangenheit eher eine Seltenheit war, dass Bankchefs ihre privaten Portefeuilles mit Finanzprodukten des eigenen Hauses bestückten.

Mit dem Fahrrad zur Arbeit

Im Auftritt zwar eher zurückhaltend, aber letztlich zielstrebig und effizient setzt Wehle in einer (Finanz-)Welt hoch getakteter und bisweilen selbstüberschätzter Manager einen glaubwürdigen Kontrapunkt. Dazu passt auch, dass er auch nicht vom Chauffeur in einer Firmenlimousine ins Büro gefahren wird, sondern gern das Fahrrad benützt.

Ausser jetzt in der kalten Jahreszeit. Da geht er lieber mit dem Tram oder bisweilen zu Fuss, wenn nicht gerade Lockdown herrscht. Das tue gut, besonders in der verrückten Zeit, verrät er mit einem Schmunzeln.

 

 

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