Die Credit Suisse macht keinerlei Anstalten, die Kunden ihrer Greensill-Fonds für deren Verluste zu entschädigen. Das ist eine riskante Strategie für einen Vermögensverwalter. Doch die angeschlagene Grossbank kann nicht anders.

Entgegen früher kolportierten Absichten will die Credit Suisse (CS) ihre Kunden für die Verluste in den Greensill-Fonds offenbar nicht entschädigen. Die Nachrichtenagentur «Reuters» hatte vor knapp zwei Wochen geschrieben, die Bank würde einen solchen Schritt in Betracht ziehen, um Schadensbegrenzung bei der Klientel zu betreiben.

Danach sieht es nicht mehr aus: Im «Trading Update» vom (gestrigen) Dienstag, in dem die CS ihren Verlust mit Archegos auf 4,4 Milliarden Franken bezifferte, fehlten sowohl weitere Verlustangaben wie auch -schätzungen zum Fiasko mit den Greensill-Fonds.

Greensill als separater Verlustfall

Es würden weiterhin Gelder aus den Investments zurückfliessen, schrieb die CS lediglich. Die Investoren würden in einer separaten Mitteilung über Rückzahlungen informiert. Bislang konnte die CS ihren Greensill-Fonds-Kunden 3,1 Milliarden Dollar aus den Cash-Beständen zurückzahlen.

Insgesamt hatten CS-Kunden im Asset Management wie auch im Private Banking mehr als 10 Milliarden Dollar in die sogenannten Supply-Chain-Finance-Funds investiert, welche die Schweizer Grossbank zusammen mit der Investment-Firma Greensill Capital betrieben hatte. Mitte März musste Greensill Insolvenz anmelden und die CS die Fonds schliessen. Seither schweben die rund 1'000 Fonds-Kunden der CS in Unsicherheit, ob sie ihr Geld je zurückerhalten werden.

Verantwortung liegt bei den CS-Kunden

Die CS hat das Vorhaben einer Entschädigung ihrer Kunden fallen gelassen. Dies ergaben Recherchen von finews.ch und was auch die Nachrichtenagentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete. Die CS gab dazu keinen Kommentar ab. Doch sagten Personen in der CS gegenüber finews.ch, bei den Kunden handle es sich um qualifizierte Investoren. Damit liege die Verantwortung für allfällige Verluste bei ihnen.

Mit diesem Entscheid bürdet sich die CS erneut ein hohes Risiko auf. Erstens droht ein anhaltender Reputationsschaden: Als renommierter Vermögensverwalter mit dem «Swissness»-Gütesiegel lässt die CS ihre Kunden im Regen stehen.

Wie finews.ch bereits früher berichtete, sind die Anleger der Greensill-Fonds keineswegs nur institutionelle Investoren wie Pensionskassen. Die CS vertrieb ihre Fonds mit viel Aufwand auch im Wealth Management an superreiche Privatkunden und Family Offices; auch diese gelten als qualifizierte Anleger.

Schaden eingrenzen, Verluste auslagern

Die sonst so umworbene und gehätschelte Privatkundschaft mit Verlusten aus hauseigenen Produkten sitzenzulassen, steht der CS schlecht an. Selbst wenn die Umstände der Greensill-Pleite noch vollständig aufgeklärt werden müssen, deutet einiges darauf hin, dass die CS Fehler gemacht hat.

Doch anstatt Schadensbegrenzung für ihre Kunden zu betreiben, versucht die CS den eigenen Schaden zu minimieren und Verluste auszulagern. Dabei kommt der Bank zugute, dass die Greensill-Fonds Sondervermögen sind und nicht auf der eigenen Bilanz lasten.

Neben dem Reputationsrisiko geht die CS mit dieser Taktik ein Rechtsrisiko ein. Superreiche Privatkunden scheuen in der Regel nicht davor zurück, bei Verlusten die Bank zu verklagen.

Taktik beruht auf Hoffnung...

Dies zeigt das Beispiel des georgischen Oligarchen Bidzina Ivanishvili, der zusammen mit weiteren Ex-Kunden die CS wegen Verfehlungen des ehemaligen Kundenberaters Patrice Lescaudron seit über sechs Jahren in einen zähen und globalen Rechtsstreit verwickelt. Die Bank bestreitet jegliche Schuld in der Lescaudron-Affäre.

Das Beispiel ist nicht aus der Luft gegriffen. Im Greensill-Fall prüfen verschiedene Anwaltskanzleien in den USA, in Grossbritannien, in Luxemburg und auch in der Schweiz Sammelklagen, wie auch finews.ch berichtet hat.

Die CS-Taktik beruht auf der Hoffnung, über die nächsten Monate und Jahre den Kunden weitere Milliarden aus den Fonds zurückführen zu können und die Verluste auf 1 oder 1,5 Milliarden Dollar eingrenzen zu können.

...und dünnerem Eigenkapital

Doch scheint das Vorgehen der CS auch vom Blick auf ihre Eigenkapitaldecke bestimmt zu sein. Diese ist durch den Archegos-Verlust bereits geschrumpft, dürfte gemäss eigenen Angaben aber noch mindestens 12 Prozent betragen.

Unter diese Marke will die CS nicht fallen. Das laufende Aktienrückkauf-Programm hat sie bereits sistiert und die Dividende massiv gekürzt, um nicht noch tiefer in die schwindenden Kapitalreserven zu fressen.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) könnte die CS zu einer Erhöhung der Kapitalpuffer verknurren, wie die Bank in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2020 festhalten musste. Führende Rating-Agenturen wie Standard & Poor's oder Moody's haben den Bonitäts-Ausblick für die Bank bereits auf «negativ» gesenkt. Damit droht sich die Refinanzierung der Bank zu verteuern.

Problem in die Zukunft verlagert

Der Entscheid, vorerst auf eine Entschädigung der Greensill-Fonds-Kunden zu verzichten, entspringt somit wohl einer Zwangslage. Eine solche Zahlung würde direkt auf das Eigenkapital durchschlagen – so wie es der Archegos-Verlust schon tut.

Eine solide Kapitalausstattung gewichtet der CS-Verwaltungsrat derzeit offenbar höher als die Folgen eines Reputationsschadens und zäher Rechtsstreitigkeiten mit erzürnten Kunden. Mit den daraus entspringenden finanziellen Folgen wird sich die CS später herumschlagen müssen.

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