Die Credit Suisse hat bereits zweimal einen Bank Run erlebt. Mittelfristig könnte nun nochmals viel Vermögen abfliessen. Die Bewegung hat bereits begonnen.

Gut möglich, das man bei Julius Bär zuletzt lacht. Die Privatbank ist dieser Tage an der Börse abgestraft worden, weil sie für das erste Jahresdrittel nur relativ wenig Neugeld ausweisen konnte. Die Anleger hatten offensichtlich mit einem «Credit-Suisse-Effekt» beim Zürcher Traditionshaus gerechnet. Dies, nachdem die Grossbank Ende März einen neuerlichen Bank Run erlebt hatte und von der UBS übernommen wurde.

Die Anleger könnten sich jedoch die falsche Zahl angeschaut haben, als sie die «Zugkraft» des Instituts bewerten wollten. Statt auf das Neugeld hätten sie auf die Neuanstellungen achten sollen. Denn Julius Bär hatte ebenfalls verkündet, seit Anfang Jahr fast 40 neue Kundenberater engagiert zu haben.

Von Turbulenzen begünstigt

Auch für das weitere Jahr gebe es eine starke Rekrutierungs-Pipeline, versprach die Privatbank – und fügte schelmisch hinzu, die Wechsel seien «teilweise durch die jüngsten Turbulenzen in anderen Bereichen der Branche» begünstigt worden. Wie von Kennern des Geldhauses zu erfahren ist, kommt der überwiegende Teil der neuen Kundenberater von der Konkurrentin mit den zwei Segeln im Logo.

Analysten der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zählten darauf Eins und Eins zusammen. Sie kamen in einer neuen Studie zum Schluss, die Julius Bär sei gut positioniert, um von den Auswirkungen der Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS zu profitieren und in den kommenden Jahren einen guten Neugeldzufluss zu erarbeiten. Entsprechend stuften sie ihre Empfehlung für die Bär-Aktie von «Marktgewichten» auf «Übergewichten» hoch.

Die Vermögen folgen später

Die ZKB-Analysten wissen: erst kommen die Berater, dann die Kunden. Sinnigerweise hat Romeo Lacher, der Präsident von Julius Bär, den Mechanismus unlängst im Gespräch mit  finews.ch im Detail beschrieben. «Berater überlegen sich, die Bank Richtung Konkurrenz zu verlassen», sagte Lacher. «Sobald sie für den Schritt bereit sind, werden sie versuchen, ihre Klientel mitzunehmen.» Das komplette Onboarding sehr vermögender Kundinnen und Kunden am neuen Ort könne dann gut und gern Monate dauern.

Der höchst erfahrene Finanzprofi, der noch dazu früher selber im Kader der CS tätig war, hält deshalb eine «zweite Welle» an Abflüssen bei der Grossbank für möglich. Da es sich aber eben nicht um Cash, sondern um investierte Vermögen handelt, würde diese Welle erst mit der erwähnten Verzögerung rollen.

40 Prozent von der CS

Mittlerweile deutet vieles darauf hin, dass Lacher recht bekommt. Fast täglich ist vom Wechsel erfahrener Kundenleute und gar von ganzen Teams weg von der CS zu lesen. Konkurrenten haben teils jegliche Zurückhaltung abgeworfen und werben öffentlich um wechselwillige Kundenberaterinnen und -berater. Es bleibe noch ein Monat Zeit, um CS-Leute zu rekrutieren, erklärte Alexander Classen, Präsident der Zürcher Privatbank EFG International, unlängst in einem Interview.

Seinen Angaben zufolge stammen von den insgesamt rund 50 Kundenberaterinnen und -beratern, welche die Privatbank im ersten Quartal engagiert haben will, 30 bis 40 Prozent von der CS.

Zittern wegen Ex-Wealth-Chef

Wiederholt Wechselwillige von der Grossbank angezogen hat zuletzt auch die Genfer Privatbank Lombard Odier, die unter dem Schweizer Marktleiter Andreas Arni einen scharfen Expansionskurs im Heimmarkt fährt. Ein Coup gelang den Genfern mit der Rekrutierung von Serge Fehr, dem bisherigen Chef des Schweizer Private Banking der CS. Fehr wird zugetraut, dass er eine ganze Reihe von Top-Leuten insbesondere aus der Westschweiz zu Lombard Odier hinüberzieht.

Mittlerweile bröckelt es bei der Grossbank auch abseits der grossen Bankenplätze. So berichtete finews.ch über den Wechsel eines ganzen Private-Banking-Teams aus Bern, das im Sommer bei der Fürstenbank LGT anfangen wird. Ebenfalls sind im Raum Basel und Nordwestschweiz diverse Kräfte auf dem Sprung. Die Fluktuation ist dort erhöht. Offenbar profitieren gleich mehrere Konkurrenten von den Abgängen. Auf Anfrage wollte dies die CS nicht kommentieren.

Mit allen Mitteln

Bei der neuen Eigentümerin, der UBS, ist man über diesen Aderlass alles andere als glücklich. Wie im Umfeld des Instituts zu erfahren ist, sind die zuständigen Chefs im Private Banking der Käuferin wie auch der CS mit hoher Dringlichkeit unterwegs, um weitere Absetzbewegungen zu verhindern. Die UBS, welche die CS auf Geheiss von Bund und Behörden übernehmen musste, ist nämlich vorab an deren Private Banking interessiert. Sie wird nun mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, Kundenberater bei der kombinierten Grossbank zu halten.

Dies schliesst monetäre Anreize mit ein, während «Bad Leaver» bei der CS mit Abstrichen auf aufgeschobenen Boni konfrontiert sind.

Teams statt Einzelmasken

In den nächsten Wochen und Monaten muss sich zeigen, wie gut die Retentionsmassnahmen seitens CS und UBS greifen. In den vergangenen Jahren sind beide Grossbanken dazu übergegangen, reiche Kunden nicht mehr von einzelnen Beratern betreuen zu lassen. Stattdessen wurde die Aufgabe jeweils an ein ganzes Team übertragen. Das hat das «Mitnehmen» von Kunden für wechselwillige Banker deutlich erschwert – von stets wachsendem Papierkram ganz zu schweigen.

Wird bei der CS aufrund der zahlreichen Wechsel auch dieser Abwehrwall löchrig, dann wird die zweite Welle von Kundenvermögen ungehindert zur Konkurrenz abfliessen.

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