Der Gesellschaftsreporter Mark van Huisseling – kurz MvH – hat einen Roman zum Niedergang des Swiss Banking geschrieben. Im Interview erzählt er, wie seine Recherchen dazu führten.

Am 15. September 2008 verkauft Niklaus Helfenstein, der Sohn des «Löwen der Bahnhofstrasse», die in Familienbesitz befindliche Privatbank Helfenstein an russische Investoren. Es ist derselbe Tag, an welchem die US-Investmentbank Lehman Brothers untergeht und die globale Finanzkrise auslöst. Das eine Ereignis ist Fiktion, das andere war real.

Der Zürcher Journalist Mark van Huisseling hat die beiden Ereignisse im Roman «Letzter Halt Bahnhofstrasse» miteinander verquickt und beschreibt die letzten – turbulenten – Wochen der traditionsreichen Privatbank Helfenstein als «chronique scandaleuse» – als unterhaltsame und wechselvolle Geschichte, in der Geld eigentlich nur die Nebenrolle spielt.

Da tritt der aalglatte Banken-CEO auf, der seiner «Trophy Wife» das Sponsoring für ihr Theaterfestival kappt, sein gewandter Stellvertreter, der sich mit Windparks verspekulierte und der Sohn des Patrons, der sich als nichtsnutziger Nachtclub-Besitzer an (zu) jungen Frauen vergreift. Der Roman erschien bereits 2017, doch finews.ch nimmt das nahende «Lehman-Jubiläum» zum Anlass, mit van Huisseling über seinen Roman zu sprechen.


Der Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers vom 15. September 2008 ist die Klimax in Ihrem Roman «Letzter Halt Bahnhofstrasse». Dieser Jahrestag nähert sich nun zum 10. Mal. Gehören Sie auch zur Sorte von Leuten, die noch genau wussten, wo sie am 15. September 2008 waren und was sie gerade taten?

Ich habe ein gutes Gedächtnis, finde ich. Doch an den 15. September 2008 erinnere ich mich nicht. Die Bedeutung der Ereignisse dieses Tages wurden mir erst ein wenig später bewusst – am 6. November 2008 erschien eine Zeitschriftenbeilage, deren Redaktionsleiter ich war. Ein Bekannter von mir sagte dann etwas im Sinne von «es kann nicht so schlimm sein, solange es noch Leute gibt, die Luxusmagazine machen – vielleicht geht die Welt doch nicht unter.»

Was hat Sie zu dem Roman inspiriert: Persönliche Verluste durch den Lehman-Kollaps oder persönliche Erfahrungen mit Zürcher Private Bankern?

Ich war nicht investiert in Lehmann oder in Produkte dieser Bank. Ich hatte 2008 und in den folgenden Jahren aber viel mit Private Bankern zu tun. Weil ich für eine Kolumne den jeweils «glanzvollsten Anlass» der Woche in der Schweiz oder im Ausland besuchte. Oft waren unter den Gästen respektive Gastgebern die erwähnten Banker.

«Mich interessiert die Geschichte von Männer mit Statusverlust»

Da fiel mir über die Zeit auf, wie sich deren Selbstverständnis veränderte: Von «ich hab die Welt am kleinen Finger» zu «was, wenn ich tatsächlich eher durchschnittlich bin und bloss zur richtigen Zeit auf dem richtigen Bürostuhl sass?». Da mich die Geschichte von Männern und ihrem Statusverlust interessiert, schien mir dies ein guter Rohstoff für einen Roman.

Kann man überhaupt über die Bankbranche schreiben, ohne in Klischees zu verfallen?

Da gibt’s von mir aus gesehen keinen Unterschied, ob man es mit Leuten aus dem Banking, der pharmazeutischen Industrie oder aus den Verlagshäusern zu tun hat. Ein Klischee wird zum Klischee, wenn es wenigstens einen wahren Kern hat.

Oder besteht da – vom Verleger respektive von der Leserschaft her – die Erwartung, die ewig gleichen Klischees zu bemühen?

Jetzt sind Sie selber ziemlich nahe am Klischee. Die Leserschaft von Büchern ist zur Hauptsache weiblich. Frauen lesen Romane. Männer lesen, falls überhaupt, Tageszeitungen, Branchenblogs sowie Autozeitschriften. Frauen, sagt man, interessieren sich aber nicht für Banken, Männer und Geld. Das war auf jeden Fall die Rückmeldung der Verleger, die ich mit dem Exposé zu meinem Roman begrüsste.

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