Stablecoin-Regelwerk: Weshalb die Schweiz nun mutig handeln muss
In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.
In den vergangenen Monaten und Wochen hat sich gezeigt, dass die Vereinigten Staaten ihre Interessen unter Präsident Donald Trump selbstbewusst ins Zentrum stellen. Dem sollte die Schweiz pragmatisch gegenüberstehen, insbesondere mit Blick auf digitale Assets und Stablecoins.
In diesen Tagen sucht die Schweiz fieberhaft nach Wegen, das Verhältnis zu den USA zu verbessern, um die hohen Strafzölle von 39 Prozent für ihre Ausfuhren zu reduzieren. Massnahmen wie die Strafzölle stossen weltweit auf Unmut.
Mit kühlem Kopf Synergien im Verhältnis zu den USA identifizieren
Das soll aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die US-Regierung in anderen Bereichen brilliert. Um mit den USA auf Augenhöhe verhandeln zu können, muss die Schweizer Politik kühlen Kopf bewahren und bestehende Synergien identifizieren. In diesem Kontext sollte die Krypto-Regulierung im Allgemeinen und die Stablecoin-Regulierung im Besonderen nicht vergessen werden.
Die Crypto Task Force des Weissen Hauses hat unlängst einen 160-seitigen Bericht zu digitalen Assets veröffentlicht, der einen detaillierten Regulierungsrahmen zur Etablierung der USA als «Crypto Capital» skizziert. Dieser identifiziert die Sektoren Stablecoins und Decentralized Finance (DeFi) als strategische Schlüsselsektoren, die neben dem Handel mit digitalen Assets eindeutige Regeln benötigen.
USA machen Tempo
Mit der Umsetzung zögert der Gesetzgeber nicht. Noch vor Veröffentlichung des Strategiepapiers verabschiedete der US-Kongress den Genius Act, eine umfassende Vorlage zur Regulierung von Stablecoins. Auch die Zuständigkeiten verschiedener Behörden regelte das Repräsentantenhaus im Clarity Act, der mit parteiübergreifender Unterstützung die erste Kammer passierte.
In den kommenden Wochen dürfte das Gesetz dem Präsidenten vorgelegt werden.
«Stablecoins zählen zu den erfolgreichsten Anwendungsfällen der Blockchain-Technologie. Die USA und die EU haben deren strategische Relevanz erkannt.»
Stablecoins sind besonders hervorzuheben. Sie zählen zu den erfolgreichsten Anwendungsfällen der Blockchain-Technologie und sind meist an eine Fiat-Währung wie den Dollar gekoppelt. Dadurch bieten sie Preisstabilität und zugleich die Vorteile dezentraler Netzwerke: sofortige, kostengünstige und grenzüberschreitende Transaktionen.
Die Nutzung wächst rasant. 2024 übertrafen Stablecoins das Transaktionsvolumen von Visa und Mastercard und erreichten ein Marktvolumen von 280 Milliarden Dollar. Die USA, aber auch die Europäische Union (EU), haben deren strategische Relevanz erkannt.
Bereits erste Stablecoin-Emissionen aus der EU
Die EU ergänzte das umfassende Rahmenwerk Markets in Crypto Assets (MiCA) bereits im Juli 2024 mit strikten Vorschriften für Stablecoin-Emittenten. Diese müssen eine aufsichtsrechtliche Genehmigung einholen, eine vollständige Deckung durch liquide Vermögenswerte gewährleisten und diese regelmässig offenlegen. Das hat zu ersten Stablecoin-Lancierungen aus Europa geführt, die inzwischen einen Marktwert von 500 Millionen Euro aufweisen.
Der Genius Act in den USA beschränkt den Zugang ebenfalls auf zugelassene Emittenten mit vollständiger Deckung, bietet ihnen aber eindeutige Rechtssicherheit, leichteren Markteintritt und weniger umfassende Genehmigungsverfahren.
Wo bleibt die Crypto Nation Switzerland?
Die Schweiz positionierte sich früh als führende Krypto-Jurisdiktion, indem sie ein attraktives regulatorisches Umfeld schuf. Mit ihrem Gesetz zur Distributed Ledger Technology (DLT) im Jahr 2021 setzte sie einen Meilenstein und bot weltweit erstmals rechtliche Klarheit für Blockchain-basierte Vermögenswerte. Seither ist der Enthusiasmus jedoch abgeflaut. Das politische Engagement für das «Crypto Valley» wirkt erlahmt.
Vor allem Stablecoins sehen sich seither mit zusätzlichen Hürden konfrontiert. Seit Mitte 2024 benötigen Emittenten aufgrund einer von der Finanzmarktaufsicht Finma in einer Aufsichtsmitteilung verkündeten Praxisänderung (die Behörde selber spricht von Präzisierung geltender Regeln) eine teure Banklizenz und müssen sämtliche Halter ihres Stablecoin per Know-Your-Customer-Verfahren gemäss Geldwäschereiregeln identifizieren, eine nahezu unüberwindbare Auflage.
«Stablecoins sehen sich seit Mitte 2024 in der Schweiz mit zusätzlichen Hürden konfrontiert.»
Erst im Frühling griff der Bundesrat das Thema auf und kündigte ein überarbeitetes Regelwerk bis Herbst an. Dieses muss nun schnellstmöglich vorgelegt und in Kraft gesetzt werden.
Neue Regelwerke sollten sich an den Gesetzen der Handelspartner EU und USA orientieren, zugleich aber die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz wahren bzw. wiederherstellen. Eine schnelle Anpassung ohne zusätzliche Bürokratie kann der Schweiz helfen, ihre Spitzenposition zu verteidigen. Dafür braucht es jedoch bewusstes und mutiges Handeln der Politik.
Stefan Höchle ist Head Investment Strategy bei Digital Asset Solutions. Er beschäftigt sich seit 2017 intensiv mit digitalen Assets und wirkt auch bei verschiedenen Projekten als Berater mit. Höchle kann auf zwei Jahrzehnte Berufserfahrung als Vermögensverwalter und im Eigenhandel von internationalen Banken zurückblicken. Er war auch als Unternehmer im Hedge-Fund- und Vermögensverwaltungsbereich tätig.