Saudi-Arabien stutzt Megaprojekte – wegen Schuldenanstieg
Die Ölpreis-Hausse der vergangenen zwei Jahre und die Öffnung der Volkswirtschaft haben die Staatseinnahmen des Königreichs sprudeln lassen. Doch die Saudis geben auch viel Geld aus. Nun mahnen Analysten zur Vorsicht.
Von Gérard Al-Fil, Dubai
Die Finanzlage von Saudi-Arabien dürfte die Finanzminister vieler anderer Länder vor Neid erblassen lassen. Mit 30 Prozent Schulden im Verhältnis zum BIP stehen die Saudis mit Abstand besser da als ihre Mitstreiter in Japan (236 Prozent), USA (124 Prozent), Frankreich (113 Prozent) und Deutschland (62,5 Prozent). Nur die Schweiz (20 Prozent) kann für das Königreich als Messlatte gelten.
«Saudi-Arabien ist durch die Ausgabe von Schuldtiteln und die Priorisierung der Ausgaben gut aufgestellt, um eine Phase niedrigerer Ölpreise zu überstehen», sagt Toby Iles, Chefökonom bei Jadwa Investment in Riad. «Die Staatsverschuldung ist mit rund 30 Prozent des BIP nach wie vor niedrig, und die staatlichen Haushaltsreserven sind nach wie vor hoch.»
Erste Abstriche bei Megaprojekten
Dennoch: «Das Haushaltsdefizit erhöhte sich von 28 Milliarden Saudi-Riyal (7,46 Milliarden Dollar) im ersten Halbjahr 2024 auf jetzt 93 Milliarden Rial (24,8 Milliarden Dollar). Grund dafür war der Rückgang der Öleinnahmen um 24 Prozent. «Dies entspricht unserer Prognose eines Gesamtjahresdefizits von rund 200 Milliarden Rial (53,3 Milliarden Dollar)», erklärt der Ökonom.
Schon nimmt die Herrscherfamilie Al-Saud laut Medienberichten Kürzungen bei den ersten Megaprojekten vor. Insbesondere das Ausmass der futuristischen Stadt Neom am Roten Meer im Nordwesten des Landes steht jetzt offenbar auf dem Prüfstand.
Emission islamischer Bonds als Mittel?
Während niedrigere Ölpreise als im vergangenen Jahr den Haushalt belasten, ist Saudi-Arabien gut aufgestellt, um eine Phase niedrigerer Ölpreise durch eine Mischung aus Anleihenemissionen, Ausgabenpriorisierung und Wachstum der Einnahmen ausserhalb des Ölsektors zu überstehen. Das Fass Öl der Sorte Brent notiert seit zwei Monaten lustlos knapp unter 70 Dollar, im Vergleich zu rund 80 Dollar noch vor einem Jahr.
Jadwa sieht insbesondere Potenzial bei internationalen Anleiheplatzierungen und bei der Emission islamischer Bonds, auch Sukuk genannt. «Der Sukuk-Markt ist freilich nicht so liquide wie der konventionelle Anleihemarkt. Aber Sukuk helfen, neue Finanzierungsquellen zu erschliessen unter Anlegern, die für schariakonformes Banking affin sind», weiss Jihad Azour, Regionaldirektor Mittlerer Osten und Zentralasien beim IWF.
Ein gutes Zeugnis stellt Iles den Saudis bei der Ausweitung des Nicht-Ölsektors aus: «Im Zwölf-Monats-Vergleich stiegen die Einnahmen ausserhalb des Ölsektors im zweiten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr um über 8 Prozent.» Ausserdem: «Die Regierung verfügt über einen beträchtlichen Liquiditätspuffer: Die Haushaltsreserve blieb mit knapp 106 Milliarden Dollar hoch, und die Leistungsbilanz des Staates stieg auf über 26,65 Milliarden Dollar.»
Der OPEC-Staat wandelt sich schleichend, aber stetig zu einer breit aufgestellten Industrie- und Technologienation.