Im US-Wahlkampf hat Donald Trump bewiesen, dass deftige Sprüche garantiert süffige Schlagzeilen generieren. Doch wo wird man im politischen Alltag die Handschrift des künftigen Präsidenten zuerst lesen können?


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


In den USA – und auch dem Rest der Welt – senken sich langsam die Nebel des Surrealen, und es wird klar, dass Donald Trump nicht nur die Wahl gewonnen hat, sondern jetzt auch ein Regierungsprogramm, ein Kabinett, sowie eine mehrtausendköpfige Administration zusammenstellen muss. Daran werden weder Nachzählungen noch vermutete Cyberattacken oder Verschwörungstheorien etwas ändern. Solche Dinge sind in der heutigen Zeit einfach ein obligatorischer Teil des Wahlkampf-Nachspiels.

Der neue Präsident scheint sich vor dem 8. November 2016 nicht viele Gedanken über die Zeit nach einem möglichen Wahlsieg gemacht zu haben. Umso hektischer reagiert jetzt sein «Transition-Team». Denn die Zeit bis zur Stabsübergabe am 20. Januar 2017 ist kurz.

Bis jetzt ist erst von wenigen Stellen bekannt, wie Trump sie besetzen wird, aber es ist klar, dass auch er nicht ohne den «Washingtoner Sumpf» auskommen wird. Und «ihn auszutrocknen», wird schon gar nicht möglich sein.

«Es dürfte auch ihm klar sein, dass Hillary Clinton nicht ins Gefängnis wandert»

Ebenso wenig kann er die Interessen der republikanischen Partei ignorieren. Jeff Sessions als Justizminister wäre klar ein Wechsel der radikalsten Form, aber ein Aussenminister Mitt Romney würde das Gleichgewicht wieder ein Stück weit neutralisieren.

Erst wenn Trumps Kabinett in Corpore bekannt und vom Senat bestätigt sein wird, kann man eindeutigere Aussagen über die künftige Politik machen. Bis dahin wird es ein mühsamer und hart umkämpfter Weg sein.

Trump hat im Wahlkampf bewiesen, dass deftige Sprüche garantiert süffige Schlagzeilen generieren. Der Zweck hat dabei die Mittel geheiligt. Denn es dürfte auch ihm klar gewesen sein, dass weder auf der ganzen 3’200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko Betonmischer auffahren werden, noch Hillary Clinton ins Gefängnis wandert. Auch die reisserisch proklamierten 40-Prozent-Zölle auf chinesischen Importen waren Show, genauso wie die Aussage dass er Obamacare tel quel aufheben werde.

«Steuersenkungs-Versprechen kommen bei den Wählern immer gut an»

Bei den Handelsverträgen hat er zwar einigen Spielraum, aber in der politischen Realität wird er früher oder später pragmatisch agieren müssen. Es wird relativ einfach sein, sich beim transpazifischen Freihandelsabkommen TPP auszuklinken (obwohl geopolitisch kurzsichtig und höchst problematisch), und dasjenige mit Europa (TTIP) gar nicht mehr weiter zu verfolgen. Aber schon bei NAFTA wird es schwieriger, von der WTO (in der die USA ein führendes Mitglied sind) ganz zu schweigen.

Diejenigen Bereiche seines (ziemlich vagen) Wahlprogrammes, in denen Trump Änderungen herbeiführen könnte, sind relativ beschränkt. Im wirtschaftlichen Bereich zum Beispiel hat er ein Konjunkturprogramm mit besseren Jobs und höheren Löhnen für alle versprochen, mit gleichzeitig niedrigeren Steuern und einer parallelen Reduktion des Budget- und Staatsdefizites.

Dass dieses ökonomische Nirvana so nie aufgehen kann, lässt sich schon mit elementarster Mathematik zeigen. Infrastrukturinvestitionen wären zwar zweifellos wünschbar und nötig, und Steuersenkungs-Versprechen kommen bei den Wählern immer gut an.

«Höhere Defizite sind für die Republikaner seit Jahren des Teufels»

Aber dass dabei gleichzeitig die Defizite gesenkt werden können, ist in der gegenwärtigen Lage der Weltkonjunktur und der tiefen globalen Wachstumsraten reine Fantasie.

Und höhere Defizite sind ausserdem für die Republikaner seit Jahren des Teufels, weshalb man gespannt sein kann, wie Trump respektive die Republikaner diesen gordischen Knoten durchschlagen wollen.

Wo wird man nun zuerst die Handschrift des neuen Präsidenten lesen? Die von ihm bereits angekündigten Massnahmen bei den Freihandelsabkommen TPP und TTIP wird er als «quick wins» verkaufen können. Dazu wird er sehr bald den seit dem Tode von Antonin Scalia freien Sitz am Supreme Court besetzen und dabei der radikalen Ecke seiner Partei mehr oder weniger freie Hand lassen.

Da Scalia als der konservativste der neun Richter galt und sein Ersatz aus derselben Ecke kommen wird, dürfte sich von der Doktrin her zuerst nicht viel ändern.

Sollten aber während Trumps Amtszeit weitere Richter des Supreme Courts ersetzt werden (weil sie entweder zurücktreten oder im Amte sterben), dann könnten die Neubesetzungen zu einer sozial klar konservativeren Rechtssprechung führen.

«Donald Trump dürfte einiges verkünden, das sich nur bruchstückweise in Taten umsetzen lässt»

Ein solcher Trend hätte langfristige Konsequenzen für das Land und wäre nicht einfach umzukehren. Filibuster im republikanisch dominierten Senat können Richter-Ernennungen allenfalls hinauszögern, und falls die sich in der Minderheit befindenden Demokraten politisch geschickt agieren, vielleicht auch abschwächen. Aber sicher nicht verhindern.

Im weiteren dürfte Trump verbal einiges verkünden, das sich dann nur bruchstückweise in Taten umsetzen lässt. Im Energiebereich zum Beispiel könnte er ein Stück weit sein Credo «America First» durchsetzen: Infragestellen respektive Kündigung von Klimaschutzvereinbarungen, Freigabe geschützter Gebiete zur Ressourcen-Förderung, Lockerung von Umweltschutz-Regulierungen, all dies liesse sich publicitymässig ausschlachten und würde einen Teil seiner Wähler zufriedenstellen.

Oder er könnte im Bereich der Infrastruktur mit einzelnen Vorzeigeprojekten kurzfristig Arbeitsplätze schaffen und damit Schlagzeilen kreieren. Für grosse Würfe aber braucht er die Unterstützung des Kongresses, und er muss sich dabei – anders als er es sich gewohnt ist – mit zeitraubenden politischen Prozessen herumschlagen.

«Das ist momentan wohl die einzige Sicherheit»

Viele Aspekte der neuen Regierung sind nach wie vor unklar. Sicher ist lediglich, dass Trump sich weiterhin auf die grossen und medienwirksamen Schlagzeilen konzentrieren wird, während er die Details des Tagesgeschäftes anderen Leuten überlässt.

Das amerikanische System ist robust genug, dass es auch mit einem Präsidenten Trump fertig wird, aber die von ihm generierten Unsicherheiten und Volatilitäten werden seine Amtszeit begleiten. Das ist momentan wohl die einzige Sicherheit.


Alfred Mettler ist Finanzprofessor an der Georgia State University in Atlanta (USA) und Adjunct Professor am Swiss Finance Institute. Er wuchs in der Schweiz auf und war bis zu seinem Umzug in die USA am Swiss Banking Institute der Universität Zürich tätig. Seit 1998 lehrt und forscht er in Atlanta. Er ist in verschiedenen Executive Programs in Europa und den USA engagiert und übt eine rege Referenten-, Beratungs- und Schulungstätigkeit aus.

Daneben befasst er sich sich seit langem mit wirtschaftlichen, politischen, und gesellschaftlichen Fragestellungen in den USA, der Schweiz, und Europa und äussert sich regelmässig in den schweizerischen und amerikanischen Medien.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Peter Hody, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden und Thomas Fedier.

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