2019 sind die Neobanken in der Schweiz auf eine beachtliche Kundenzahl in den Hunderttausenden gewachsen. Wer steht wo? Was tun die klassischen Banken? finews.ch macht eine Bestandesaufnahme.

Dieses Jahr ist für die etablierten Schweizer Banken kein leichtes. Nach dem enttäuschenden Ende 2018 hätte es eigentlich nur noch besser werden können. Doch nach einer kurzen Ruhepause wollten weder der Klimawandel, die Märkte und schon gar nicht die internationalen Spannungen etwas von Beruhigung hören.

Und nun das: Neben den nicht gerade rosigen Geschäften im Ausland müssen sich die hiesigen Banken auch mehr und mehr um digitale Player sorgen, die ihnen allmählich das Wasser im Heimmarkt abgraben. Eine Hochrechnung von finews.ch kommt auf rund 300'000 Schweizer Neobanken-Kunden.

Revolut startet durch

Da ist zum Beispiel Revolut, das britische Einhorn mit (nach eigenen Angaben) rund 1,7 Milliarden Dollar Unternehmenswert. Dieses hatte im August vergangenen Jahres noch knapp 50'000 Kunden in der Schweiz.

Dieser Tage kam die Meldung, dass es inzwischen stolze 250'000 Klienten sind. Was bedeuten würde, das sich nur schon dieses Jahr 180'000 entweder von hohen Bankgebühren genervte oder dann entdeckungsfreudige Schweizer angemeldet haben.

N26 zufrieden mit Start

Dann ist da noch N26, das zweite Einhorn, das sich allmählich in der Schweiz niederlässt. Ohne Franken-Konto, ohne Büros oder jegliche Angestellte hierzulande wagte das wertvollste deutsche Finanz-Start-up Anfang September – mit einer Unternehmensbewertung von 2,3 Milliarden Euro – den Markteintritt in die Schweiz. Abgesehen haben sie es vor allem auf europäische Expats, Grenzgänger, Digitalaffine sowie Gewerbekunden.

Zu den Zahlen in der Schweiz mag sich N26 gegenüber finews.ch nicht äussern, «aber der Start war so gut, dass wir nach vier Tagen unser Ziel des ersten Monats erreicht haben. Wir sind dementsprechend sehr zufrieden mit dem Start. Die Schweiz ist ein sehr attraktiver Markt für uns», sagte Georg Hauer, General Manager bei N26, auf Anfrage.

Geht man davon aus, dass die 20'000 potentiellen Schweizer Kundinnen und Kunden auf der Warteliste des Unternehmens bei der Zielsetzung eine Rolle gespielt haben, lässt sich abschätzen, dass N26 wohl in etwa auf diesem Niveau hierzulande geschäftet. Zudem hegten sich die Deutschen beim Start die Ambition, das «beliebteste» Eurokonto in der Schweiz anzubieten.

Zak und Neon im Seitwärtsgang

Zak, die digitale Lösung der Bank Cler, die sich mittlerweile ganz in Besitz der Basler Kantonalbank (BKB) befindet, wuchs im ersten Halbjahr 2019 um 4'000 auf 18'000 Kunden; mit diesem Plus dürften es nun bereits über 20'000 sein.

Am (gestrigen) Donnerstag informierte ihrerseits die Schweizer Bank-App Neon, die mit der Hypothekarbank Lenzburg (Hypi) kooperiert, über ihren neusten Zwischenstand: 10'000 Kunden sind es inzwischen. Gleichzeitig hat das Unternehmen angekündigt, die Aktualisierung des Kontostands in der App, die derzeit bis zu mehrere Tagen dauern kann, in ein paar Minuten zu vollziehen.

Solider Vorsprung

Insgesamt gibt das – mit etwas Unschärfe – um die 300'000 Kunden aus der Schweiz, die bei einer Neobank zumindest über ein Konto verfügen. Oder wie im Falle von Neon sogar die Miete darüber bezahlen: Laut «Handelszeitung» nutzen 80 Prozent der Kunden das Konto aktiv, 10 Prozent sogar sehr aktiv – eben für die Miete oder als Lohnkonto.

Vergleicht man diese Zahl mit den grossen Playern im Schweizer Retailmarkt, ergibt sich natürlich vorerst noch kein besorgniserregendes Bild. Alleine Raiffeisen Schweiz zählt hierzulande 3,8 Millionen Schweizer zu ihrer Kundschaft. Die Posttochter Postfinance bedient über 2,9 Millionen Kunden, und die Grossbank Credit Suisse auch mehr als eine Million.

Und auch abgesehen von der blossen Anzahl ist klar, dass klassische Banken an ihren Retailkunden deutlich mehr verdienen als Neobanken, bei denen ja – um überhaupt solche Volumen generieren zu können – meistens auf jegliche Gebühren verzichtet wird. Und doch ist beeindruckend, dass nur schon Revolut innerhalb eines Jahres die Kundschaft verfünffachen konnte.

Kundengewinnung spannend

Und genau solche Entwicklungen geben den klassischen Banken zu denken – und regen sie zum Handeln an. So kündete die Grossbank Credit Suisse vergangenen August eine Direct-Banking-Sparte an darauf ausgerichtet hat, um den digitalen Absatzkanal zu forcieren.

Doch selbst für einen so grossen Akteur wird es wohl nicht so einfach, es mit den agilen, multinationalen und gut finanzierten Neobanken aufzunehmen. Umso mehr, als sich letztere nicht scheuen, um des Volumen willens längere Zeit ohne Profit zu arbeiten. Ob eines Tages der «nukleare« Schritt, selber auch die Bankgebühren abzuschaffen nötig wird, bleibt abzuwarten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.24%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.11%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel