Angesichts der Negativschlagzeilen um die Bank rutscht der Aktienkurs der Credit Suisse immer tiefer. Nun setzt das Werweissen ein, ob das Institut bald mit drastischen Massnahmen gegensteuern muss.

Auch Oswald J. Grübel ist gegen Timing-Fehler nicht gefeit. Zu Jahresbeginn hatte der deutsche Doyen des Swiss Banking nahegelegt, die Aktie der Credit Suisse (CS) sei ein Kauf. Damals handelte die zweitgrösste Schweizer Bank an der Börse noch knapp über 9 Franken. Nach den Enthüllungen vom vergangenen Wochenende über ein massives Datenleck beim Institut ist der Kurs am (gestrigen) Montag nun zeitweilig unter die 8-Franken-Marke gefallen. Das ist der tiefste Wert der letzten drei Jahre.

«Bad news» schlagen durch

Auffallend ist dabei ist nicht nur die extreme Häufung schlechter Nachrichten: Allein im Februar vermeldete die CS einen Jahresverlust, muss sich in einem Drogenring-Prozess vor dem Bundesstrafgericht verteidigen und wird nun als Gehilfe von Potentaten und Kriminellen beschuldigt. Ins Auge sticht ebenfalls, dass jede «bad news» direkt auf den Kurs durchschlägt. Dies, obwohl die meisten Beobachter mit dem Ex-CS-Chef Grübel einig gehen, dass die Titel günstig bewertet sind.

Und wie: Schätzungen zufolge handelt die Aktie derzeit noch zur Hälfte ihres inneren Wertes. Bankchef Thomas Gottstein wies letzte Woche gegenüber der Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» (Artikel bezahlpflichtig) schon fast flehentlich darauf hin, dass die Papiere «seiner» Bank unterbewertet seien.

Fallendes Messer

«Angst ist ein schlechter Ratgeber», betonte der CS-CEO an der gleichen Stelle. Doch die Börsenprofis scheuen davor zurück, bei der Bank-Aktie ins «fallende Messer» zu greifen. Und die Frage steht im Raum: Wie weit kann der Kurs noch nachgeben, bevor die Bankführung zu nochmals drastischeren Massnahmen gezwungen ist?

Insbesondere geht die Befürchtung um, dass das Geldhaus um eine weitere Kapitalerhöhung bitten muss – das könnte das Fass bei den sonst geduldigen CS-Grossaktionären zum Überlaufen bringen.

Lars Jakob Selsås, Aktienanalyst bei der bekannten Zürcher Fonds-Boutique BWM, sieht jedenfalls keine Eile für einen Einstieg. BWM hatte den Titel vergangenen März verkauft, nachdem die Experten für Value-Strategien die Durststrecke des CS-Kurses jahrelang mitgetragen hatten. «Das Risiko im Verhältnis zum geschätzten Ertragspotential wurde uns zu gross», sagt Selsås zu finews.ch.

Was kostet Greensill?

Für einen Zukauf bräuchte es nun einmal eine grundsätzlich gute Neuigkeit, gibt der Börsenprofi zu bedenken. Aber eben, «die Serie von schlechten Nachrichten um die CS reisst nicht ab». Investoren hätten zudem lernen müssen, dass jede neuerliche Hiobsbotschaft den Kurs weiter drücke und zuweilen den inneren Wert des Unternehmens angreife. Das Archegos-Debakel vom März 2021 etwa kostete mehr als 1.50 Franken Buchwert, rechnet Selsås vor. «Die Affäre um die Greensill-Fonds könnte die Bank nochmals Milliarden kosten», warnt er nun.

Ebenfalls unklar ist, wie sich der neueste Rufschaden der CS auf das operative Geschäft auswirkt. So erlitt das Geldhaus im abgelaufenen Jahr 2021 nicht nur einen Verlust von 1,6 Milliarden Franken; auch das Wachstum wurde im vierten Quartal gebremst. So verringerte sich das Netto-Neugeld im Kerngeschäft mit der Vermögensverwaltung zum Vorjahr von 8,4 Milliarden Franken auf 1,6 Milliarden Franken. Das ist für eine Bank dieser Grösse ein Rinnsal.

Zahlreiche Brennpunkte

Wird die weltweite Berichterstattung zu den «Suisse Secrets» die Kunden des Instituts zusätzlich vergrämen? Für Beobachter liegt nahe, dass die jüngste Entwicklung in der Vermögensverwaltung auch mit dem Ruf der Bank zu tun hat. «Die Reputation ist aber schwer zu quantifizieren», gibt Selsås zu bedenken. Angesichts der zahlreichen Brennpunkte, die bei der CS dieses Jahr noch anstehen, ist der Druck nach unten aber praktisch vorprogrammiert.

Noch geht es bei der zweitgrössten Schweizer Bank nicht ans Eingemachte. Kapital- und Leverage-Quoten der CS profitierten sinnigerweise davon, dass die Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) das Institut nach dem Doppel-Debakel um Greensill und Archegos vergangenen Frühling angewiesen hat, die Risikopositionen zu reduzieren. Mit 14,4 Prozent liegt auch die Quote des harten Kernkapitals (CET1) deutlich über den Mindestanforderungen.

Mehr wie ein Mindestwert

Dennoch ist das Polster der CS dünner als gedacht, folgt man dem BWM-Experten. «14 Prozent CET1 sind so etwas wie eine Mindestwert, die man von einer Schweizer Grossbank erwarten darf.»

Bankchef Gottstein hat Anfang Februar ein Übergangsjahr bei der CS in Aussicht gestellt. Prasseln die Rückschläge weiterhin in dieser Kadenz auf die Bank nieder, könnte sich aber auch dieser Ausblick bald als Makulatur erweisen.

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