Es ist einer der spektakulärsten Personalwechsel in der jüngeren Schweizer Bankengeschichte. Der langjährige Chefjurist der Credit Suisse, Romeo Cerutti, soll abgelöst werden. Sein Nachfolger ist bereits in den Startlöchern und war bis vor kurzem noch in wichtiger Funktion bei der UBS tätig.

Auf der Chefetage der Credit Suisse (CS) kommt es zu einem bedeutenden Wechsel. Der langjährige UBS-Chefjurist Markus Diethelm soll sein Pendant, Romeo Cerutti, bei der CS ablösen, wie Recherchen von finews.ch zeigen.

Damit steht die skandalgeschüttelte Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) vor einer entscheidenden Woche. Am kommenden Mittwoch wird sie ihre Ereignisse für das erste Quartal 2022 publizieren und dabei einen Verlust ausweisen, sowie am Freitag ihre Generalversammlung abhalten.

Seit Wochen in Kontakt mit der Credit Suisse

Die CS erklärte auf Anfrage von finews.ch: «Über die letzten Monate hat die Credit Suisse die Implementierung ihrer neuen Strategie und Organisationsstruktur, wie im vergangenen November kommuniziert, fortgesetzt. Als Teil dieser Arbeit beschäftigt sich die Geschäftsleitung unter der Führung des CEO der Gruppe und gemeinsam mit dem Verwaltungsrat regelmässig mit dem Thema Nachfolgeplanung und Ernennungen für gewisse leitende Positionen, unter anderem für bestimmte juristische Einheiten, Regionen und potenzielle Geschäftsleitungspositionen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Verwaltungsrat noch keine Entscheidung getroffen hat. Wir werden zu gegebener Zeit kommunizieren.»

Der 65-jährige Diethelm ist bereits seit mehreren Wochen mit der CS in Kontakt, wie finews.ch erfahren hat. Der Anstoss für diese Personalie kam nicht etwa – wie in Finanzkreisen kolportiert wurde – von CS-Präsident Axel Lehmann, der selbst früher für die UBS tätig war, sondern aus Wirtschaftskreisen.

Verwaltungsrat entscheidet am Dienstag

Diethelm erhielt den Arbeitsvertrag in den vergangenen Tagen zugestellt und dürfte ihn nach Bereinigung einiger Details Anfang dieser Woche (vermutlich am heutigen Montag) unterzeichnen. Am Dienstag findet eine Verwaltungsratssitzung statt, in welcher der Nominations- und Kompensationsausschuss des Verwaltungsrats die Personalie formell noch bestätigen wird, so dass die Bank dann rechtzeitig zur Bekanntgabe der Quartalszahlen am Mittwoch die Personalie ankündigen kann.

Der Wechsel entbehrt nicht einer gewissen Brisanz: Tatsächlich ist die CS mit einer Vielzahl von Klagen konfrontiert, welche die personellen Ressourcen bereits enorm absorbierten und gleichzeitig den Geschäftsgang finanziell belasten. Jüngstes Beispiel ist die Verlustwarnung der CS von vergangener Woche. So musste die Bank erhöhte Rückstellungen, sowie Wertberichtigungen für Gerichtsfälle vornehmen, die zum Teil viele Jahre zurückliegen.

Frage des Vertrauens

Insbesondere der Umstand, dass die CS auf Bermuda dazu verurteilt wurde, dem früheren georgischen Ministerpräsidenten Bidsina Iwanischewili rund 500 Millionen Dollar zurückzuzahlen, hat viele gewichtige Aktionärinnen und Aktionäre vollends verärgert – und CS-Chefjurist Cerutti vollends unter Druck gesetzt. Nun hat er offenbar das Vertrauen des Verwaltungsrats verloren. 

Vor diesem Hintergrund gelingt der Bank mit der Einwechslung von Markus Diethelm ein Überraschungscoup, was wiederum ein Anfang sein soll, das Vertrauen in die CS wieder herzustellen.

Steuerkonflikt in Frankreich

Diethelm war bis Anfang November 2021 Chefjurist der UBS und zuletzt vor allem mit dem Steuerkonflikt in Frankreich beschäftigt. Dabei fuhr er eine harte Strategie, die sich ausbezahlt hat. War die UBS zunächst wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder -betrug zu einer Busse von 4,5 Milliarden Euro verknurrt worden, reduzierte im vergangenen Dezember ein Berufungsgericht in Paris die Strafe auf 1,8 Milliarden Euro.

Dabei sollen eine Milliarde Euro konfisziert werden, während 800 Miliaren Euro auf Schadenersatz entfallen. Gegen dieses Urteil hat die UBS erneut Berufung eingelegt. Fest steht, Diethelm hat für die UBS in diesem Fall sehr viel erreicht.

Ära der Aufräumarbeiten

Mehr als 13 Jahre lang war er insgesamt bei der UBS tätig, sieben davon in der Konzernleitung als General Counsel. Er habe seinen Job stets in rauer See machen müssen, blickte Diethelm im vergangenen Jahr auf seine Karriere zurück. Seine berufliche Laufbahn startete er in den frühen 1980er-Jahren als Gerichtsschreiber in Uster ZH und bei der Wirtschaftskanzlei Bär & Karrer.

Nach der Finanzkrise von 2008 erholte sich die UBS rasch und entwickelte sich nach 2011 unter ihrer neuen Strategie zum grössten Wealth Manager der Welt. Doch diese Post-Finanzkrisen-Ära war für die Bank – und praktisch für alle anderen Grossbanken auch – eine Ära der Aufräumarbeiten: Es ist fast unmöglich, all die Verfahren (vor allem Marktmanipulationen sowie Preisabsprachen bei Liborzinsen, Devisen und Rohstoffen) aufzuzählen, in denen die UBS im vergangenen Jahrzehnt zu Bussen verdonnert worden war.

Einem guten Fight nie aus dem Weg gegangen

Die UBS bezahlte in zehn Jahren deutlich über 7 Milliarden Franken an Bussgeldern. Gleichzeitig prägt diese Epoche das Aufkommen der internen Compliance-Apparate, was zu einer klareren Trennung der Rechtsabteilungen führte. Gemäss Diethelm hätten der UBS noch weit höhere Bussen gedroht. Doch er sei nie einer gewsen, «der einem guten Fight aus dem Weg geht», wie er einst von sich sagte.

Seine Leistung in vielen Fällen war es, die Beweislage der Ankläger richtig einzuschätzen und zu kooperieren. Natürlich scharte auch Diethelm für die schwierigeren Fälle jeweils hochkarätige Teams von internen und externen Beratern und Anwälten um sich. Aber es ist jeweils er selbst, der die wichtigen Verhandlungen vor Ort führt – das war auch in Paris der Fall.

Hohes Ansehen in den USA

Dass er selbst als «Litigator» vor Gericht ging, hebt ihn von anderen Konzern-Chefjuristen deutlich ab. Womöglich kam er dafür auf den Geschmack, als er als Anwalt bei diversen US-Spitzenkanzleien arbeitete. Manager, die persönliche Verantwortung übernehmen, sind in der «Corporate World» eine aussterbende Spezies. Diethelm war anders: Schon in den zähen Verhandlungen um die Schadenssumme bei den vor mehr als 20 Jahren in einem Terroranschlag zerstörten Zwillingstürmen des World Trade Center hatte Diethelm, damals noch für den Rückversicherer Swiss Re, an vorderster Front gekämpft – und schliesslich gewonnen.

Die US-Erfahrung dürfte Diethelm nun auch bei der CS sehr zugutekommen, zumal das Institut in den Vereinigten Staaten noch einige juristische Altlasten abzuarbeiten hat. Mit seiner etwas elitär, jedoch intellektuell scharfsinnigen Art soll er bei den Vertretern der US-Justiz ein hohes Ansehen geniessen, heisst es in Finanzkreisen. 

Jeden Tag im Zürichsee

Manche sagen, er habe als Nicht-Banker innerhalb der UBS stets etwas fremd gewirkt, obwohl er die Bank in- und auswendig kannte. Fakt ist, dass sich Diethelm deutlich vom grau-blau gefärbten Bankenmanager-Habitus abhob. Punkto Kleidungsstil steht er bis heute eher einem Burkhard Varnholt nahe, dem für seine modischen Anzüge bekannten Investmentchef der Credit Suisse Schweiz. Für seine 65 Jahre wirkt Diethelm ausserdem sehr fit. Er gibt gerne zum Besten, dass er angeblich jeden Tag im Zürichsee schwimmen geht.

 

 

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