Markus Diethelm hat als Chefjurist die Ära der «neuen» UBS nach der Finanz- und Steuerstreit-Krise mehr geprägt, als dies wahrgenommen wird. Nun geht er – und ob er ein schweres Erbe hinterlässt oder nicht, ist derzeit noch ungewiss.

Der kommende Montag ist für die UBS entscheidend – und ihren Chefjuristen Markus Diethelm. Die Richter des Tribunal de Grande Instance in Paris fällen das Verdikt im Steuerprozess mit Frankreich. Eine Prognose wagt niemand. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Busse von mindestens 2 Milliarden Euro plus 1 Milliarde Euro Schadenersatz gefordert.

Doch weil sich seit dem ersten Urteil – eine Busse von 4,5 Milliarden Euro – in Frankreich die Berechnungsgrundlagen für Strafen bei Steuerbetrug geändert haben, könnte die Busse auch deutlich milder ausfallen.

Auf dem Absprung

Die Höhe der Busse dürfte eine der Entscheidungsgrundlagen sein, ob die UBS das für Montag erwartete Urteil bis an den Europäischen Gerichtshof weiterziehen wird. Nicht unerheblich wird dabei die Stimme von Markus Diethelm sein, dem General Counsel der UBS.

Dass der 64-Jährige auf dem Absprung ist, er hatte seinen Rücktritt aus der UBS-Konzernleitung im vergangenen April angekündigt, tut dem keinen Abbruch. Diethelm hat die UBS-Strategie in diesem Rechtsfall von A bis Z geprägt. Er stand vor Gericht in Paris, als die UBS im Februar 2019 die krachende Niederlage einer Busse von 4,5 Milliarden Euro einfuhr. Er hatte auf das Urteil der Richter gesetzt und die Möglichkeiten eines Vergleichs ausgeschlagen.

Ob es seine Sturheit gewesen war oder die des damaligen CEO Sergio Ermotti, die einen früheren und billigeren Exit aus dem Verfahren verhindert hatte: Dass die Richter ein politisches Urteil fällen und nicht die internationale Rechtslage berücksichtigen würden, damit hatten weder Diethelm noch sein mit Rat zur Seite stehender Anwaltskollege Peter Nobel gerechnet.

Den Ruf aufs Spiel gesetzt

Er hatte, so sagte Diethelm einmal am Rande der Verhandlungen, seinen Ruf aufs Spiel gesetzt und verloren. Bei der Ankündigung seines Rücktritts schien das Selbstbewusstsein wiederhergestellt. Dass er nun, bevor das Frankreich-Urteil gesprochen sei, das Weite suche, wie es in Medien teilweise kommentiert worden war, liess er nicht gelten.

Sein Ziel sei gewesen, den Frankreich-Fall abzuschliessen, das sei auch der Wunsch des Verwaltungsrats gewesen und er sei noch bis kommenden November an Bord der UBS. Das klingt, als ob sich Diethelm dieses Mal sicher sei, dass für die UBS ein akzeptables Urteil herauskommt. Aber das war er schon im Jahr 2019 und nach dem Urteil geschockt gewesen. Doch Diethelm, das kommt zum Ausdruck, ist mit sich im Reinen.

Stets in rauer See

Über 13 Jahre lang war er bei der UBS tätig, sieben Jahre davon in der Konzernleitung als General Counsel. Er habe seinen Job stets in rauer See machen müssen, blickte Diethelm zurück, der seine Laufbahn als Gerichtsschreiber in Uster ZH und bei der Wirtschaftskanzlei Bär & Karrer in den frühen 1980-er Jahren begann.

Das ist keine Untertreibung: Diethelm kam zur UBS, als sie in Seenot war. Die Schweizerische Nationalbank musste in der Finanzkrise 2008 mit Steuergeldern zur Rettung eilen, nur wenig später war der Bundesrat gezwungen, die Rettungsleine auszuwerfen, um der Grossbank im US-Steuerstreit beizustehen.

In den folgenden Jahre erholte sich die UBS rasch und entwickelte sich nach 2011 unter ihrer neuen Strategie zum grössten Wealth Manager der Welt. Doch diese Post-Finanzkrisen-Ära war für die UBS – und praktisch alle anderen Grossbanken auch – eine Ära der Aufräumarbeiten: Es ist fast unmöglich, all die Verfahren aufzuzählen, in denen die UBS im vergangenen Jahrzehnt zu Bussen verdonnert worden ist.

Weit über 7 Milliarden Franken an Bussen

Bei all den Verfahren zu Steuern, Marktmanipulationen und Preisabsprachen bei Liborzinsen, Devisen und Rohstoffen ging es insbesondere auch um die US-Verfahren im Zusammenhang mit der Subprime-Krise. Die UBS bezahlte in zehn Jahren deutlich über 7 Milliarden Franken an Bussgeldern. Gleichzeitig prägt diese Ära das Aufkommen der internen Compliance-Apparate, was zu einer klareren Trennung der Rechtsabteilungen geführt hat.

In der Lesart von Diethelm hätten der UBS noch weit höhere Busszahlungen gedroht. Der General Counsel der UBS ist keiner «der einem guten Fight aus dem Weg geht», wie er von sich sagt. Seine Leistung in vielen Fällen war es dabei gewesen, die Beweislage der Ankläger richtig einzuschätzen und zu kooperieren.

Natürlich scharte auch Diethelm für die schwierigeren Fälle jeweils hochkarätige Teams von internen und externen Beratern und Anwälten um sich. Aber es ist jeweils er selber, der wichtigen Verhandlungen vor Ort führt – das war auch in Paris der Fall.

Eine aussterbende Spezies

Dass er selber als «Litigator» vor Gericht geht, hebt ihn von anderen Konzern-Chefjuristen deutlich ab. Womöglich lernte er diese Auseinandersetzungen lieben, als er als Anwalt bei diversen US-Spitzenkanzleien gearbeitet hatte.

Manager, die persönliche Verantwortung übernehmen, sind in der «Corporate World» eine aussterbende Spezies. Diethelm war immer anders: Schon in den zähen Verhandlungen um die Schadenssumme bei den vor 20 Jahren in einem Terroranschlag zerstörten Zwillingstürmen des World Trade Center hatte Diethelm, damals noch für den Rückversicherer Swiss Re, an vorderster Front gekämpft – und schliesslich gewonnen.

Leader können nicht nur Freunde haben

Natürlich gibt es in der Branche auch die Diethelm-Kritiker und innerhalb der UBS Leute, die mit ihm weniger gute Erfahrungen gemacht haben. Aber Leadertypen wie Diethelm können nicht nur Freunde haben. Kaum zu bestreiten ist, dass er sich innerhalb seines Teams als Mentor betätigte und insbesondere auch Karrieren von Frauen förderte. Wegbegleiter beschreiben ihn als Mensch ohne Allüren, unkompliziert im Umgang, sachlich in Auseinandersetzungen.

Manche sagen, er wirke als eigentlicher Nicht-Banker innerhalb der UBS immer noch etwas fremd, obwohl er die Bank in- und auswendig kennt. Fakt ist, dass sich Diethelm deutlich vom grau-blau gefärbten Bankenmanager-Habitus abhebt.

Schicke Anzüge, leidenschaftlicher Schwimmer

Punkto Kleidungsstil steht er jedenfalls einem Burkhard Varnholt, dem für seine modischen Anzüge bekannten CIO der Credit Suisse Schweiz, nur wenig nach. Für seine 64 Jahre wirkt Diethelm ausserdem sehr fit. Er gibt gerne zum Besten, dass er jeden Tag im Zürichsee schwimmen geht.

Insofern stellt sich auch für ihn die Frage: Was nun? Eine klare Absage macht er an eine Fortsetzung seiner Karriere als Profi-Verwaltungsrat. Einen weiteren Corporate-Job halte für möglich, auch ausserhalb der Finanzindustrie, heisst es. Personen, die mit Diethelmarbeiten, sagen, es sei ihm ein Anliegen, sich persönlich um UBS-CEO Ralph Hamers in Bezug auf die drohende Anklage wegen Geldwäscherei in den Niederlanden zu kümmern.

In diesem Fall ist es aber weiterhin unklar, ob es überhaupt zur Anklage kommt. Im Frankreich-Fall kommt es auf jeden Fall zum Urteil. Es wird das Erbe Diethelms bei der UBS prägen.

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