Erstmals nach seinem Start als CEO der Seba-Bank äussert sich Franz Bergmüller zu den Plänen der Bank und dem Zustand der stark gebeutelten Krypto-Branche. Ausserdem verrät er finews.ch, was Kryptos mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben.


Herr Bergmüller, Sie stehen seit April 2022 auf der Brücke der Seba Bank. Was sind die grössten Baustellen, die sie angetroffen haben?

Angesichts des Kriegs in der Ukraine, der Energie- und Klimakrise, der Inflation und den unsicheren Finanzmärkten war die Ausgangslage herausfordernd. Doch die Grosswetterlage bietet der Seba Bank beste Chancen.

Ich habe in den letzten fünf Monaten festgestellt, dass wir exzellente Mitarbeitende haben und die Bank auf einem soliden Fundament steht. Darauf bauen wir unser Produkt- und Serviceangebot weiter aus.

Das wären?

Wir schlagen eine Brücke zwischen der traditionellen und der neuen Welt. Konkret bieten wir auf der einen Seite «Crypto für Banking» und auf der anderen Seite «Banking für Crypto» an. Ein grosses Asset ist, dass wir eine der wenigen regulierten Krypto-Banken sind. Und sowohl die Nachfrage nach einem regulierten Umfeld für digitale Vermögenswerte als auch der Bedarf einer spezialisierten Bank sind in den letzten Monaten sprunghaft gestiegen.

Von aussen betrachtet kam der Wechsel auf dem Chefsessel ziemlich abrupt zustande. Sie gelten als IT-Experte mit Erfahrung unter anderem im deutschen Assekuranzwesen. Fehlte es der Seba Bank just an diesem Know-how?

Die Seba Bank ist sowohl ein Finanzhaus als auch ein Technologieunternehmen. Meine Erfahrung aus der Unternehmensberatung, der Tätigkeit bei regulierten Finanzunternehmen im Versicherungs- und Bankumfeld und aus dem Aufbau zweier Fintech-Unternehmen auf der grünen Wiese kann ich sehr gut bei der Seba Bank einbringen.

Was gab den Ausschlag, dass Sie jetzt der Beste für den CEO-Posten sind?

Mit Superlativen bin ich sehr vorsichtig. Das ist immer eine Frage der Perspektive. Als moderner CEO arbeite ich nicht isoliert in einem Büro mit Vorzimmer. Ich pflege den intensiven Kontakt und Austausch mit Kunden, Arbeitskollegen aller Abteilungen und Funktionen, und natürlich mit dem Verwaltungsrat.

«Die jetzige Situation ist herausfordernd, aber nicht besorgniserregend»

In dieser schnelllebigen Industrie ist die Bereitschaft, neue Impulse zu setzen, eine Qualität, an der sich ein CEO messen lassen kann.

Ist Ihre Führungsmannschaft jetzt komplett?

Wir haben ein gut funktionierendes Team, auf das wir aufbauen. Aber gerade in einem Startup, das wie die Seba Bank in einem höchst dynamischen technologischen, unternehmerischen und regulatorischen Umfeld unterwegs ist, sind personelle Veränderungen nichts Ungewöhnliches. In unserer Branche ist der Wandel beständig.

Ist die jetzige Situation an den Kryptomärkten aus Ihrer Sicht nicht besorgniserregend?

Wir erachten die jetzige Situation sicher als herausfordernd, nicht aber als besorgniserregend, weder für die Seba Bank noch für die Kryptomärkte. Die digitalen Assets sind eine relativ junge Anlageklasse, so dass es völlig normal ist, dass es – analog bei Aktien oder Anleihen – zu Korrekturen kommt.

Wie gross ist der Vertrauensverlust bei den privaten und den institutionellen Anlegern?

Seriöse Anleger interessieren sich zunehmend für Kryptos. Man muss verstehen, was digitale Assets genau sind und wie sie funktionieren. Was der Branche hilft, ist die Akzeptanz von Finanzriesen wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, Schroders oder etwa Black Rock. Sie waren ursprünglich Kryptowährungsskeptiker und nehmen nun digitale Vermögenswerte an oder erweitern ihre Investitionen im Blockchain-Sektor.

Wieweit macht ihnen der aktuelle Krypto-Winter bei der Seba Bank selber einen Strich durch die Rechnung?

Ich spreche nicht gerne von Krypto-Winter. Für mich handelt es sich um eine zyklisch bedingte Kurskorrektur, so wie wir das von allen Anlageklassen kennen.

«Die Grundidee von Blockchain ist, dass man Spezialisten und klassische Bankenwelt miteinander vernetzt»

Obwohl wir keine Geschäftszahlen kommunizieren, kann ich versichern, dass wir über genügend Polster verfügen. Zum einen lief der Handel gut, wir haben im Mai einen Rekord aufgestellt. Zum anderen ist die Zahl der bei uns verwahrten Tokens gestiegen.

Sie haben im Mai eine Kooperation mit der LGT Bank angekündigt, um Depot- und Brokerage-Dienstleistungen für digitale Vermögenswerte anzubieten. Handelt es sich hierbei um eine exklusive Kooperation?

Wir freuen uns sehr über die Partnerschaft und das Vertrauen in unsere Expertise. Diese und unsere Dienstleistungen stehen auch anderen Banken offen. Die Grundidee von Blockchain oder Distributed Ledger Technologie ist gerade, dass man Spezialisten und die klassische Bankenwelt miteinander vernetzt.

Sie haben im Februar ein Büro im Emirat Abu Dhabi eröffnet. Wo stehen Sie bei der Expansion ins Ausland?

Wir haben unser Office in Abu Dhabi zum richtigen Zeitpunkt eröffnet, denn der Mittlere Osten boomt im Bereich Krypto-Währungen, digitalen Assets und NFTs. Wir haben bereits gut Fuss gefasst und sind sehr zufrieden. Wir sind dabei die Standorte Singapur und Hongkong zu eröffnen. Das sind weitere wichtige Märkte, in denen Kryptos eine hohe Akzeptanz haben.

Was sind die Kernelemente Ihrer Strategie?

Wir haben unsere Strategie im Juni neu geschärft. Im Zentrum stehen die Kundenzentrierung und die Fokussierung auf die klar definierten Zielgruppen. Wir werden uns einerseits auf traditionelle Finanzinvestoren und andererseits auf Crypto Natives konsequent ausrichten.

«Wir sind wahrscheinlich für die traditionellen Anleger nicht die Hausbank, aber eine Ergänzung»

Wichtig ist uns, dass wir unsere Bank zu einem globalen Unternehmen weiterentwickeln.

Wo steht die Seba Bank in fünf Jahren?

Die Seba Bank wird weiterhin die Brücke bilden. Vor allem wird die neue digitale Anklageklasse von den traditionellen Akteuren akzeptiert sein. Wir werden weiterhin die Zukunft aktiv und an vorderster Front mitgestalten und Kunden wie Investoren einen klaren Weg in einem höchst dynamischen, schnelllebigen Umfeld zeigen.

Wie diversifiziert ist Ihr Geschäftsmodell?

Unsere Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse zieht sich wie ein roter Faden durch unser Service- und Produktangebot, da sind wir kompromisslos. Wir sind wahrscheinlich für die traditionellen Anleger und Institutionen nicht die Hausbank, aber eine Ergänzung für den Bereich digitale Vermögenswerte und deren sicheren Verwahrung, und das ist gut so. Was uns in der Finanzwelt unterscheidet, ist unser Verständnis für die Bedürfnisse der sogenannten Crypto Natives, denn auch sie brauchen eine Bank.

Wird das Reservoir an Talenten genügend gross sein?

Die Schweiz verfügt über eine einzigartige Kombination an Finanz-Knowhow dank des traditionsreichen Finanzplatzes und an Tech-Know-how dank ETH und Tech-Konzernen, die sich in der Schweiz niedergelassen haben. Das zieht Talente aus der ganzen Welt an.

«Hier in der Schweiz ist ein einzigartiges Ökosystem entstanden»

Gleichzeitig buhlen nicht nur wir, sondern auch andere Unternehmen um diese Talente. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Bank aufzeigen können, dass wir an der Finanz- und Techwelt von morgen arbeiten.

Sehen Sie, dass sich in der Schweiz mit ihrem Crypto Valley ein Cluster bildet, das systematisch Innovationen von Weltruf hervorbringt?

Hier in der Schweiz ist ein einzigartiges Ökosystem entstanden. Nebst den zukunftsgerichteten regulatorischen Rahmenbedingungen spielen das stabile politische und wirtschaftliche Umfeld, die hervorragende Infrastruktur, das ausgezeichnete Bildungssystem eine wichtige Rolle.

Gerade im Bereich der digitalen Vermögenswerte ist ein Ökosystem entstanden, das Innovationen hervorbringt. Je mehr institutionellen Investoren einsteigen, je mehr Startups neue Dienstleistungen, Services und Produkte entwickeln, desto stärker profitiert die Schweiz und nimmt eine Vorreiterrolle ein.

Werden uns also andere Länder nicht ein- und überholen?

Die Schweizer Politik und die Regulatoren haben die Bedeutung dieses neuen Blockchain- und Krypto-Clusters erkannt. Ich finde es richtig, dass die Schweiz klare Rahmenbedingungen für alle schafft. Das sorgt dafür, dass permanent Innovationen möglich sind.

«Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Energie»

Allerdings dürfen wir uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Die Entwicklung in Asien und Middle East ist schnell, die Politik und Regulatoren schlafen nicht. Und in den USA denkt man laut über die Adaptation von Kryptos nach.

Wie wichtig ist dabei eine zurückhaltende Regulierung der Fintech-Branche?

Wir sind eine von zwei Krypto-Banken weltweit, die eine Lizenz von einem etablierten und angesehenen Regulator, der Finma, erhielt – ein Meilenstein für uns und für die Schweiz. Wir erhalten klare Vorgaben durch die Finma und fühlen uns wohl in der Zusammenarbeit.

So erleben wir auch die Schweizer Regierung, das Parlament, die Verwaltung und den Regulator. Sie sind neugierig und offen gegenüber der Blockchain-Technologie und Fintech im Allgemeinen. Die Zusammenarbeit ist konstruktiv, alle Seiten wissen um die rasante technologische Entwicklung und wollen lernen und verstehen.

Wenden wir uns noch dem Krypto-Markt zu. Worauf sollten Anleger achten, um die Qualität von Kryptowährungen zu bestimmen?

Wir müssen zwischen Crypto Natives und Einsteigern unterscheiden. Crypto Natives analysieren seit Jahren den Markt, Entwicklungen und Innovationen. Einsteiger benötigen Sicherheit. Diese bieten wir, indem wir grossen Wert auf Research und Ausbildung legen. Gerade bei neuen Technologien und Anlageprodukten ist Analyse und Wissen entscheidend. Dabei gilt für alle «Do your own Research».

Schliessen sich Nachhaltigkeit und Krypto-Assets grundsätzlich gegenseitig aus?

Ethereum kommt mit dem Softwareupdate, dem sogenannten «Merge», den ESG-Standards sehr nahe und dürfte daher neue Anleger anziehen. Aber Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Energie. Alle Protokolle arbeiten auch daran, den Stromverbrauch zu reduzieren. Zudem schürfen die Miner nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Steigt der Strompreis beispielsweise von fossiler Energie, kommen alternative Quellen zum Einsatz, um Kryptos zu schürfen.

«Krypto-Währungen können Armut verringern»

Nachhaltigkeit hat aber auch mit Uno-Zielen zu tun. Mit dem Aufkommen von Kryptowährungen haben Menschen, die nicht zu den 20 Prozent der privilegierten Weltbevölkerung gehören, eine Wahl.

Wie meinen Sie das?

Die Menschen können sich dafür entscheiden, an einem alternativen Wirtschaftssystem teilzunehmen, das mehr finanzielle Eigenverantwortung und Unabhängigkeit ermöglicht. Die Blockchain-Technologie und die Kryptowährungen können ihren Teil zur Erreichung einiger der 17 Nachhaltigkeitsziele der Uno beitragen: Unter anderem heisst das: Armut verringern und nachhaltiges Wirtschaften als Chance für alle.

Wird Ether durch den ‹Merge› in Zukunft Bitcoin als führende Kryptowährung ablösen?

Die kurze Geschichte der Kryptowährung zeigt, dass der Marktanteil von Bitcoin, der ersten Kryptowährung, von 100 Prozent auf weniger als 40 Prozent gesunken ist. Dieser Rückgang geschah trotz des Aufstiegs von Bitcoin. Es zeigt, dass es Platz gibt für neue Coins und Tokens, die neue Möglichkeiten bieten.

Was erwarten Sie vom Einstieg des US-Fondsriesen Black Rock in das Kryptogeschäft?

Nicht nur Black Rock steigt ins Kryptogeschäft ein. Auch einst erklärte Skeptiker wie Schroders oder Goldman Sachs akzeptieren inzwischen Kryptowährungen und Digital Assets als neue Anlageklasse und bauen ein Angebot auf. Der Grund ist einfach: «Crypto is here to stay» und die Nachfrage und das Interesse der Kunden steigen unaufhörlich.

Bitcoin wird oft als digitales Gold bezeichnet. Welche Vorteile hat Bitcoin gegenüber physischem Gold?

Bitcoin und Gold haben viele Gemeinsamkeiten. Beide haben ein begrenztes Angebot, sie können nicht manipuliert werden und sie werden weltweit akzeptiert.

«Gerade der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie wichtig die Krypto-Währungen sind»

Es gibt jedoch auch Unterschiede: Gold ist ein physischer Vermögenswert, Bitcoin nicht. Gold schlägt die Menschen seit Menschengedenken in den Bann, während Bitcoin erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt fasziniert. Bitcoin hat den Vorteil, dass es in kleine Stücke zerlegt werden kann und schnell sowie einfach übertragbar ist. Wenn man glaubt, dass die Zukunft immer digitaler wird, ist es sinnvoll, mit Bitcoin ein digitales Goldäquivalent zu haben.

Ist Bitcoin im Grunde eine Versicherung gegen politische Risiken und Vertrauensverlust bei Staaten mit Fiat-Währungen, die fiskalische Disziplin vermissen lassen und deren Notenbanken eine zu lockere Geldpolitik betreiben?

Ein Teil der Weltbevölkerung lebt in unfreien oder autoritär regierten Gesellschaften mit wenig oder kaum Schutz der Menschenrechte, der Freiheit oder des persönlichen Eigentums. Das dezentrale Prinzip der Blockchain-Technologie und der Kryptowährungen zielt auf mehr Freiheit, mehr Sicherheit und Schutz des persönlichen Eigentums.

In vielen Schwellenländern boomen die Kryptowährungen – nicht etwa als Spekulationsobjekt, sondern um die Ersparnisse zu bewahren, Gelder zu überweisen und zu empfangen, grundlegende Güter zu kaufen und geschäftliche Transaktionen zu tätigen.

Gerade der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie wichtig die Kryptowährungen in einem unstabilen, unsicheren und kollabierenden Finanz- und Bankensystem für die Flüchtenden waren und sind. Es bringt sie in die Lage, wenigstens einen Teil ihres Hab und Guts zu retten.


Franz M. Bergmüller ist seit April 2022 CEO der Seba Bank mit Sitz im Crypto Valley Zug. Bevor er die Geschäftsleitung bei der Spezialistin für digitale Vermögenswerte übernahm, war der Diplom Ökonom mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Aufbau und in der Transformation von Unternehmen, bei einem internationalen Beratungsunternehmen und zwei führenden deutschen Finanzdienstleistungsunternehmen in leitenden Funktionen tätig und gründete zwei Corporate Fintechs.

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