Der ehemalige CEO der gescheiterten Credit Suisse kann in einem Gastbeitrag in der «Financial Times» seine Hände unwidersprochen in Unschuld waschen. An seinen Erfolgen lässt er hingegen keine Zweifel aufkommen.

Nach seinem unrühmlichen Abgang bei der Credit Suisse (CS) Anfang 2020 wegen einer Spionageaffäre hat sich Tidjane Thiam von der Bankbranche abgewendet und verschiedene neue Missionen gesucht – von Investments in Börsenmäntel, sogenannten Spac-Gesellschaften, bis zur Beteiligung an einem Hollywood-Filmprojekt.

Mit der Notrettung der CS durch die UBS hat sich Thiam jetzt aber nochmals auf seine Zeit als CEO der Bank zurückbesonnen. In seinem Rückblick in der «Financial Times» (Artikel kostenpflichtig) stellt er sich selbst ein gutes Zeugnis zu seiner Ära aus und will den Untergang der Bank nicht mit seinem Namen verbinden. Dass die «Financial Times» Thiam die Bühne ohne kritische Einordnung bereitet, zeigt einmal mehr, wie die Sympahien beim Wirtschaftsblatt verteilt sind.  

Kein Wort zur Spionage-Affäre

Unerwähnt lässt Thiam etwa sein Abschiedspaket von bis zu 30 Millionen Franken, das ihm der Verwaltungsrat mitgab, nachdem eine Beschattungsaffäre rund um mehrere ehemalige Kadermitglieder der Grossbank aufflog.

Ebenfalls kein Wort ist zu lesen, dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht nach Thiams Abgang bei der CS erhebliche Mängel bei der Governance und eine unangemessene Unternehmenskultur in der operativen Führung bemängelte.

Ungeachtet solcher Versäumnisse darf sich Thiam ausführlich zum Begriff Risiko äussern, der für ihn bei der CS immer eine Priorität gewesen sei.

Eigenlob zum Risikomanagement

In seinem Gastbeitrag hält Thiam fest, dass er die Bilanz der CS, die bei seinem Amtsantritt auf der Liste der systemrelevanten Banken ganz unten stand, mit 10 Milliarden Franken Eigenkapital verstärkt, Altlasten unter anderem im Hypothekenmarkt in Milliardenhöhe angegangen und mehr als 100 Milliarden Franken an faulen Vermögenswerten beseitigt habe.

Ihm sei auch klar gewesen, dass die Risikosysteme in einem zehnjährigen Unterfangen erneuert werden müssten. «Wenige Tage nach meinem Amtsantritt bestand eine meiner ersten Entscheidungen darin, neue Investitionen in Risikomanagementsysteme in Höhe von 150 Millionen Dollar zu genehmigen.»

Ausserdem stockte Thiam das Compliance-Personal um mehr als 40 Prozent auf, während anderswo Stellen abgebaut wurden. Sein Entscheid, 2019 Lara Warner als oberste Risikochefin zur Bank zu holen, erwies sich im Nachhinein allerdings als Missgriff. Die Milliarden-Debakel mit den Fonds von Greensill und Archegos hingen nämlich entscheidend mit dem Unvermögen von Warner zusammen. Auch über diesen Führungsfehler schweigt sich Thiam in seinen Reflexionen aus.

Gelungener Kulturwandel

Solange die Risiko- und Compliance-Systeme nicht wesentlich verbessert wurden, stand nach Thiams Aussagen das richtige Verhalten und die Kultur in der CS im Zentrum. Wenn Thiam seine Meriten im Bericht aufzählt, will er keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass ihm die Wende gelungen ist.

Mit ihm habe es die CS geschafft, 16 Quartale ohne ernsthafte Probleme zu überstehen, Zuflüsse von mehr als 200 Milliarden Dollar im Wealth Management zu generieren, Risiken zu reduzieren und sowohl die Betriebs- als auch die Legacy-Kosten zu senken.

«Im Jahr 2019 machte die Credit Suisse fast so viel Gewinn wie ihre neue Eigentümerin UBS», zieht Thiam sein Fazit. Geflissentlich verschweigt er hingegen, dass die CS in den ersten drei Jahren als CEO Milliardenverluste machte, während sich sein Lohn trotzdem erhöhte.

Thiam begnügt sich im Artikel nicht mit einem Blick zurück auf seine Ära, wo er sich offensichtlich nichts ankreiden lassen will. Er gibt auch Ratschläge zur Umsetzung der CS-Übernahme durch die UBS in der Schweiz. Die Aufsichtsbehörden sollten noch einmal darüber nachdenken, ob sie einen einzigen inländischen Akteur dieser Grösse auf dem Schweizer Markt zulassen sollten.

Reputationsschaden für die Schweiz

Bei einer Absorption der Schweizer Universalbank würden zu den bereits erwarteten Arbeitsplatzverlusten im Investmentbanking noch Tausende weitere hinzukommen, vermutet Thiam.

Kritik an den Aufsichtsbehörden übt Thiam auch wegen des angewendeten Notrechts. Trotz Tausenden von Arbeitsstunden, die seit der Bankenkrise 2008 aufgewendet wurden, müsse weiter an Abwicklungsplänen gearbeitet werden. Der Untergang der CS verdeutliche, dass die Reaktionen der Behörden zu wenig transparent waren.

Teurere Kapitalbeschaffung

Bedenkenswert ist immerhin Thiams Einschätzung, wonach die politischen Entscheidungsträger das Vertrauen der Anleger in den europäischen Bankensektor stärken müssen. Die Behandlung der Inhaber von zusätzlichen Tier-1-Anleihen (AT1) habe zu erheblicher Unsicherheit geführt, urteilt Thiam. Deshalb dürften sich die Gerichte noch jahrelang mit Klagen zu diesen nachrangigen Anleihen herumschlagen.

Letztlich dürfte dieser für die europäischen Banken wichtige Markt die Refinanzierung verteuern. Demgegenüber könnten die amerikanischen und asiatischen Konkurrenten aus all dem gestärkt hervorgehen.

 

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