Mit der Übernahme der Credit Suisse hat die Käuferin UBS Neuland betreten. Das zwingt die Bankführung zu einem unkonventionellen Vorgehen: Der Vollzug des Zusammenschlusses erfolgt erst nach der Integration – und die Prüfung der Geschäfte geschieht irgendwo unterwegs.

Sergio Ermotti spielt Eile mit Weile mit der Credit Suisse (CS). Einerseits drückt der Konzernchef der UBS bei der Übernahme unheimlich aufs Tempo. So hat er seinen Team das Ziel gesteckt, die Übernahme der zweitgrössten Schweizer Bank bis Ende Mai formell abzuschliessen.

Diesen Zeitplan hat die Käuferin nun nochmals bestätigt, wie auch finews.ch berichtete. «Die UBS geht davon aus, dass der rechtliche Abschluss der Transaktion in den nächsten Wochen erfolgt», hiess es am (gestrigen) Dienstag.

Traditionell fünf Schritte

Gleichzeitig und überraschend hat Ermotti beschlossen, dass die UBS wie die CS bis auf Weiteres als separate Gesellschaften operieren. Für die CS heisst das, dass sie (zwar unter den wachsamen Augen der UBS-Führung) noch auf Monate hinaus mit ihren eigenen Managern ihre eigenen Geschäfte und Kunden betreut. Dies, auch wenn ihre Aktien längst gegen UBS-Titel getauscht worden sind.

Mit diesem Vorgehen stellt die UBS den traditionellen Ablauf eines Zusammenschlusses zweier Firmen auf den Kopf. Wie die Big-Four-Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers (PWC) festhält, geschieht eine solche Transaktion gewöhnlich in fünf Schritten: Erstens nimmt der Käufer eine Vorprüfung vor, gibt dann eine Absichtserklärung ab und lässt dieser eine eingehende Prüfung (Due Diligence) folgen. Befindet er das Ziel für lohnend, verhandelt er mit den bisherigen Eigentümern mit dem Ziel, die Aktienmehrheit zu übernehmen. Am Schluss steht die Integration, wenn eine solche als zweckdienlich erachtet wird.

Noch im Februar kein Interesse

Doch die CS-Übernahme entzieht sich jeglicher Tradition. Dies schon nur deshalb, weil der Verkauf als eines von vier Rettungsszenarien für die Grossbank von Bund und Aufsicht ausgewählt wurde. Ebenfalls haben sich bisher noch nie zwei für das weltweite Finanzsystem kritische Banken zusammengeschlossen.

Die UBS hatte ihrerseits noch vergangenen Februar keinerlei Interesse, die Konkurrentin zu übernehmen. Als die CS dann vergangenen März in das von den USA ausgehende Bankenbeben geriet, blieben der Nummer eins des Swiss Banking nur wenige Tage, um vor der Übernahme eine hastige erste Due-Diligence-Prüfung durchzuführen.

Resultat: die UBS kaufte praktisch blind, forderte dafür aber umfangreiche Sicherheiten. Dies mit Erfolg. Dank der zu nur einem Drittel der Börsenbewertung erfolgten Übernahme der CS, dank dem 15,8-Milliarden-Franken-Abschreiber auf CS-Pflichtwandelanleihen sowie mindestens 9 Milliarden Franken an direkten Verlustgarantien des Bundes verfügt die UBS nun über ein dickes Polster gegen Rückschläge. Laut Analysten der US-Bank J.P. Morgan würde sich die Transaktion für die UBS sogar dann noch lohnen, wenn sie die Hälfte der Vermögensverwaltungs-Kunden der CS verlieren würde.

Die Kehrseite der Flexibilität

Nun holt die Käuferin die eigentliche Due Diligence mit Hochdruck nach. Flankiert von der Beratungsfirma Oliver Wyman durchleuchtet eine Hundertschaft von UBS-Bankern – intern offenbar bekannt als das «Clean Team» – die Kundenbeziehungen und Geschäfte der CS. Das Tempo ist aber teilweise fremdbestimmt: Noch immer haben nicht alle ausländischen Regulatoren der Transaktion zugestimmt. Manche Kundenbeziehung bleiben deshalb eingeschwärzt und für die UBS-Banker nicht einsehbar.

Über all dem thront bald die zur Integrationsverantwortlichen ernannte UBS-Bankerin Michelle Bereaux. Erhält sie grünes Licht von den «Saubermachern», wird sie die CS Stück für Stück mit der UBS verschmelzen. Zu jeder Zeit behält die Käuferin dabei die Flexibilität, gewisse Bereiche auszulagern, an die Börse oder an Dritte zu verkaufen oder im «Magen» der Noncore-Einheit langsam zu verdauen.

Die Kehrseite: aus heutiger Sicht bleibt unklar, was alles von der UBS übernommen wird und wie lange sich dieser Prozess hinzieht. Das ursprüngliche Ziel von UBS und CS, den Zusammenschluss nach Möglichkeit bis Ende 2023 zu vollziehen, dürfte damit Makulatur sein.

Zeit des Zwielichts

Obschon die UBS mit der Ernennung des künftigen Management und dem angestrebten offiziellen Zusammenschluss bis Ende Mai rasch Fakten für Kundinnen, Kunden und Mitarbeitende schaffen wollte, droht nun gerade den CS-Angestellten eine lange Zeit des Zwielichts, wie es das Online-Finanzportal finews.asia bereits vergangenen März beschrieben hat.

Das Wissen darüber, das in der künftigen Konzernleitung der kombinierten UBS/CS mit Ulrich Körner nur ein einziger CS-Manager berücksichtigt wird, dürfte kaum zu ihrer Beruhigung beitragen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.54%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.88%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.58%
pixel