Die Marktstimmung mag günstig erscheinen. Führungswechsel bei Zentralbanken, hohe Börsenbewertungen und eine straffere Geldpolitik in manchen Ländern stellen enorme Risiken dar, schreibt Maya Bhandari.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Diesen Monat jährt sich die globale Finanzkrise zum zehnten Mal, und mein Blick richtet sich auf die weiterhin verhaltene Volatilität an den Finanzmärkten. Das Umfeld mit anziehendem Wachstum ohne Preisdruck ist zwar eher ein überraschendes Phänomen, scheint jedoch zunehmend in den Erwartungen der Investoren eingepreist zu sein. Die Situation mag zwar günstig erscheinen, doch da die Bewertungen in vielen Anlageklassen ausgereizt sein könnten – ganz zu schweigen von den negativen Laufzeitprämien für Anleihen –, steigen die potenziellen Risiken.

Dazu zählen meines Erachtens die geopolitischen Entwicklungen, Führungswechsel bei Zentralbanken, Überreaktionen der Märkte auf eine mögliche Straffung der Geldpolitik (Taper Tantrum) sowie der Dollar und die Schwellenmärkte.

«Umfragen zufolge ist die Beliebtheit von Premierminister Shinzō Abe gesunken»

Das politische Risiko in den Vereinigten Staaten ist nach wie vor hoch. Doch auch in Japan ist es gestiegen, denn Umfragen zufolge ist die Beliebtheit von Premierminister Shinzō Abe unter den japanischen Wählern gesunken. Da Japan in der Aktienallokation vieler Fonds prominent vertreten ist, konnte man etwas in Sorge, dass Abes Position bedroht sein könnte. Die panische Stimmung scheint sich je doch gelegt zu haben – zumindest bis auf Weiteres. Die besseren Daten zum Wirtschaftswachstum und die weniger feindselige Haltung der Öffentlichkeit nach den jüngsten Skandalen dürften Abe vor einer politischen Krise bewahrt haben.

Besonders erfreulich ist auch, dass vor Kurzem zwei neue Mitglieder in das Kabinett berufen wurden, die als potenzielle Gegner Abes wichtige Positionen innerhalb seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) erhalten haben und somit für den Premier vermutlich keine Gefahr darstellen werden. In meinem Szenario gehe ich davon aus, dass Abe diese bedrohliche Situation überstehen wird und bis mindestens 2021 mit politischer Stabilität zu rechnen ist.

«Es ist möglich, dass ihn ein Traditionalist der Bank of Japan ablöst»

Ein Führungswechsel in einigen Zentralbanken könnte die lockere Geldpolitik, von der Risikoanlagen in den vergangenen Jahren profitierten, in Frage stellen und das durch langfristig niedrige Zinsen gekennzeichnete Umfeld gefährden. In Europa endet die Amtszeit von Mario Draghi im Oktober 2019. Doch er könnte im kommenden Jahr die Führung Italiens anvisieren.

Die Amtszeit von Janet Yellen läuft im Januar 2018 aus. Ihre Position ist indes bis zu einem gewissen Grad von Präsident Donald Trump abhängig. In Japan ist Notenbankchef Haruhiko Kuroda noch bis April 2018 im Amt. Es ist möglich, dass ihn ein Traditionalist der Bank of Japan ablöst, der zügig zu einer Normalisierung der Geldpolitik übergehen könnte.

Ich bin mir bewusst, dass eine beschleunigte geldpolitische Normalisierung seitens der Zentralbanken ernsthafte Auswirkungen auf globale Risikoanlagen haben könnte. In Europa sind Taper Tantrums nicht ausgeschlossen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre expansive Geldpolitik zurückfährt.

«Der Dollar war in letzter Zeit schwach»

Draghi sieht eine Festigung und Verbreiterung der Erholung im Euroraum und hat für 2018 eine weitere Drosselung des Programms der quantitativen Lockerung signalisiert. Dies gilt auch für die Zentralbank in den USA, wo die Laufzeitprämien für amerikanische Papiere erneut in den negativen Bereich gesunken sind. Da die Aktienrückkäufe drastisch zurückgegangen sind, könnten sich Dividendenpapiere als anfällig erweisen.

Allerdings sind in Aktien höhere Risikoprämien eingepreist als in Anlagen wie Unternehmensanleihen. Der Dollar war in letzter Zeit schwach, wovon insbesondere Schwellenländeranleihen und Risikoanlagen im Allgemeinen profitiert haben. Sollte sich die Entwicklung des Dollars jedoch umkehren, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf andere Anlagemärkte haben. (Dieser Artikel entstand zusammen mit Toby Nangle.)


Maya Bhandari stiess 2014 zum amerikanischen Finanzkonzern Columbia Threadneedle, wo sie als Portfolio-Managerin und Mitglied des Global Asset Allocations-Team tätig ist. Zuvor arbeitete sie fast zwanzig Jahre lang bei verschiedenen Instituten, darunter bei der Cititgroup sowie bei Lombard Street Research. Ihre Karriere startete sie als Ökonomin bei der Europäischen Kommission, nachdem sie Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Edinburgh sowie internationale Beziehungen in Cambridge studiert hatte.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli und Katharina Bart.

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