Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist im Gespräch, nach einer allfälligen Wiederwahl von Emmanuel Macron als Premierministerin Frankreichs zu übernehmen. Das wirft Fragen zur neuen Macht der Zentralbanker auf.

Schon Mario Draghi, der Vorgänger der jetzigen Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), wechselte bekanntlich in die Politik. Er steht als Premier Italiens einer breiten Koalition von Parteien vor, schon fast als unabhängiger Experte, der über den Querelen der Politik steht.

Nun wird auch seine Nachfolgerin an der Spitze der EZB, Christine Lagarde, als neue Premierministerin Frankreichs ins Spiel gebracht, wie «The Times» am Dienstag berichtete (Artikel hinter Bezahlschranke).

Gefährdung des Ansehens?

Falls es die konservative Valérie Pécresse in die Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron schafft, soll Lagarde die konservative Flanke für Macron abdecken, so das Gedankenspiel. Es wurde offenbar von Aussagen des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy befeuert, der von Pécresse wenig halten und Macron die Ernennung von Lagarde empfohlen haben soll.

Viele Wenn und Aber – was verdeutlicht, wie unterschiedlich die Welten der Politik und der Zentralbanken sind. Lagarde hat sich auch schon vorsorglich dahingehend geäussert, dass sie eigentlich nicht geneigt ist, angefangene Aufgaben einfach aufzugeben.

Aber, falls der Präsident der Republik ruft, würde sie bei der EZB bleiben? Schliesslich ist Lagarde bei der Hüterin des Euro als Juristin und ehemalige Chefin des Währungsfonds nicht als Insiderin zum Amt gekommen. Was einst schon die «Neue Zürcher Zeitung» dazu bewog, von einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Ansehen der EZB zu sprechen (Artikel hinter Bezahlschranke).

Angriffe auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken

Über die Gefährdung der Unabhängigkeit der Zentralbanken wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben – zu Recht. Politiker wie Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan halten offenkundig wenig davon, die Geldpolitik einer unabhängigen Behörde zu überlassen.

Im Falle der Türkei ist mittlerweile deutlich geworden, dass die Zentralbank dem Diktat der Politik folgen muss. Statt wegen der rapide steigenden Inflationszahlen die Zinsen anzuheben, hat die Bank die Zinsen mehrmals gesenkt und damit die Lira auf Talfahrt geschickt.

Begehrlichkeiten in der Schweiz

Auch in der Schweiz, wo die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vom Direktorium um Thomas Jordan eisern verteidigt wird, werden Angriffe häufiger. Hierzulande hat vor allem die Aufblähung der Bilanz im Zuge der Frankenpolitik zu Begehrlichkeiten von Links und Rechts geführt. So möchten sowohl gewerkschaftliche Kreise aber auch Exponenten der SVP Geld aus der SNB-Bilanz zur Sanierung der AHV verwenden.

Die umgekehrte Bewegung – von den Zentralbanken in die Politik – befeuert wiederum die Diskussion darüber, wie mächtig die Währungshüter geworden sind. So titelte die «Wirtschafts Woche» im August 2021, wie die Zentralbanken ihren Einfluss massiv ausbauten und die neue Weltmacht darstellten (Artikel hinter Bezahlschranke).

Nato-Chef als Zentralbanker

Unzweifelhaft ist die Position der wichtigsten Währungshüter heutzutage viel öffentlicher geworden. Und damit sind auch charismatische Persönlichkeiten öfter in solchen Positionen anzutreffen, man denke nur an Philipp Hildebrand. Kaum eine Vakanz, bei welcher sein Name nicht genannt wird.

Auch eine weitere Personalie machte in diesen Tagen Schlagzeilen. Just als sich das Verteidigungsbündnis Nato und Russland über den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze in die Haare geraten sind, wurde bekannt, dass Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der Verteidigungsallianz des Westens, im Laufe des Jahres an die Spitze der norwegischen Zentralbank wechseln wird.

Munteres Stühlerücken an der Spitze

Ein unglücklicher Zufall gewiss, dass der wichtigste Mann der Nato sich in der grössten Krise der Allianz seit dem Mauerfall von 1989 sich auch um die eigene Karriere kümmert.

Die Wechsel zwischen politischen Ämtern und Posten bei der Zentralbank sind auf jeden Fall ein Beweis dafür, wie wichtig einerseits die Zentralbank heute ist und anderseits, dass Persönlichkeiten immer weniger Zurückhaltung zeigen, von einer Position in der Politik zu einer in der Geldpolitik zu wechseln – und umgekehrt.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.57%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.99%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel