FTX-Pleite: Investoren retten ihre Coins in die Schweiz

Nach dem Absturz von FTX sind dennoch zahlreiche Investoren dazu übergegangen, ihre digitalen Anlagen von zentralen Handelsplätzen abzuziehen und gleich selber aufzubewahren. «Self Storage» heisst dieser Trend, der in der Schweiz nun ebenfalls zu beobachten ist.

«Wir sehen sowohl Kunden, die digitale Assets abziehen und sie auf der eigenen Hardware speichern, als auch solche, die nun erst recht die professionellen Verwahrungsdienste von regulierten Akteuren in Anspruch nehmen», berichtet Brzezek von Crypto Finance. Er mahnt aber: «Wer seine Krypto-Anlagen selber verwahrt, sollte gut mit der Technologie vertraut sein. Wir alle kennen die Geschichten von verlorenen Zugangscodes.»

Bei Sygnum erklärt CEO Imbach, man habe keine überdurchschnittliche Abflüsse von Kunden gesehen, die auf Self Storage umsteigen wollten. Vielmehr verzeichne Sygnum seit Anfang November beträchtliche Mittelzuflüsse in Höhe von 270 Millionen Franken – eine Zahl, die bis zum Monatsende auf der Grundlage der bestätigten Zufluss-Pipeline auf 400 Millionen Franken oder mehr ansteigen dürfte.

«Viele unserer bestehenden Kunden konsolidieren ihre Vermögenswerte, die oft von unregulierten Börsen stammen, bei Sygnum», erklärt Imbach diese Fluchtbewegung.

Finma hat gezielt nachgefragt

Offensichtlich kommt es dem Standort zugute, dass die Schweiz die Regulierung der Krypto-Branche über die vergangenen Jahre vorangetrieben hat. Während die FTX-Pleite mittlerweile schon der US-Finanzaufsicht vorgeworfen wird, müssen die direkt der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) unterstellten hiesigen Akteure monatlich Meldung über ihre Positionen in Token und Coins machen. «Ähnliche Vorfälle bei grossen regulierten Schweizer Anbietern halte ich für wenig wahrscheinlich», sagt Brzezek.

Tatsächlich ist man bei der Aufsichtsbehörde nach dem FTX-Debakel aktiv geworen. «Es interessiert uns natürlich, ob der Konkurs der Plattformen allenfalls Auswirkungen auf von uns beaufsichtigte Gesellschaften hat», sagt ein Sprecher auf Anfrage. Die Finma habe daher gezielt bei einzelnen Instituten nach ihren Exposures nachgefragt. «Bisher haben wir keine Hinweise auf gravierende Exposures im Kontext der FTX-Ereignisse», so die Aufsicht.

«Branche erlebt einen historischen Moment»

Auch Profis tappen jedoch im Dunkeln, wenn es darum geht, die weiteren Folgen des FTX-Debakels abzuschätzen. Dies nicht zuletzt, weil die Kurse von Krypto-Anlagen weiter nachgeben. Von den Auswirkungen sind selbst die renommiertesten Akteure nicht gefeit. So handelt der weltgrösste Krypto-Fonds Grayscale Bitcoin Trust an der amerikanischen Börse mittlerweile zu einem Abschlag von mehr als 40 Prozent zu den Bitcoin, die er selber hält, wie die Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) am (gestrigen Dienstag) beobachtete.

«Die Krypto-Branche erlebt einen historischen Moment», sagt Marc Baumann, der sich nach vier Jahren im Kader des Zuger Brokers Bitcoin Suisse selbstständig gemacht hat. Was mit FTX geschehen sei, habe die Szene in diesem Ausmass noch nie erlebt. «Dies sollte uns zum Bewusstsein führen, dass man sich nun an einer Wegkreuzung befindet.»

Laut dem Branchenkenner zeichneten sich bereits zwei Lager ab. «Die eine Seite befürwortet eine strengere Aufsicht und mehr Regeln, um das Vertrauen in die Branche wieder herzustellen.» Andere Stimmen würden hingegen darauf hinweisen, dass mit FTX ausgerechnet eine zentralisierte Börse dieses Debakel verursacht hat. Sie rufen deshalb nach mehr Dezentralisierung und nach einer Rückkehr zu den Ursprüngen der Blockchain-Idee.

Schweiz als sicherer Hafen

«Diese Dichotomie zwischen dezentral und zentral, zwischen Vertrauen und vertrauensfrei ist so alt wie die Branche selbst», betont Baumann. Und noch sei nicht klar, in welche Richtung es geht. «Für regulierte Schweizer Akteure wäre eine strengere Aufsicht über das Krypto-Universum positiv zu werten», ist sich der Experte sicher.

Dieser Meinung ist auch Sygnum-CEO Imbach. Bei der Krypto-Bank gehe man davon aus, dass die Vorfälle um FTX für die Branche weltweit schwerwiegende Folgen haben werde, deren Auswirkungen noch nicht absehbar seien. «Aber es bietet der Schweiz weitere Möglichkeiten, sich als sicherer Hafen für Investoren in unsicheren Zeiten zu positionieren.»


Mitarbeit: Samuel Gerber und Thomas Pentsy