FTX-Pleite: Investoren retten ihre Coins in die Schweiz
Der Fallout der FTX-Pleite ist für die hiesige Krypto-Branche noch gar nicht abzuschätzen. Während die Finanzaufsicht gezielt bei Akteuren anklopft, nehmen manche Anbieter Millionen entgegen, wie Recherchen zeigen.
Nachdem Investoren in den vergangenen Tagen fieberhaft versuchten, ihre Vermögen aus der taumelnden Plattform abzuziehen, treibt nun die Furcht vor den Folgen der FTX-Pleite die Szene um – auch in der Schweiz. Und wie sich zeigt, macht das Gespenst einer Ansteckung den Akteuren in Zug und Zürich weniger Sorgen als die langfristigen Auswirkungen des Debakels um die einstige Vorzeigefirma von Krypto-Guru Sam Bankman-Fried (Bild unten).
«Ich glaube, dass hier viel mühsam aufgebautes Vetrauen in die Krypto- und Blockchain-Industrie zerstört wurde», sagt Ralf Glabischnig auf Anfrage von finews.ch. Der Pionier des Zuger «Crypto Valley» und Mitgründer der Blockchain-Beratungsfirma Inacta befürchtet, dass das Fundraising für Firmen schwieriger wird und der gegenwärtige Krypto-Winter länger anhalten könnte.
1 Million Gläubiger
Wobei die Gefahr einer Ansteckung ebenfalls nicht von der Hand zu weisen ist, wird das Ausmass der Verknüpfungen von FTX und dem mit der Börse auf den Bahamas verbundenen Hedgefonds Alameda Research betrachtet. Zusammen mit den beiden Firmen haben in den USA 134 weitere Gesellschaften ein Gesuch um Nachlassstundung eingereicht. FTX spricht in eingereichten Dokumenten von mehr als 1 Million Gläubigern.
Alameda Research wiederum war Wagniskapitalgeber von Dutzenden anderer Startups, darunter auch die Schweizer Krypto-Bank Seba.
Diese beeilte sich am vergangenen Montag via dem Kurznachrichtendienst Twitter, das Investment in Kontext zu stellen. Alameda Research habe weniger als 1 Prozent an der Firma gehalten, und Seba habe weder auf der FTX-Plattform gehandelt noch in deren Token investiert. Andere bekannte hiesige Krypto-Anbieter versuchen ebenfalls, ihre Klientel zu beruhigen.
(Bild: FTX)
Exposure abgebaut
Auf Anfrage erklärt Mathias Imbach, Chef der Krypto-Bank Sygnum mit Hauptquartieren in Zürich und Singapur, das Unternehmen sei von der FTX-Insolvenz und einer möglichen Ansteckung der Branche nicht betroffen. Weder FTX noch Alameda Research hätten in Sygnum investiert. Sygnum verwahre oder handle auch nicht mit FTT- oder Solana-Token, die im Zuge der Börsen-Pleite ebenfalls schwer unter Druck geraten sind.
Bei Crypto Finance, einer Tochter der Deutschen Börse, stand die Crew über die letzten Tage im Einsatz. «Das Geschäftsmodell von Crypto Finance beinhaltet, dass wir Liquidität bei verschiedenen Krypto-Handelsplätzen zu Trading-Zwecken halten, so auch im Fall von FTX», berichtet CEO und Gründer Jan Brzezek. Für sämtliche Handelsplätze gälten dabei klar definierte Limiten. «Dementsprechend ist unser Exposure Stand heute überschaubar», erklärt Brzezek. Kundengelder bei FTX habe man keine.
Rerserven offengelegt
Ausländische Krypto-Börsen sind in den vergangenen Tagen dabei noch einen Schritt weiter gegangen als die Schweizer Exponenten. So begannen sie, ihren Bilanz offenzulegen und extern prüfen zu lassen. Mit diesem «Proof of Reserves» (POR) wollen sie ihren Kunden beweisen, dass die eingezahlten Gelder sicher verwahrt sind. Der POR soll sicherstellen, dass die Kundenbestände nicht missbraucht werden, und dass die gehaltenen Krypto-Währungen durch echte Vermögenswerte gedeckt sind.
Diese Berichte der Prüfer werden kryptografisch abgeglichen, um den Datenschutz und die Sicherheit zu gewährleisten. Obwohl das Verfahren viele Vorteile aufweist, kann es aber eine allfällige Veruntreuung von Kundengeldern nicht vollständig verhindern. Es verfolgt nur die Bestände und würde eine Börse beispielsweise nicht daran hindern, Geld an zweifelhafte Kreditnehmer zu verleihen. Letztlich ist ein POR immer eine Momentaufnahme und auch nur so gut wie sein Verifizierer.
Der Schuss ging nach hinten los
Zu den Börsen, die im Zuge des FTX-Debakels POR-Dashboards aufgestellt haben, gehören unter anderem die Branchenriesen Binance, Coinbase, Kraken, OKX, Huobi und Crypto.com. Die Offenlegungs-Offensive hat dieser Tage allerdings auch zu einiger Verwirrung geführt.
Bei Crypto.com beispielsweise ging der Schuss eher nach hinten los. Der veröffentlichten Wallet-Analyse zufolge hält das Unternehmen zum grossen Erstaunen vieler Marktbeobachter 20 Prozent aller Reserven im hochspekulativen Memecoin Shiba Inu. Dies spiegle die Guthaben der Kunden 1:1, hiess es dazu. Allerdings gelang es Crypto.com bisher, alle Kundenbezüge aus den Reserven zu bedienen. Die Plattform zerstreute damit vorerst Befürchtungen, dass sie als nächstes ins Wanken geraten könnte.
Rückzug auf die eigene Hardware
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