Neun Jahre nach dem Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers spitzt sich ein Rechtsstreit mit der Credit Suisse zu: Diese meint, ihr stehe über 1 Milliarde Dollar Schadenersatz zu.

Der Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 hinterliess unauslöschbare Spuren. Die Finanzwelt war danach nicht mehr dieselbe. Der Bankrott der damals viertgrössten Investmentbank der USA stürzte die Derivatebranche in ihre bislang tiefste Krise, von der sie sich bis heute nicht vollständig erholt hat.

Die Credit Suisse (CS) stand dabei lange im Mittelpunkt: Sie hatte Lehman-Produkte en masse vertrieben. CS-Kunden investierten rund vier Milliarden Franken in entsprechende Strukturierten Produkte. Die CS entschädigte später eine Anzahl Kunden mit rund 150 Millionen Franken – etliche andere gingen aber leer aus.

Über 20'000 Lehman-Kontrakte

Doch die CS stand mit Lehman Brothers noch in weiteren Geschäftsbeziehungen. Als eine der grössten Derivate-Händlerinnen an der Wall Street hielt sie zum Zeitpunkt der Pleite mehr als 20'000 Lehman-Kontrakte. Um diese «Zombie-Papiere» wogt seither ein Rechtsstreit, in dem es um mehr als 1,3 Milliarden Dollar geht.

Dabei stellt die CS ihrerseits Forderungen von mehr als 1,2 Milliarden Dollar an die Abwicklungsgesellschaft Lehmans. Diese wiederum klagt gegen die Schweizer Bank: Die 1,2 Milliarden Dollar seien völlig überrissen, findet sie, hingegen schulde die CS der Firma Lehman Brothers mehr als 150 Millionen Dollar.

Citigroup bezahlte teuer

Der Rechtsstreit geht jetzt in die letzte Runde. Vergangene Woche verurteilte das New Yorker Gericht im Southern District die US-Grossbank Citigroup dazu, 1,74 Milliarden Dollar in den Lehman-Nachlass zu zahlen.

Die Ausgangslage war ähnlich wie im CS-Fall gewesen: Die Citigroup hatte von Lehman mehr als 2 Milliarden Dollar Schadenersatz für die Abwicklung von Handelspositionen gefordert. Lehman hatte ebenfalls Gegenklage eingereicht: Die Citi-Forderungen seien aufgebläht und zusammengerührt. Stattdessen solle Citi 2,1 Milliarden Dollar in den Lehman-Nachlass zahlen.

Das Muster ist dasselbe

Citigroup zog den Kürzeren – und es scheint nicht ausgeschlossen, dass auch die CS in ihrem Rechtsstreit unterliegen könnte. Denn das Muster ist dasselbe: Gemäss der Anklageschrift hatte die CS ihre Forderungen an Lehman künstlich aufgeblasen. «Phantom-Verluste» nannten die Lehman-Anwälte diese Forderungen.

Sie habe Gegenpositionen nicht gegengerechnet, einseitig günstige Bewertungstermine gewählt und die eigenen Positionen zu ihren Gunsten bewertet, heisst es. Der Wert der Forderungen liege gerademal bei 74,6 Millionen Dollar.

Scharf auf den Lehman-Geldtopf

Tatsächlich waren Investmentbanken und Hedgefonds noch Jahre nach dem Explodieren der Lehman-Bombe scharf auf den Geldtopf des Nachlasses für die geprellten Gläubiger. Das geflügelte Wort machte zeitweise die Runde, man wolle den Kadaver von Lehman Brothers ausweiden.

Es steht zwar in keinem Verhältnis zum Schaden, den die grösste Bankenpleite der Geschichte angerichtet hat. Doch sind bis dato an Lehman-Gläubiger knapp 120 Milliarden Dollar aus dem Nachlass ausbezahlt worden.

Einige Cents pro Dollar holen

Kühlen Rechnern war früh klar geworden, dass aus Lehman-Werten, die beim Bankrott auf Null notierten, noch einige Cents pro Dollar zu holen sei, sobald sich die Lage wieder übersichtlicher gestalte.

Die CS machte damals auch mit: Im August 2009 kaufte sie vom Hedgefonds Citadel Lehman-Forderungen von 423 Millionen Dollar, um einen Monat später ihrerseits Käufer für Forderungen auf Derivate-Kontrakten in der Höhe von 1 Milliarde Dollar zu suchen.

Geld für Lehman-Gläubiger

Nachdem sie auf diesen Forderungen sitzengeblieben war, stellte die CS diese der Bank Lehman Brothers in Rechnung. Diese reagierte 2013 wiederum mit der Gegenklage, deren Verhandlung nach der Beilegung des Citi-Streites nun in die Endphase kommt.

Im Streit um diese «Zombie-Milliarde» wollte die CS gegenüber finews.ch keinen Kommentar abgeben. Das Thema Lehman Brothers ist bei der Schweizer Grossbank wegen ihres Vertriebs von Pleite-Produkten an private und institutionelle Anleger nach wie vor ein Problem. Die Aussicht auf eine Zahlung von – im extremsten Fall – 1,2 Milliarden ändert daran nichts. Dieses Geld würde die CS im Endeffekt den Lehman-Gläubigern aus der Tasche ziehen.

 

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