Die Kritik am scheidenden Bankpräsidenten Urs Rohner ertönt lauter denn je. Sie klingt jedoch hohl, wenn sie aus dem Mund von Grossaktionären der Credit Suisse kommt, die Rohner jahrelang gestützt haben.

Am (morigen) Freitag endet die Ära Urs Rohner bei der Credit Suisse (CS). Unmittelbar vor dem Abgang des Bankpräsidenten haute der grösste Aktionär des Instituts nochmals auf den Putz. «Rohner hat mehr als nur geschlafen am Steuer», wetterte David Herro in der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig).

«Zum Glück endet dieser Unsinn, sobald António Horta-Osório überimmt», sagte der Investmentchef der US-Investmentgesellschaft Harris Associates, die mit 5,17 Prozent an der CS beteiligt ist.

Schmalbrüstige Kapitalisierung

Tatsächlich lädt das Wirken Rohners, der über eine Dekade lang den Kurs der Grossbank lenkte, zur Kritik ein. Nachdem die CS die Finanzkrise von 2008 wesentlich besser als die Erzrivalin UBS überstanden hatte, reagierte das CS-Topmanagement auf die neuen Realitäten der Bankenregulierung nur sehr zaghaft und hielt zu lange am kapitalintensiven Investmentbanking fest.

Daraus resultierte ein schmalbrüstige Kapitalisierung, die das Institut in all den Jahren unter Rohner nie überwinden konnte. Unter seiner Regentschaft musste die CS viermal bei den Aktionären die hohle Hand machen, im Durchschnitt alle zweieinhalb Jahre.

Drei Viertel des Börsenwerts eingebüsst

Das jüngste Debakel um die US-Finanzfirma Archegos, wegen dem die CS bis jetzt 4,4 Milliarden Franken verloren hat und nun mittels einer Pflichtwandelanleihe 1,9 Milliarden Franken frisches Kapital aufnehmen muss, bestätigt den Befund: Die CS hat sich unter Rohner mit dem Investmentbanking heillos verrannt.

Der Aktienkurs der Bank ist das Abbild davon – in den vergangenen zehn Jahren hat das Institut mehr als drei Viertel seines Börsenwerts eingebüsst. Die Titel handeln inzwischen unter der 10-Franken-Grenze.

Hohle Kritik

Dennoch klingt die Kritik an Rohner hohl, besonders wenn sie aus dem Mund eines Grossaktionärs wie Herro kommt. Denn die mächtigsten Eigner der Bank haben die Strategie des Schweizer Juristen Jahr für Jahr abgenickt und Rohner stets die rechtliche Entlastung erteilt – in der Generalversammlung vom Freitag ist die Démarche mit Blick auf die jüngsten Verluste nun gar nicht erst traktandiert worden.

Hingegen müssen die Aktionäre an der bevorstehenden GV über eine Dividendenkürzung abstimmen. Abgesehen von etwas öffentlichkeitswirksamen «Täubelns» ist allerdings keine Front dagegen zu erwarten. So, wie es auch in all den Jahren unter Rohners Präsidium stets der Fall war.

Schweigende Mehrheit

Millionenboni, Milliardenabschreiber, Anteilverwässerungen, Dividendenkürzungen und der unsägliche Spitzelskandal im Jahr 2019 – all dies haben die grosen Eigner der CS stets durchgewunken. Was nur den einen Schluss zulässt: Die desolate Lage der zweitgrössten Schweizer Bank ist nicht allein das Verschulden des obersten Strategen, Rohner, sondern das grosse Versagen des Aktionariats. Tatsache ist: Dieses hat ihn gewähren lassen, und blieb weiter investiert – auch nach Auseinandersetzungen wie dem Showdown zwischen Rohner und dem damaligen CS-Chef Tidjane Thiam Anfang 2020.

Das dürfte in nicht geringem Ausmass mit der speziellen Konstellation der grössten Anteilseigner der Bank zusammenhängen. Dazu zählen mit Harris Associates, Blackrock, Dodge & Cox und Silchester International Investors vier Finanzinvestoren, welche die CS vor allem als Investment im Portefeuille führen.

Zur Miete beim Grossaktionär

Hinzu kommen das saudische Konglomerat Olayan sowie der der Staatsfonds des Emirats Katar QIA. Der norwegische Staatsfonds NBIM hat den Reigen der bedeutenden Aktionäre, die einen Stimmrechtsanteil von über 3 Prozent am Institut halten, Anfang April verlassen

Während Finanzinvestoren verschiedene Beteiligungen zu führen haben und ihren Einfluss in der Regel hinter den Kulissen geltend machen, waren und sind die Staatsfonds durch zusätzliche Interessen mit der Bank verbunden. So verkaufte die CS 2012 ihren Standort am Zürcher Üetlihof an NBIM und mietete die Gebäude von der Norwegern zurück. Einen ähnlichen Deal ging die Bank im selben Jahr mit dem Staatsfonds von Katar bezüglich des Londoner Hauptquartiers ihrer Investmentbank ein.

Immer die Kataris

Und schon 2011 waren die Katari der CS mit Pflichtwandelanleihen im Wert von 2,5 Milliarden Franken und 1,72 Milliarden Dollar beigesprungen – und kassierten dafür bis 2018 Jahr für Jahr mehr als 380 Millionen Franken an Zinsen. Es ist denkbar, dass QIA nun zu den Investoren zählt, welche für die 1,9 Milliarden Franken garantieren, die die CS mit ihrer jüngsten Pflichtwandelanleihe lösen will.

Die Eigner aus Nahost verzichteten ab 2016 zwar auf ein Vertretung im CS-Verwaltungsrat, machen aber mit dem Institut weiterhin Geschäfte. So kamen der Fondsarm der Bank und der Staatsfonds vergangenen September überein, gemeinsam Firmenkredite zu vergeben.

Enge Bande mit Blackrock

Einen ähnliche Zusammenarbeit im Asset Management existiert auch mit Blackrock. Die US-Finanzfirma und die CS kündeten vergangen Februar an, künftig gemeinsam nachhaltige Finanzprodukte bauen und vertreiben zu wollen. Schon zuvor waren die beiden Akteure eng.

Im Jahr 2013 veräusserte die Grossbank 58 börsengehandelte Indexfonds (ETF) mit verwalteten Vermögen von rund 16 Milliarden Franken an den weltgrössten Vermögensverwalter. Im Jahr 2019 entschied sich die CS, die Technologie-Plattform Aladdin von Blackrock ins eigene Fondsgeschäft zu integrieren.

Abgehalfterte Banker

Im Verwaltungsrat der Grossbank ist aktuell keiner dieser Akteure repräsentiert. An der Spitze der wichtigsten Komitees im Gremium sitzen hingegen oftmals altgediente Banker, die wohl die tradierten Werte des Metiers verkörpern: Der einstige CS-Manager Kai Nargowala lenkt seit 2017 den Vergütungsausschuss.

Der frühere Deutschbanker und McKinsey-Berater Andreas Gottschling steht derweil dem Risikoausschuss vor. Wegen des Doppel-Debakels um Greensill und Archegos muss der Deutsche am Freitag nun ernsthaft um seine Wiederwahl bangen.

Trotzdem ausgezeichnet verdient

Allen 13 CS-Verwaltungsräten ist gemeinsam, dass sie trotz der gelinde gesagt durchzogenen Leistung der Bank ausgezeichnet verdienen. Während der Geschäftsleitung die Boni für 2020 gestrichen wurden und Präsident Rohner auf sein Vorsitz-Honorar von 1,5 Millionen Franken verzichtete, werden die Vergütungen der Verwaltungsräte nicht angetastet. Sie betragen insgesamt 11,1 Millionen Franken, nur 1 Prozent weniger als im vergangenen Jahr.

Ob diese Priviliegien nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten António Horta-Osório (AHO) überdauern werden, wird sich zeigen. Dem Portugiesen nahestehende Kreise gaben gegenüber der «Financial Times» zu Protokoll, dass dieser das Wort «Executive» in seinem Titel als Chairman der CS sehr ernst nehme; er könnte durchaus ins Tagesgeschäft der Grossbank eingreifen.

AHO soll's richten

Ebenfalls wird ihm nachgesagt, dass er eine neue Zusammensetzung des Verwaltungsrats für überfällig halte. Was Rohners Nachfolger mit den noch weitaus wertvolleren Privilegien der Grossaktionäre zu tun gedenkt, ist indes nicht bekannt.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.43%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.41%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.26%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.3%
pixel