Exklusiv bei finews.ch: Investorenlegende George Soros schreibt über seine Erwartungen im laufenden Jahr. Lesen Sie im 2. Teil seine Prognosen zum Dollar, zu den Zinsen und China.

Von George Soros

Der Dollar

Das Vorhaben, Geld in die Wirtschaft zu pumpen, wird in zwei Bereichen auf Schwierigkeiten stossen: bei den Devisenkursen und bei den Zinsen. In der derzeitigen Finanzkrise geriet der Dollar schon früh unter Druck, erlebte aber eine starke Erholung, als sich die Krise zuspitzte. Zu spät erkannte ich, dass die Stärke des Dollars in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 nicht auf dem verstärkten Wunsch basierte, Dollars zu besitzen, sondern auf den zunehmenden Schwierigkeiten, Dollars zu leihen.

cover george sorosEuropäische und andere internationale Banken hatten viele auf Dollar lautende Vermögenswerte erworben, die sie bislang über Interbankengeschäfte finanziert hatten. Als der Markt einbrach, waren sie gezwungen, Dollars zu kaufen. Gleichzeitig besassen Peripherieländer viele auf Dollar lautende Verbindlichkeiten, die sie zurückzahlen mussten, als sie sie nicht umschulden konnten.

Russen kauften zu viele Euro

Russland und die osteuropäischen Länder am Rand der Eurozone waren stärker an den Euro gebunden. Aber als der russische Markt zusammenbrach, wirkte sich das dennoch in gleicher Weise auf den Dollar aus, weil die russische Zentralbank zu viele Euro gekauft hatte und diese verkaufen musste, um den Rubel zu stützen.

Der Trend kehrte sich Ende 2008 vorübergehend um, als die US-Notenbank die Zinssätze praktisch auf null senkte und die Politik des »Quantitative Easing« verfolgte. Der Euro erholte sich schlagartig, allerdings währte die Kurserholung nicht lange, da die Eurozone mit ihren eigenen internen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die Unruhen in Griechenland lenkten den Blick auf die Not in den südeuropäischen Ländern – Spanien, Italien und Griechenland – und die Situation in Irland.

Für starke Devisenschwankungen ist weiter gesorgt

Die CDS-Raten für diese Länder stiegen, ihre Bonität wurde herabgestuft, und die Rendite für ihre Staatsanleihen entfernte sich alarmierend weit von der Deutschlands. Von Jahresbeginn 2009 an verlor der Euro an Wert und wurde darin vom britischen Pfund sogar noch überholt.

Dass Deutschland und die Europäische Zentralbank eine andere Sichtweise der globalen Wirtschaftskrise vertreten als der Rest der Welt, wird wahrscheinlich noch für starke Devisenkursschwankungen sorgen und einer Erholung im Weg stehen. Die Europäische Zentralbank arbeitet mit asymmetrischen Richtlinien: Sie ist verpflichtet, sich nur um die Aufrechterhaltung der Preisstabilität zu kümmern, nicht um Vollbeschäftigung.

Jedes Land muss für sich handeln

In Deutschland ist die Erinnerung an die galoppierende Inflation in der Weimarer Republik noch sehr lebendig, die als Vorbote der NS-Diktatur gesehen wird. Beide Faktoren sprechen gegen finanzpolitische Verantwortungslosigkeit und unbegrenzte Geldschöpfung. Das sollte den Euro als Krisenwährung begünstigen, doch die internen Spannungen Europas arbeiten in die entgegengesetzte Richtung.

Es gibt keinen europaweiten Mechanismus zum Schutz des Bankensystems. Das bedeutet, dass jedes Land für sich handeln muss, allerdings ist fraglich, ob alle Länder auch dazu in der Lage sind. Ist Irland ausreichend kreditwürdig? Kann die Europäische Zentralbank die griechischen Staatsschulden auch über gewisse Grenzen hinaus lombardieren? Das Fundament des Vertrages von Maastricht ist erschüttert, und selbst Grossbritannien und die Schweiz haben Probleme, ihre übermässig gewachsenen Banken zu schützen.

Sicherheit im Yen und im Gold

Während die nationalen Regulierungsbehörden versuchen, ihre eigenen Banken zu schützen, schaden sie möglicherweise den Bankensystemen anderer Länder. So sind beispielsweise österreichische und italienische Banken in Osteuropa hohen Risiken ausgesetzt. Die Royal Bank of Scotland, deren Hauptaktionär mittlerweile die britische Regierung ist, engagiert sich in erster Linie im Ausland; und ein erheblicher Anteil der Immobilien in Grossbritannien wurde über ausländische Banken finanziert. Letzten Endes werden sich die verschiedenen nationalen Behörden gegenseitig schützen müssen, doch erst eine gemeinsame Bedrohung wird sie dazu bringen.

Vermögende werden sich auf der Suche nach Sicherheit immer mehr Yen und Gold zuwenden, doch könnten sie – eher beim Yen als bei Gold – auf Widerstand seitens der Behörden stossen. Und es wird zu einem Tauziehen zwischen denjenigen kommen, die nach Sicherheit streben, und jenen, die ihre Reserven einsetzen müssen, um ihre Unternehmen zu retten. Bei all diesen widerstreitenden Kräften müssen wir uns auf starke Währungsschwankungen einstellen.

Zinssätze

Wie bereits erwähnt, führt der Weg aus der Deflationsfalle zunächst über eine Inflation und ihre anschliessende Eindämmung. Das ist eine komplizierte Operation, deren Erfolg bei weitem nicht garantiert ist. Sobald die wirtschaftliche Aktivität in den USA wiederauflebt, werden die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe schiessen; die Zinsertragskurve wird diese Entwicklung vermutlich bereits vorwegnehmen. So oder so wird ein Anstieg der langfristigen Zinssätze den Aufschwung wahrscheinlich abwürgen.

Die Aussicht auf die stark erhöhte Geldmenge, aus der sich eine Inflation entwickelt, wird wohl zu einer Periode der Stagflation führen. Das wäre jedoch ein Luxusproblem und durchaus wünschenswert, weil so eine längere Depression verhindert würde.

US-Auslandschulden schwellen weiter an

Die Vorstellung, dass die US-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren eine Wachstumsrate von drei Prozent oder mehr aufweist, fällt zwar schwer, dennoch ist diese Entwicklung möglich. Die Vereinigten Staaten haben bislang ein chronisches Leistungsbilanzdefizit produziert, das in Spitzenzeiten über sechs Prozent des BIP betrug. Das wird verschwinden, stattdessen werden die USA eine schwere Bürde an Auslandsschulden schultern müssen, die durch die Haushaltsdefizite der nächsten Jahre weiter anschwellen wird.

Der Anteil des Konsums am BIP muss sinken. Der Finanzdienstleistungssektor, der bisher das am schnellsten wachsende Wirtschaftssegment darstellte, wird schrumpfen. Leider haben wir es zudem mit einem ungünstigen demografischen Trend zu tun, da die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend das Rentenalter erreichen. All das sind negative Einflüsse.

USA hinkt der Welt hinterher

Doch wir können auch positive Entwicklungen erwarten: eine gerechtere Einkommensverteilung, sowohl national als auch international. Bessere Sozialleistungen einschliesslich einer verbesserten Bildung. Eine konstruktive Energiepolitik mit umfangreichen Investitionen in alternative Energien und Energiesparmassnahmen. Geringere Militärausgaben. Ein schnelleres Wachstum in den Entwicklungsländern, das die Exportmärkte stärkt und bessere Investitionsmöglichkeiten eröffnet.

Doch selbst mit einer optimalen Politik wird das Binnenwachstum in den USA wahrscheinlich der globalen Wirtschaft hinterherhinken. Wenn ich zwischen den verschiedenen Formen wählen müsste, die eine Rezession annehmen kann, würde ich mich für ein umgekehrtes Wurzelzeichen entscheiden, bei dem der tiefste Punkt Ende 2009 erreicht wäre.

Lesen Sie auch, was George Soros über China denkt.

 

«Die Analyse der Finanzkrise... und was sie bedeutet - weltweit», George Soros, Seiten 144, ISBN 978-3-89879-500-5, Preis CHF 28.90, EUR 14.90, Erscheinungstermin: 13. Juli 2009, FinanzBuch Verlag, jetzt bestellen.

 

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