Die Zürcher Kantonalbank wagte unlängst den Tabubruch und schaffte das klassische Zielvereinbarungsgespräch ab. Das tut nun auch der Bankensofware-Hersteller Avaloq und geht noch einen Schritt weiter.

Die kürzlichen Aussagen von Martin Scholl, dem CEO der Zürcher Kantonalbank, über die Abschaffung der Zielvereinbarungen für Mitarbeiter schlugen hohe Wellen in der Branche. Nun hat ein weiterer Akteur auf dem Schweizer Finanzplatz eine Änderung der Mitarbeiterbewertungen vorgenommen.
 
Es ist der Bankensoftware-Hersteller Avaloq. «Wir haben das klassische ‹Performance Management› auf Ende letzten Jahres abgeschafft», sagte Christina Huebschen (Bild unten), globale Leiterin Human Resources bei Avaloq, im Gespräch mit finews.ch.

Huebschen 500

Zwei Hauptkriterien

Avaloq hat aber nicht nur die individuelle Benotung der Mitarbeiter über Bord geworfen, sondern grösstenteils auch den individuellen Bonus. Neuerdings bewertet sich jedes Team als Ganzes selber und zwar nach zwei Hauptkriterien: Haben wir unsere Ziele erreicht? Und: Wie haben wir zusammengearbeitet?

Abhängig vom Unternehmenserfolg fällt dann die Höhe der Mitarbeiterbeteiligung aus. Vier Fünftel der zu verteilenden Summe reicht das Unternehmen so an die Mitarbeitenden weiter. Die restlichen 20 Prozent sind für besondere Team- und Einzelleistungen «on the spot» reserviert – zum Zeitpunkt des Erfolgs, wie Hübschen präzisiert.

Somit bekommt das Team zwar mehr Mitsprache bei der Verteilung der Boni. Deren Verteilung nimmt es aber nicht selbst vor. Dies erfolgt laut Huebschen auf Grundlage der sogenannten Success Share Units. «Je nach Kompensationsstufe erhalten alle Mitarbeiter einer Avaloq Tochterfirma die gleiche Anzahl Success Share Units und somit auch denselben Einmalbetrag», erklärt Hübschen.

Ein Pilotprojekt

Der neue Modus stärkte das Wir-Gefühl innerhalb des Teams und fördere die Kooperation, heisst es bei Avaloq. Gleichzeitig erhöhe sich aber auch der Druck auf jeden Einzelnen. Denn neu ist man nicht mehr primär für seine eigene Zielerreichung verantwortlich, sondern für die gesamte Teamleistung.

Daher lassen sich auch Unstimmigkeiten zwischen den Beschäftigten nicht ausschliessen, sollten manche Kollegen der Meinung sein, einzelne Mitarbeiter würden von der Teamleistung profitieren, ohne dass sie einen signifikanten Beitrag geleistet hätten. Im Gespräch mit finews.ch betont denn auch Hübschen, dass es sich dabei um ein Pilotprojekt handle und man nun erste Erfahrungen sammle.

Beschliesse das Topmanagement dereinst, das individuelle Leistungsparadigma zugunsten des Kollektivs zu verändern, sei der Grundstein für eine vielversprechende Entwicklung der Organisation hin zu mehr Effizienz und motivierteren Mitarbeitern gelegt, so Hübschen weiter.

«Pyramide auf den Tisch legen»

Banken in der Schweiz haben diesbezüglich ohnehin noch einiges an Aufholpotenzial. Denn ihre Strukturen sind nach wie vor höchst hierarchisch, und mehrheitlich schaut jeder Beschäftigte für sich – was wiederum mit der individuellen Leistungsbeurteilung zusammenhängt.

Angesichts erodierender Margen in der Branche sind Banken gemäss Fachleuten aber gut beraten, ihre Organisationsstrukturen so umzuformen, dass sie dem Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Mitarbeitenden besser gerecht werden.

«Man sollte die Pyramide auf den Tisch legen», sagt Ralf Metz, der mit Andreas Messerli das Firmencoaching-Unternehmen me&me führt. Dies fördere eine Kommunikation auf Augenhöhe, was ein Unternehmen wiederum agiler werden lasse, erklärt Metz.

Verkrustete Machtstrukturen

Viele Banken sind in Sachen Entscheidungsfindung, Mitarbeiterbewertung und -führung aber nach wie vor nicht sehr agil. Vielmehr seien sie in alten Macht- und Kontrollstrukturen verhaftet, stellen Metz und Messerli fest, die beide vor ihrer Selbständigkeit unter anderem bei der UBS und der Credit Suisse tätig waren.

Wie weit eine Organisation entwickelt ist, lässt sich laut Messerli mit einer simplen Frage feststellen, und die lautet: «Wer trifft bei Euch die Entscheidungen?»

Alle entscheiden mit

Tatsächlich drängen heute neue Organisationsformen in die Arbeitswelt, die den traditionellen eindeutig überlegen sind, besonders hinsichtlich Innovationskraft und Mitbestimmung. Eine diesbezüglich weit fortgeschrittene Organisationsform heisst Holokratie.

Dabei wird die «Marschrichtung» nicht von wenigen Entscheidungsträgern an der Unternehmensspitze vorgegeben, sondern es sind selbstorganisierte Teams, welche die Führungs- und Entscheidungsfindung verantworten. Dieses Modell legt den Schwerpunkt auf Führunsprinzipien und nicht auf einzelnen Führungskräfte.

In der Schweiz gibt es erste Unternehmen, die sich holokratisch organisiert haben. Dazu gehören beispielsweise das Insurtech-Unternehmen Wefox (ehemals Financefox) oder die Internet-Agentur Liip.ch. Letztere funktioniert seit Herbst 2015 holokratisch. Die Firma mit Hauptsitz in Freiburg, vier weiteren Schweizer Standorten und 135 Angestellten ist seither beim Umsatz und bei der Belegschaft trotzdem um 30 Prozent gewachsen.

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