Noch nie gab es so viele junge Leute, die extrem reich sind. Darum sollten sich die Banken vermehrt mit zerschlissenen Jeans, ausgelatschten Schuhen und Skateboards befassen.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Wie muss man sich heute einen attraktiven Bankkunden vorstellen? Richtig. In zerschlissenen Jeans, ausgelatschten Schuhen und mit dem Skateboard unterm Arm. So zumindest sieht es die amerikanische Citibank. Und sie hat Recht, finde ich (vgl. nachstehende Bilder).

Citi KleinDenn noch nie gab es auf der Welt so viele junge Leute, die extrem reich sind. Verdient haben sie ihr Geld vor allem dank der technologischen Möglichkeiten, die das Unternehmertum heute enorm begünstigen. Oder sie haben ihr Vermögen mit Investments in virtuelle Währungen gemacht; ein Bereich, der in den nächsten Jahren noch markant zulegen wird.

Diese jungen Reichen sehen teilweise tatsächlich so aus, wie sie die Citibank in ihren Anzeigen darstellt. Mit ihrem «Style» sind sie die Antithese zum klassischen Private-Banking-Kunden, der nobel, konservativ und etwas ältlich daherkommt. Viele Banken haben diesen Paradigmenwechsel noch nicht erkannt. Das ist insofern verantwortungslos, als gleichzeitig auch immer mehr branchenfremde Firmen diese Klientel umgarnen und ihr Finanzdienstleistungen anbieten – im Zahlungsverkehr, bei Hypothekarkrediten oder im Investment-Bereich.

Indem sich neue Anbieter «einmischen», erhalten die Kunden interessante und zumeist kostengünstigere Alternativen, welche die Banken definitiv ersetzbar machen, vor allem jene Institute, die noch nichts begriffen haben. Stattdessen halten sie unbelehrbar an überteuerten Geschäftsmodellen fest, die darauf abzielen, den Kunden wie eine Zitrone auszupressen.

«Die neuen Reichen sind für viele Banken sehr schlecht fassbar»

Citi 224Dabei sollte sich jede Bank viel intensiver mit dem Profil jener Kunden befassen, die zerschlissene Jeans sowie ausgelatschte Schuhe tragen und mit dem Skateboard zum Termin kommen. Zugegeben, das ist nicht einfach. Doch einige Eigenschaften zeichnen diese Kundschaft relativ gut aus.

Es ist eine Klientel, die Angebote vergleicht und sich dann emotionslos für das Beste entscheidet. Dadurch sinkt die Loyalität zu einem bestimmten Institut; besonders wenn die attraktivsten Dienstleistungen nicht einmal mehr von einer Bank, sondern von einem branchenfremden Anbieter stammen.

Die neuen Reichen sind für Banken schlecht fassbar. Denn plötzlich besitzen sie sehr viel Geld, verlieren es dann aber möglicherweise wieder. Das macht es für die Finanzinstitute schwierig, diese Klientel in die klassischen Risikoprofile einzuteilen. Insofern sind neue Massstäbe gefragt, um diese Kunden recht eigentlich zu bewerten.

«Beratung holen diese Kunden immer weniger bei den Banken ab, weil sie ihnen nicht trauen»

Junge Kunden besitzen längst nicht mehr nur traditionelle Vermögenswerte wie Aktien oder Obligationen, sondern sie haben zunehmend auch Krypto-Währungen auf der Seite. Damit tun sich viele Banken schwer, verpassen aber so eine Jahrhundertchance, diese neue, aufstrebende Klientel frühzeitig zu betreuen.

Natürlich sucht auch die «Next Generation» Beratung, werden manche Private Banker einwenden, doch diese Beratung holen die Kunden immer weniger bei den Banken ab, weil sie ihnen nicht trauen, wie diverse Erhebungen regelmässig zeigen. Vielmehr suchen die jungen Leute Rat bei Freunden, in spezialisierten Communities oder direkt im Web. Wichtig ist dabei die Unabhängigkeit dieser Informationen.

Auch junge Reiche werden die eine oder andere Aktie kaufen. Doch viel mehr interessieren sie sich für alternative Anlagemöglichkeiten wie Club Deals, Private Equity und andere Investitionen, die sich weltweit aus neuen Geschäftsmodellen in der Online-Welt ergeben. Haben die Banken da genügend Know-how?

«Diskretion spielt bei jungen Leuten eine untergeordnete Rolle»

Erstaunlich, aber wahr: Die von den Banken viel gepriesene Diskretion spielt bei jungen Leuten eine untergeordnete Rolle, zumal diese Menschen seit Kindesbeinen in der digitalen Welt ihre Spuren hinterlassen haben. Zudem leben wir heute – ob wir es wollen oder nicht – in einer Welt der Transparenz, womit sich selbst junge Reiche abgefunden haben und Heimlichtuerei eher als störend empfinden.

Vor allem aber ist die neue Klientel vollkommen international ausgerichtet; sie lebt heute hier und morgen dort, so dass Finanzinstitute keinen nationalen Bonus mehr geniessen. Was am Ende des Tages zählt, ist schlicht das beste Angebot, egal, ob es nun von einem schweizerischen, einem koreanischen oder einem amerikanischen (Online-)Anbieter kommt.

«Man darf gespannt sein, wie die Schweizer Finanzinstitute darauf reagieren»

Dieser neue Pragmatismus der Kunden von morgen setzt sich in einer totalen Abkehr von ideologischen Prinzipien fort. Glamour-Marken mögen attraktiv sein, genauso aber auch Nachhaltigkeitskriterien und Konventionslosigkeit. Das Denken in Links- und Rechtsschemen ist den jungen Leute, die heute etwas erreicht haben, tendenziell fremd. Sie sind offen, um so innovativer zu sein. Das ist schwer greifbar für die meisten Banken.

In diesem Sinne trifft die amerikanische Citibank mit ihren Plakaten den Zeitgeist der neuen Bankkundengeneration sehr gut. Man darf gespannt sein, wie die Schweizer Finanzinstitute darauf reagieren.


Claude Baumann ist Mitgründer und CEO von finews.ch und finews.asia in Singapur. Er ist Autor mehrerer Bücher über die Finanzbranche, zuletzt erschien «Robert Holzach – Ein Bankier und seine Zeit» im Verlag Neue Zürcher Zeitung.


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