Viele Banken wollen die Öffentlichkeit mit freudigen Botschaften «bespassen», schreibt die Kommunikations-Spezialistin Marionna Wegenstein auf finews.first. Doch das greife zu kurz – besonders in Krisensituationen.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Seit Montagmorgen, 7 Uhr, läutet das Telefon ununterbrochen – die Enthüllungen in den Sonntagsmedien haben die Journalisten aufgescheucht. Acht Anfragen für Stellungnahmen zur aktuellen Situation von Finanzportalen, Printmedien und Blogs und eine Anfrage für ein Interview mit dem CEO am Fernsehen – aber bitte noch am Vormittag. Stimmt es, dass...? Hat die Geschäftsleitung gewusst, dass...? Was sind die Konsequenzen für Ihr Unternehmen? Denkt der CEO über einen Rücktritt nach?

So kann es zu und her gehen, wenn ein Unternehmen, nehmen wir mal an, in den Paradise Papers erwähnt wird; egal ob die «Enthüllungen» der Wahrheit entsprechen oder konstruiert sind. Und das ist erst der Anfang – sind Sie bereit?

Nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch der Finanzbereich haben sich stark verändert. Die Globalisierung und moderne Technologien haben dazu geführt, dass die Komplexität und die Risiken stark zugenommen haben. Finanzdienstleister die in ihrem Kerngeschäft selbstverständlich professionell aufgestellt sind, vernachlässigen allerdings oftmals die Kommunikation und sind dann auch nicht auf herausfordernde Situationen vorbereitet. Sie werden von den «unerwarteten» Ereignissen überrascht und reagieren schliesslich wenig koordiniert.

«In kritischen Situationen entscheidet das richtige Verhalten über die Zukunft des Unternehmens»

Entsprechend der neuen Realität, mit der sich die Bankenwelt heute konfrontiert sieht, gilt es, sich vorzubereiten. Negativschlagzeilen, das rasante Tempo des Newsflows, der regulatorische Druck und die ständig wachsenden Ansprüche an Transparenz und soziale Verantwortung verlangen im Kommunikationsbereich nach klaren Strukturen. Die Grundlagen sind eine integrierte Kommunikationsstrategie für die alltäglichen Aufgaben, ein funktionierender Krisenkommunikationsplan für den Härtefall und ein transparentes Issue-Management, um potentielle Probleme frühzeitig zu erkennen.

Besonders in kritischen Situationen entscheidet das richtige Verhalten der Verantwortlichen über die Zukunft des Unternehmens. Reputationsverluste durch kommunikativ schlecht abgewickelte Krisensituationen können immens sein. Viele Finanzdienstleister gehen davon aus, dass ihre Medienstelle vor allem die Aufgabe hat, ihr Publikum mit freudigen Botschaften zu bespassen und rundum immer für positive Schlagzeilen zu sorgen.

Eine solche Unternehmenskultur, in der Kommunikation schlichtweg mit Marketing gleichgesetzt wird, macht es den Medienverantwortlichen in Krisensituationen oftmals schwer, mit Geschäftsleitungsmitgliedern, der Rechtsabteilung oder den Risk-Management-Fachleuten auf Augenhöhe zu diskutieren. Folglich sind diese Pressesprecher dann plötzlich sehr wortkarg, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit zum Beispiel über ein mögliches Fehlverhalten des CEOs zu informieren.

«Nur so lässt sich das Risiko stressbedingter Kommunikationsfehler reduzieren»

«Abklärungen sind noch im Gange, die Lage wird analysiert, man wird sich zu gegebener Zeit zurückmelden», so lauten die gängigen Antworten, wenn sich ein unter Druck geratenes Unternehmen zurückzieht und hofft, der Sturm gehe von alleine vorüber. In einem solchen Fall können externe Berater die bestehenden Strukturen sinnvoll ergänzen und mit der nötigen Distanz helfen, den Grad der Krise richtig einzuordnen, anstehende Probleme beim Namen zu nennen und die nötigen Massnahmen einzuleiten.

Gemeinsam mit den Unternehmensverantwortlichen können, mit der richtigen Vorbereitung in krisenfreien Zeiten, Imageschäden verhindert oder wenigsten minimiert werden. Mit Hilfe vertiefter Kenntnisse der Unternehmen, sowie der Beobachtung und Vordefinition aller möglichen Kommunikationskanäle lassen sich Gefahrenpotentiale frühzeitig erkennen und in die richtigen Bahnen leiten. Es gilt dabei, im Vorfeld Botschaften zu entwickeln, die Klarheit schaffen und Perspektiven aufzeigen, damit die Informationshoheit in erfolgskritischen Situationen bewahrt werden kann. Nur so lässt sich das Risiko stressbedingter Kommunikationsfehler reduzieren.

Um mit Medienanfragen, wie den eingangs erwähnten, Schritt zu halten oder gar einen Schritt voraus zu sein, braucht es Mut, Tempo und Überzeugungskraft. Die beste Voraussetzung für ein effektives Krisenmanagement ist aber in jedem Fall ein solides und über die Zeit gefestigtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber und der Beraterin und eine enge Zusammenarbeit – auch in ruhigen Zeiten.


Marionna Wegenstein ist selbständige Kommunikationsberaterin in Zürich. Ihr Unternehmen Wegenstein Communication betreut vorwiegend Kunden aus der Finanzbranche und der Philanthropie. Sie kann auf mehr als 20 Jahre Kommunikationserfahrung im Finanzsektor zurückblicken, zuletzt als Head PR & Communication bei der Genfer Privatbank Lombard Odier in Zürich. Nach dem Studium war sie mehrere Jahre als Journalistin unterwegs, bis sie dann die Seiten gewechselt hat und in verschiedenen Firmen als PR-Verantwortliche tätig war.


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