Die Schweiz ist weit davon entfernt, ein Venture-Capital-Hotspot zu sein. Aber die verschiedenen Initiativen machen sich bemerkbar, findet Michael Bornhäusser auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Die Schweiz gibt Vollgas. Könnte man meinen, wenn man in die heimische Presse schaut: Digital Switzerland, Start Up Accelarator, Swiss Venture Club sind nur einige Institutionen, welche die Jungfirmen in ihrem Aufbau unterstützen, nicht mit Geld natürlich, sondern mit Netzwerk (Investoren), Coaching (Wie komme ich an Geld?) und coolen Wettbewerben (Wer gewinnt mehr Geld?).

Da gibt es auch noch das Crypto Valley in Zug, wo dieses Jahr sogar das echte Silicon Valley einen Kongress veranstaltet. Fintechs und die Schweiz, das sollte doch passen. Schliesslich waren wir ja auch mal einer der angesagtesten Finanzplätze der Welt, wenn auch nicht wegen der Innovationsfreundlichkeit, sondern eher wegen der Diskretion.

«Leider muss man auf die Details schauen»

Dann haben wir auch noch Big Pharma und damit den Wachstumssektor Biotech in der Schweiz. Die ETH und EPFL produzieren Spinoffs am laufenden Band in Robotik, Software, Media und Technologie. Da muss doch was gehen! Könnte man meinen, aber ist es auch so?

Sicher, es wird mehr und mehr in Schweizer Startups investiert. Laut dem Venture Capital Report waren es im vergangenen Jahr 938 Millionen Franken, was einer Verdoppelung im Vergleich zu 2014 darstellt. Leider muss man auf die Details schauen. Denn wenn man das gesamte Investmentvolumen den Startups zuordnet, sind 450 Millionen Franken in gerademal sechs Firmen geflossen, alleine 200 Millionen Franken in die Biotechfirma ADC Therapeutics.

Biotech macht 47 Prozent der Gesamtinvestitinen aus, ICT inklusive der boomenden Fintechs kommt nur auf 300 Millionen Franken. Das sind auf den ersten Blick grosse Zahlen, leider aber immer noch klein im Vergleich zu den etablierten Venture-Capital-Hotspots. In den USA wurden 2017 knapp 85 Milliarden Dollar in Venture-Capital-Firmen investiert. Die US-Westküste mit den Hotspots Silicon Valley und Los Angeles hat davon mehr als 40 Prozent abgeschöpft.

«Wenn viel Kapital im Markt ist, entwickelt sich auch die Spezialisierung»

Ein weiterer Faktor ist das Finanzierungs-System der Hotspots. Wenn viel Kapital im Markt ist, entwickelt sich auch die Spezialisierung. Ein wichtiger Faktor ist die Entwicklungsphase der Firma zum Zeitpunkt eines Investments – Seed Stage, also bevor ein Produkt am Markt ist; Early Stage, zum Zeitpunkt eines Markteintritts und Later Stage/Growth, wenn das Produkt am Markt ist und die Firma expandiert.

In den USA und anderen Venture-Capital-Hotspots (Israel, England) gibt es für jede Phase Investoren, die zu Beginn der ensprechenden Phase einsteigen. Ab der Later Stage/Growth Phase ist es absolut üblich, nicht nur dem Portfolio-Unternehmen Expansionskapital zu Verfügung zu stellen, sondern auch Early-Stage-Investoren auszukaufen, um auf diesem Weg grössere Aktienpositionen zu besitzen. Das heisst, Early-Stage-Investoren müssen nicht bis zum finalen Exit im Unternehmen bleiben, sondern können schon früher Aussteigen und das Kapital wieder in den Kreislauf bringen.

«Davon sind wir in der Schweiz weit weg, um nicht zu sagen, Lichtjahre entfernt»

So sind drei der fünf Exits, die Sallfort im Rahmen seiner Venture-Capital-Club-Deals seit 2012 realisiert hat, durch Late-Stage-Funds zustande gekommmen, die ihrerseits weiter in das Unternehmen investiert haben und die Aktien übernommen haben. Dieser wichtige Faktor für einen Venture-Capital-Hotspot benötigt natürlich allerhand Kapital und ebenso eine Vielzahl spezialisierter Investoren.

Davon sind wir in der Schweiz weit weg, um nicht zu sagen, Lichtjahre entfernt. Wenn man also investiern möchte und relativ früh in ein Unternehmen einsteigt, kann es viele Jahre dauern, bis man dieses Kaptial wieder verfügbar hat. Ein aktuelles Bespiel ist die Firma Polyphor, die kürzlich an die Börse ging. Eine Vielzahl von Venture-Capital-Investoren ist bereits mehr als zehn Jahre investiert und hatte keine Chance, früher einen Gewinn zu realisieren.

Natürlich gibt es noch weitere Faktoren, bei der sich die Schweiz als Venture-Capital-Standort schwer tut. So sind die Bewertungen bei Early-Stage-Investititionen hierzulande viel zu hoch. Das zeigen sämtliche Vergleiche mit anderen Märkten. Auch die Kosten für einen Markteintritt sind höher als in den USA oder in England, da die Startups sehr schnell internationalisieren müssen, um auf entpsrechende Firmengrössen zu kommen, und das ist teuerer als in einem grossen Heimmarkt. Auch sind die angelsächsisch geprägten Startups um einiges aggressiver und risikofreudiger als bei uns.

«Sämtliche Firmen waren in den USA und England ansässig»

Die Chance, einen erfolgreichen Exit mit einem Venture-Capital-Investment zu erreichen, ist nach wie vor bestimmend für einen Investmententscheid. Sallfort hat in sechs Jahren fünf erfolreiche Exits mit mehreren 100 Prozent Rendite und einer durchschnittlichen Laufzeit von dreieinhalb Jahren zu vollzogen. Sämtliche Firmen waren in den USA und England ansässig. Die Firmebwertungen lagen beim Verkauf zwischen 200 Millionen Dollar und 6,5 Milliarden Dollar.

Sowohl die Anzahl als auch die Verkaufspreise der Exits wären in der Schweiz zu dem Zeitpunk praktisch unmöglich gewesen, da alleine der Venture-Capital-Hotspot San Francisco in einem Monat soviele Exits über 100 Millionen Dollar verzeichnet wie die Schweiz in den vergangenen vier Jahren.

«Wir verfolgen den Schweizer Startup-Markt aufmerksam»

Fazit: Die Schweiz ist noch ein gutes Stück davon entfernt, ein Venture-Capital-Hotspot zu sein. Aber die Spezialisierung im Bereich Biotech und Fintech sowie die verschiedenen Initiativen machen sich langsam aber sicher bemerkbar. Wir verfolgen den Schweizer Startup-Markt aufmerksam, bieten Hand mit unseren internationalen Kontakten und investieren aktuell aber immer noch in den eigentlichen Hotspots.

Wenn man Zugang zu den entsprechenden Startups hat, dann sind die Erfolgsaussichten und die Kalkulierbarkeit des Investmentzeitraums immer noch um einiges besser als in der Schweiz.


Michael Bornhäusser ist Teilhaber und Managing Director der Sallfort Privatbank. Er leitet den Bereich Private Equity, Products & Services.


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