Auch in Entwicklungsländern boomen Fintechs. Die Herausforderungen bleiben indessen anspruchsvoll, insbesondere mit Blick auf die Überschuldungsrisiken, schreibt Peter Fanconi auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


In der Vergangenheit waren Menschen auf das Wohlwohlen von Busfahrern angewiesen, wenn sie Geld an ihre Familien auf dem Land schicken wollten. Dank der Entstehung von digitalen und mobilen Zahlungsmöglichkeiten sind diese Prozesse inzwischen aber einfacher und vor allem günstiger geworden.

Einer dieser digitalen Finanzdienstleister ist die Firma M-Shwari, eine Kooperation zwischen der Commercial Bank of Africa (CBA) und der kenianischen Vodafone-Tochter Safaricom. Seinen grösstenteils einkommensschwachen Kunden ermöglicht das Unternehmen, innerhalb kürzester Zeit ein Bankkonto zu eröffnen, Geld anzusparen oder einen Kredit aufzunehmen.

«Das Unternehmen hat es geschafft, ein Bestandteil des Alltags zu werden»

M-Shwari zählt heute mehr als zehn Millionen Kunden, und die CBA vergibt täglich 50’000 Kredite mittels der M-Shwari-Applikation. Das Unternehmen hat gezeigt, dass sich mobile Zahlungsdienste mittel- und langfristig zu Anbietern hochwertiger Finanzprodukte entwickeln können.

M-Shwaris Konten können nur mit Hilfe eines anderen, mobilen Zahlungsdienstes genutzt werden – mit M-PESA, einer weiteren afrikanischen Erfolgsgeschichte. In nur zehn Jahren hat es dieses Unternehmen geschafft, ein Bestandteil des Alltags der kenianischen Bevölkerung zu werden.

Die Dienstleistungen von M-PESA werden vornehmlich von Berufstätigen für ihre tagtäglichen Zahlungen und zum Überweisen von Geld an ihre Familien auf dem Land genutzt. All dies funktioniert mit einer Applikation auf dem Smartphone. In einem Land, in dem die Sicherheitslage es oftmals verhindert, Geld physisch zu transportieren, ermöglicht M-PESA einen sicheren Zahlungsverkehr. Inzwischen hat das Unternehmen allein in Kenia 19 Millionen Abonnenten; Überweisungen mit M-PESA machen fast die Hälfte des kenianischen Bruttoinlandprodukts aus.

«Die Branche weckt bei Wagniskapitalgebern grosses Interesse»

Beflügelt von diesen Erfolgsgeschichten ist Afrika zur Geburtsstätte vieler Fintechs geworden. Die Branche weckt bei Wagniskapitalgebern grosses Interesse. Schätzungen gegen davon aus, dass der Tech-Sektor von 414 Millionen Dollar im Jahr 2014 auf 608 Millionen 2018 wachsen wird.

Im Gegensatz zu anderen Regionen, in denen die Bankenlandschaft vom Aufstieg der Fintech-Industrie bedroht wird, scheinen Banken und Fintechs in Entwicklungsländern friedlich nebeneinander bestehen zu können oder sogar eine komplementäre Beziehung zu haben. Ein Grund hierfür ist, dass viele Fintechs Dienstleistungen anbieten, die der traditionelle Finanzsektor in der Vergangenheit nicht bereitgestellt hat.

Das Aufkommen von Fintechs und digitalen Kreditvergaben bringt aber auch viele neue Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Risiken einer allfälligen Überschuldung, der Transparenz und Profitabilität. Laut dem CGAP verlangen neuen Finanzdienstleister zum Teil übermässige Gebühren und Zinsen. Viele sehen sich mit steigenden Zahlungsausfällen konfrontiert – dies führt wiederum zu höheren Zinsen.

«Modelle, die auf persönlicher Beratung beruhen, verzeichnen geringere Ausfallraten»

Das Risiko einer Überschuldung der Kunden ist relativ gross, da es keine einheitlichen Informationssysteme gibt, die es den Anbietern ermöglichen würde, sich über ihre jeweiligen Kreditportfolios auszutauschen. Diese Problematik ist allerdings nicht nur in Entwicklungsländern zu beobachten.

In den USA beispielsweise erleben digitale Kreditvergabe-Plattformen vermehrt steigende Kreditausfälle (Anstieg von 1,6 Prozent Ende 2014 auf 3,2 Prozent 2017). Laut «Financial Times» hat dies zu tieferen Renditen für Investoren geführt (Rückgang von 12 Prozent 2014 auf 5 Prozent 2017). Infolgedessen hat sich der Marktwert solcher Plattformen verringert und Governance-Fragen haben die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen.

Während diese mobilen und digitalen Finanzdienstleister mit Kreditrisiken, operativen Herausforderungen und Governance-Themen zu kämpfen haben, verzeichnen Modelle, die auf persönlicher Beratung beruhen – insbesondere der Mikrofinanzsektor –, beständig geringere Ausfallraten und bieten Menschen in Entwicklungsländern einen zuverlässigen Zugang zu Finanzdienstleistungen.

«Digitale Kreditplattformen führen zu Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen»

Die Ausfallraten von Mikrofinanz-Institutionen liegen unter einem Prozent. Diese geringen Ausfallraten sind das Ergebnis eines tiefen Marktverständnisses und der persönlichen Nähe zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer.

Fintechs und digitale Kreditplattformen führen zu Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen. Sie tragen bedeutend zur Reduzierung der Transaktionskosten bei und ermöglichen den sicheren Transfer von Geld. Allerdings werden sie nicht in der Lage sein, die persönliche Interkation mit dem Kreditnehmer zu ersetzen – dem wichtigsten Teil des Kreditprozesses, der tiefe Ausfallraten, niedrige Zinsen sowie die nachhaltige Überwindung der Armut erst ermöglicht.


Der 50-jährige Jurist und Bankfachmann Peter Fanconi ist Verwaltungsratspräsident der Firma Blue Orchard, einer weltweit tätigen Gesellschaft im Bereich von Mikrofinanz zur Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern. Er präsidiert zudem den Bankrat der Graubündner Kantonalbank und amtet als Vizepräsident des Verwaltungsrats der Deutschen Bank (Schweiz).


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzSamuel GerberWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Andreas BrittMartin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas SutterTom KingWerner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Michel Longhini, Frédéric Papp, Claudia Kraaz, James Syme, Peter Hody, Claude Baumann, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert und Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw und Michael A. Welti

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.45%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
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