Die Mehrheit der Ökonomen und Finanzanalysten geht davon aus, dass die Schweizerische Nationalbank am Donnerstag den Leitzins um 50 Basispunkte erhöhen wird. Die drängendere Frage ist jedoch, was danach passiert.

An ihrer letzten Sitzung im September hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) zur Bekämpfung der Inflation den Leitzins um deutliche 75 Basispunkte auf aktuell 0,50 Prozent angehoben und damit die Zeit der negativen Zinsen in der Schweiz beendet.

Dabei ist die Preisentwicklung hierzulande im Vergleich zu den meisten EU-Ländern verhalten. Seit Juni sinken die monatlichen Inflationswerte fast kontinuierlich, mit Ausnahme eines Ausreissers nach oben im August. Im Juni betrug die Teuerung im Vergleich zum Vorjahr noch 3,4 Prozent, im Oktober und November lag der Wert bei 3,0 Prozent.

Rückläufige Inflationserwartung

Auch die Kernrate unter Ausschluss saisonaler Produkte und Energie lag zuletzt mit 1,9 Prozent vergleichsweise tief. Das dürfte den Druck auf die SNB für eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte verringern. Die Mehrheit der Ökonomen sieht eine Anhebung um 50 Basispunkte als das wahrscheinlichste Szenario; die Credit Suisse rechnet sogar nur mit einer Erhöhung um 25 Basispunkte.

Die letzte Inflationsprognose der SNB belief sich auf 3,0 Prozent für das laufende und 2,4 Prozent für das kommende Jahr. Für 2024 rechnet die Nationalbank mit 1,7 Prozent.

Grosses Gewicht

Warum sollte die SNB angesichts dieser Erwartungen also weitere Zinserhöhungen vornehmen? Zum einen ist ein Zinssatz von 0,5 Prozent immer noch historisch niedrig. Ein weiterer Aspekt sind die administrierten Preise, die nicht allein durch Angebot und Nachfrage zu Stande kommen. In der Inflationsberechnung haben sie mit rund 30 Prozent ein grosses Gewicht.

In Zeiten höherer Inflation wirken die administrierten Preise wie eine Bremse. Lässt die Gesamtinflation jedoch nach, können sie weiter steigen. Seit Juni hat sich der Anstieg der administrierten Preise nach Angaben des Bundesamts für Statistik im Oktober bis November von 0,9 auf 1,8 Prozent im Jahresvergleich verdoppelt.

Gefahr der Übertreibung

Da diese Preise in der Regel dem allgemeinen Preisdruck hinterherhinken, wird die SNB die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Ein Szenario ist, dass die SNB nach einer Anhebung um 50 Basispunkte am Donnerstag entweder eine Pause einlegt oder eine Reihe kleinerer Anhebungen in Schritten von 25 Basispunkten vornimmt.

«Nach den ungewöhnlich schnellen Zinserhöhungen bei den letzten beiden Sitzungen scheint es angebracht, das Tempo zu drosseln und die Auswirkungen der vergangenen Straffung zu beobachten. Eine solche Taktik würde das Risiko einer Überstraffung verringern», sagte EFG Senior Economist Gianluigi Mandruzzato im Gespräch mit finews.ch.

Schwierige Operation

Eine weitere Überlegung betrifft die Konjunktur. Die Konjunkturexperten des Bundes hatten ihre Prognosen für das laufende Jahr auf 2,0 Prozent von zuvor 2,6 Prozent gesenkt. Für das kommende Jahr erwarten sie ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent, was ebenfalls eine Abwärtskorrektur von zuvor 1,9 Prozent bedeutet.

Die Experten verweisen darauf, dass das schwierige internationale Umfeld wahrscheinlich einen zunehmenden Druck auf die zyklischeren Segmente der exportorientierten Industrien bedeuten. Das entspricht auch der Einschätzung der SNB vom September. Trotz dieser Entwicklungen bleibe der Schweizer Arbeitsmarkt «positiv», so die Zentralbank.

Diese Faktoren sprechen auch für die Gefahr einer Übersteuerung, die das Wirtschaftswachstum noch mehr abwürgen könnte.

Maxime Botteron, Ökonom der Credit Suisse, sieht die SNB vorsichtiger agieren. «Insgesamt sind wir nach wie vor der Meinung, dass die Inflationsaussichten eine restriktivere Geldpolitik rechtfertigen, aber es besteht unserer Ansicht nach keine Notwendigkeit für grosse Leitzinserhöhungen», schrieb er am Montag. «Die SNB wird den Leitzins am Donnerstag um 25 Basispunkte und im März um weitere 25 Basispunkte auf 1,0 Prozent anheben,» so seine Prognose.

Wechselkurse im Blick

Nachdem die SNB den Franken jahrelang als zu hoch bewertet gesehen hatte, liess sie diese Einschätzung ab ihrer Lagebeurteilung im Juni fallen. Der Franken wird von der SNB derzeit nicht als überbewertet angesehen, auch wenn er in letzter Zeit gegenüber dem Dollar und dem Euro aufgewertet hat. Sie dürfte eine weitere leichte Aufwertung begrüssen, die zur Inflationsbekämpfung beitragen wird, ohne dass die Zentralbank zu drastischeren Zinserhöhungen greifen muss.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres verzeichnete die SNB einen Verlust von 142,4 Milliarden Franken, wie sie Ende Oktober mitteilte. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte sie noch einen Gewinn von 41,4 Milliarden Franken erzielt. Der grösste Teil der Verluste stammte aus den Fremdwährungspositionen der SNB, die einen Verlust von 141 Milliarden Franken erlitten haben.

Bilanz verringern

Eine weitere Möglichkeit für die SNB, ihre Politik zu straffen, ohne die Zinssätze zu erhöhen, besteht darin, die von ihr getätigten Ankäufe von Vermögenswerten in ihrer Bilanz rückgängig zu machen. Im Moment scheint dies nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der SNB zu stehen.

Insgesamt verfügt die SNB über die nötige Flexibilität, um die zahlreichen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sie konfrontiert ist. Auf jeden Fall haben die Banken und Vermögensverwalter das Ende der Negativzinsen zumindest begrüsst.

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