Das unverbesserliche Trachten nach einem immer höheren Bonus verhindert, dass Banker zu echten Bankiers werden, schreibt finews.ch-Chefredaktor Claude Baumann auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Seit bald zehn Jahren befindet sich die Schweizer Finanzbranche im Umbruch. Vordergründig geht es dabei um Konsolidierung, Transparenz und Digitalisierung. Eine andere Entwicklung macht sich zwar in ihren Auswüchsen deutlich bemerkbar, wie die Vergütungsdiskussion rund um Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner zeigt. Doch was immer höhere Löhne bewirken, bleibt aussen vor.

Die Folgen sind indessen klar: Wegen einiger gieriger Galionsfiguren der Schweizer Bankbranche gerät ein ganzer Berufsstand in den Augen der Bevölkerung in Misskredit. Oder umgekehrt formuliert: Heute fehlen (Bank-)manager, die ihr Unternehmen glaubwürdig repräsentieren, nicht nur strategisch, sondern auch moralisch. Leute, die willens sind, Vorbild zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Was das heisst, hat Robert Holzach, der einstige Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG), bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert formuliert.

«Viele Banker sollten sich besser nicht zum Bankier berufen fühlen»

An der SBG-Generalversammlung von 1988 erklärte er: «Nur wer als Bankier aus der Welt der blossen Dienstleistung und aus der Rolle als Vollzugsperson ausbricht, wird seiner unternehmerischen Verantwortung gerecht.» Damit stellte er indirekt auch klar, dass sich viele Banker besser nicht zum Bankier berufen fühlen sollten. Doch genau das ist heute der Fall.

Zahlreiche Top-Manager, besonders in der Finanzbranche, klammern sich an Plattitüden und geben sich so der Illusion hin, alles im Griff zu haben, wie auch verschiedene Aussagen von Rohner dokumentieren – Sätze wie: «Wir haben einen guten Job gemacht», «Das Hin und Her um die Boni ist letztlich eine philosophische Frage» oder «Persönlich haben wir eine weisse Weste».

Das ist reinster Zynismus. Der Wahrheit näher war Holzach auch da, als er 1986 in sein Tagebuch notierte: «Wer ein sauberes Hemd hat, braucht keine weisse Weste.» Daran mangelt es heute in der Finanzbranche: an Sauberkeit und Ehrlichkeit. Stattdessen herrscht bei vielen Verantwortungsträgern die Meinung vor, das Ziel der eigenen Bestrebungen liege einzig darin, sich ein möglichst hohes Salär zu sichern, während die unternehmerischen Leistungen zu wünschen übrig lassen. Wer nur mit Geld wiederum Geld erwirtschaftet, war für Holzach ein «numismatischer Erbsenzähler».

«Heute geht es darum, sich mit taktischer List über die Runden zu bringen»

Unter diesen Prämissen ist es nicht verwunderlich, wenn die Öffentlichkeit kein Vertrauen mehr in solche Leute hat. Verantwortung zu übernehmen, ist eine «gesteigerte Verpflichtung, sich auch in Haupt- und Nebenwirkungen mit dem Unternehmen zu identifizieren. Verantwortungsgefühl schliesst Unbekümmertheit aus», formulierte Holzach glasklar.

Wer Robert Holzach zitiert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Vergangenheit zu verklären. Doch das greift zu kurz. Denn niemand behauptet, dass früher keine Fehler begangen wurden. Aber auf den obersten Chefetagen herrschte noch eine andere Haltung zum Geschäft. Sie war von persönlicher Leidenschaft geprägt, von Anteilnahme sowie vom Willen und der Motivation einen überdurchschnittlichen Job zu leisten – und von einer gesellschaftlichen Mitverantwortung.

Das fehlt heute. Eher geht es darum, sich mit taktischer List über die Runden zu bringen. So kann von Langfristigkeit kann kaum mehr die Rede sein. Oder wie es der einstige SBG-Präsident einmal umschrieb: «Ein ungestörtes Verhältnis zu den Werten jenseits von Angebot und Nachfrage ist sozusagen das minimale Erfordernis im Rahmen der unternehmerischen Verantwortung eines Bankiers.»


Claude Baumann ist Mitgründer und Chefredaktor von finews.ch und finews.asia in Singapur. Er ist Autor mehrerer Bücher über die Finanzbranche, zuletzt erschien «Robert Holzach – Ein Bankier und seine Zeit» im Verlag Neue Zürcher Zeitung.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Frédéric Papp, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Guido Schilling, Adriano B. Lucatelli, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Dan Steinbock, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch und Robert Hemmi.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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