Es war einer der ersten Entscheide von Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam: Raus aus dem US-Wealth-Management. Die Absicht war allerdings nur halbherzig – und der Schuss ging nach hinten los.

Am WEF in Davos sagte es Tidjane Thiam, CEO der Credit Suisse (CS), erneut: Der Ausstieg aus dem Private Banking in den USA sei eine strategische Entscheidung gewesen. «Ich habe es mehrmals öffentlich gesagt: Unser Appetit, es mit J.P. Morgan, Bank of America und anderen in Amerika aufzunehmen, ist begrenzt.»

Die Aussage lässt nur wenig Raum für Interpretation. Allerdings wälzt die CS neuerdings wieder Pläne, wenigstens in Miami Wealth-Management-Dienstleistungen anzubieten, wie finews.ch berichtete. Ausserdem hat die CS nie aufgehört, superreichen Privatkunden in den USA mit Dienstleistungen aus ihrer Investmentbank zu servieren.

Thiam wollte nur die Kundenberater loswerden

Doch nun kommt heraus, dass die CS gar nie vorhatte, gänzlich aus dem US-Wealth-Management auszusteigen. Vielmehr: Der Grund für den Verkauf der Einheit an die US-Grossbank Wells Fargo war nicht strategischer Art.

Thiam wollte schlicht die teuren Kundenberater auf billige Art loswerden und sich gleichzeitig die Option offen halten, das Geschäft wieder mit neuen Beratern und neuen Arbeitsverträgen hochzufahren.

Die Nachrichtenagentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) zitiert aus Dokumenten, welche im Zuge der laufenden Schiedsgerichtsverfahren zwischen ehemaligen Kundenberatern und der CS nun öffentlich geworden sind.

Darüber wird geschwiegen

Demnach schrieb Thiam am Tag der Verkaufsmeldung der CS-Einheit an Wells Fargo dem damaligen US-Chef Robert Shafir, es sei nicht der Plan, die superreichen US-Kunden aufzugeben, sondern diese weiterhin mit Investmentbank-Services zu bedienen. «Wir wollen nicht per se ins Wealth Management zurückkehren», so Thiam. «Wir könnten uns darauf einigen, über diesen Punkt zu schweigen.»

Thiams hatte nachgerechnet und das für das US-Wealth-Management klassische Muster entdeckt: Aufgrund der Kompensationsregeln in den USA verdienen die Kundenberater am Umsatz, den sie erzielen. Bei der CS sollen dies rund 42 Prozent der Erlöse gewesen sein. Damit verdienten die Kundenberater mehr am Geschäft als die CS-Aktionäre, zog der CS-CEO den Schluss. Er begründete den Verkauf an Wells Fargo vor Aktionären denn auch damit, dass die Profitabilität im US-Wealth-Management zu wünschen übrig liesse.

Obwohl «Bloomberg» aus Dokumenten zitiert, bezeichnet eine Sprecherin der CS die Geschichte als «absolut unglaubwürdig»: «Wir haben unser US-Privatkundengeschäft wie im Jahr 2015 angekündigt vollständig aufgegeben.»

Eine Rückkehr mit anderer Lohnstruktur

Tatsächlich kämpft auch die UBS mit einer deutlich schlechteren Rentabilität im US-Geschäft als in übrigen Wealth-Management-Märkten. Gleichwohl sind die USA der grösste und lukrativste Vermögensverwaltungsmarkt der Welt. Thiam, so «Bloomberg», habe in Erwägung gezogen, den Wiedereintritt ins US-Geschäft mit einer anderen Lohnstruktur zu vollziehen.

Kronzeuge dieser Darstellung ist David DeNunzio, ein früherer M&A-Banker bei der CS unter Shafir. Im laufenden Schiedsgerichtsverfahren mit zwei ehemaligen CS-Kundenberatern sagte er, die Option einer Rückkehr mit einem anderen Kompensationsregime, also mit Jahressalären und Boni, sei tatsächlich diskutiert worden. Von einer strategischen Warte aus habe die CS den US-Markt gar nicht aufgeben wollen.

Nur ein Drittel akzeptierte die Bedingungen

Klar geworden war bereits kurz nach dem Verkauf an Wells Fargo, dass Thiams Plan, die teuren CS-Advisors loszuwerden, gründlich daneben gehen würde. Als nämlich der Deal mit Wells Fargo gesetzt war, stellte die CS ihre Private Banker vor die Wahl: Entweder akzeptiert ihr die Bedingungen des neuen Arbeitgebers, oder ihr wechselt zur Konkurrenz, womit der Anspruch auf die aufgeschobenen Lohnbestandteile verloren geht.

Weit über 200 der insgesamt 336 CS-Advisors wählten die zweite Option. Die UBS alleine holte über 100 der Berater von ihrer Schweizer Konkurrentin, was diese veranlasste, bei der US-Aufsicht Beschwerde einzulegen.

Die Kundenberater zogen wegen der verfallenen Boni nun gegen ihre frühere Arbeitgeberin ins Feld. Eine Sammelklage über 300 Millionen Dollar konnte die CS noch abwenden. Doch abseits der Öffentlichkeit laufen die einzelnen Schiedsgerichtsverfahren, wovon die CS vereinzelte auch verloren hat und in Berufung gegangen ist.

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