Die Credit Suisse darf nur mit angezogener Bremse wirtschaften, solange keine Klarheit über ihre Risikokontrolle herrscht. Dabei müsste sich die CS für die Zukunft fit machen. finews.ch zeigt, warum sie das derzeit nicht kann.

 1. Verwaltungsrat ist mit Feuerlöschen absorbiert

Anstatt die Strategie der «Wachstumsphase» bei der Credit Suisse (CS) umzusetzen, muss der Verwaltungsrat sich nach dem Debakel um Greensill und Archegos um die Stabilisierung der Grossbank kümmern. Der vergangenen April frisch gewählte Präsident António Horta-Osório stösst von aussen her zum Unternehmen; der ihm unterstehende Verwaltungsrat bringt ebenfalls nur begrenzte Kenntnisse bezüglich der institutionellen Mechanik am hiesigen Finanzplatz mit: Nur vier von zwölf Verwaltungsräte sind Schweizer, zwei von diesen leben in den USA.

Zudem ist es im Gremium unlängst zu diversen Abgängen gekommen. Neben Ex-Präsident Urs Rohner gingen Joaquin Ribeiro und John Tiner; Andreas Gottschling demissioniert im April auf Druck der Investoren. Neu hinzu gestossen sind die Prüf-Expertin Clare Brady und die Ex-Bankerin und Fintech-Pionierin Blythe Masters. Sie alle müssen sich mitten in einer schweren Krise für die Bank als schlagkräftiges Team neu finden.

2. CEO Thomas Gottstein: Lame Duck

Er ist der Mann, der CS-Angestellten und übrigen Stakeholdern, die katastrophalen Engagements bei Greensill und Archegos erklären musste. Doch CEO Thomas Gottstein muss die Worte vorsichtig wählen. Schuldzuweisungen und forsche Ansagen können sich in seiner Position als Bumerang erweisen. Gottsteins Chefstuhl wackelt und sein Ansehen in der CS und bei Aktionären ist angeschlagen. Daran ändert auch das Bekenntnis des neuen Verwaltungsratspräsidenten Horta-Osorio nichts, mit dem bisherigen CEO weiter arbeiten zu wollen.

Fakt ist: Solange die Untersuchungen des Verwaltungsrats, der Finma und der anderen externen Prüfer andauern, kann sich Gottstein nicht sicher fühlen. Sein Handlungsspielraum ist somit massiv eingeschränkt – zumal sich seine angekündigte Wachstumsstrategie erübrigt hat.

3. Eine Geschäftsleitung in der Vergangenheitsbewältigung

Dass die Archegos und Greensill keine Einzelfälle, sondern die Folgen einer strategischen Fehlleistung sind, zeigt nur schon der Fakt, dass von der zwölfköpfigen Konzernleitung der CS mindestens acht Mitglieder nun mit der Aufarbeitung absorbiert sind: Gottstein als CEO, CFO David Mathers mit der Frage des Eigenkapitals, Joachim Oechslin mit dem Wiederaufbau des Risikomanagements, General Counsel Romeo Cerutti mit den Klagen der CS und mit der heran rollenden Klagewelle von Investoren, Ulrich Körner mit den Greensill-Rückzahlungen und den strategischen Fragen um das Asset Management, Philipp Wehle mit geprellten reichen Privatkunden und dem Wiederaufbau von Vertrauen und Reputation, Christian Meissner mit dem Deleveraging in der Investmentbank und dem Abwenden einer Abgangswelle frustrierter Händler und Asien-Chef Helman Sitohang mit der Prüfung von kritischen Kundenbeziehungen als Folge der One-Bank-Strategie.

Mit anderen Worten: Anstatt sich mit der Zukunft und der bitter notwendigen Transformation beschäftigen zu können, muss die CS-Konzernleitung die Vergangenheit bewältigen.

4. Investmentbank: Fuss auf der Bremse

Die Investmentbank der CS hat im ersten Jahresquartal den Ertrag um 80 Prozent gesteigert. Damit übertraf sie die kühnsten Erwartungen. Allerdings erfolgte im Geschäft mit Finanzinvestoren (Prime Brokerage) auch ein katastrophaler Verlust: Das Debakel mit der New Yorker Finanzfirma Archegos von letztem März schlug mit 4,7 Milliarden Dollar Verlust zu Buche. Die CS traf es damit schlimmer als jede andere involvierte Bank.

Rekordertrag und krachender Verlust hängen insofern zusammen, als die CS-Investmentbank im ersten Jahresviertel ihre Risiken (gemessen an den Risikogewichteten Aktiven RWA) um knapp 12 Prozent auf 93 Milliarden Franken steigerte. Dies, weil die Sparte ihre Volumen ausdehnte. Doch jetzt klemmt dieses Gaspedal für den Ertrag: Wie die Grossbank am (gestrigen) Donnerstag vermeldete, sind die RWA sowie die zur Verfügung stehenden Kredithebel für Kunden solange eingeschränkt, wie eine bankinterne Untersuchung des CS-Verwaltungsrats zu den Risiken andauert. Also auf unbestimmte Zeit.

Eine Wiederholung des (vermeintlichen) Ertragswunders vom ersten Quartal wird der CS dieses Jahr deshalb nicht wieder glücken.

5. Private Banking: Leise treten bei den reichen Kunden

Die Risiko-Restriktionen gelten für die ganze Bank, also auch fürs Kerngeschäft mit der Vermögensverwaltung. Der Vergabe von Lombard-Krediten an reiche Privatkunden – ein von der CS bis dato gerne genutzter Ertragstreiber – sind damit ebenfalls Grenzen gesetzt. Das gleiche gilt für Privatmarkt-Investments, bei denen die Bank teils selber ihre Bilanz ins Spiel bringen muss.

Wegen des Debakels um die geschlossenen Greensill-Fonds, die allem Anschein nach breit an die Private-Banking-Klientel vertrieben wurden, muss die Grossbank bei den Kunden besonders leise auftreten. Bisher hat die CS-Führung sich standhaft geweigert, die Anleger der Greensill-Fonds zu entschädigen, und setzte auf die Rückführung liquidierter Fondsvermögen. Erst die Hälfte der Gelder ist so an die Investoren zurückgeflossen. Und nun stehen wohl die wirklich kniffligen Liquidationen bevor.

CS-Chef Gottstein hat wiederholt gewarnt, dass es im Zusammenhang mit Greensill zu Geldabflüssen bei der Bank kommen könnte. So oder so lassen sich mit einer verärgerten Kundschaft keine grossen Stricke zerreissen.

6. Die Finma-Prüfer durchkämmen die Bank

Die Beziehungen zur Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) haben sich wegen «Spygate» bei der Grossbank bereits merklich abgekühlt – die Aufsicht hat wegen der Bespitzelung von Bankmitarbeitern ein Enforcement-Verfahren gegen die CS eingeleitet. Aufgrund der Vorfälle um Archegos und Greensill beim Institut hat die Finma nun Prüfer bei der CS eingesetzt und weitere Verfahren gestartet; ebenfalls hat die Behörden dem Geldhaus einen zusätzlichen (Pillar 2)-Kapitalpuffer von fast 2 Milliarden Franken auferlegt, um sich gegen weiter Rückschläge abzusichern.

Die Finma befindet sich selber in einer Übergangsphase: Der langjährige und erprobte Direktor Mark Branson hat die Behörde Richtung Deutschland verlassen.

7. Was bleibt für die Digitalisierung übrig?

Im Rahmen seiner Strategie der «Wachstumsphase» wollte Bankchef Gottstein ab 2021 das Kunststück vollbringen, sowohl zu sparen wie auch zu investieren. Wie das geht, zeigte die CS letztes Jahr: Aus Einsparungen wie der Verkleinerung des Schweizer Filialnetzes und der Integration der Neuen Aargauer Bank machte das Institut Mittel flüssig, aus denen 600 Millionen Franken unter anderem der IT-Erneuerung zugute kommen sollten.

Das war vor dem Doppelschlag Greensill-Archegos. Mit dem Konzernverlust im ersten Quartal und der geltenden Risiko-Bremse ist die CS nochmals deutlich schmalbrüstiger aufgestellt und muss peinlich auf ihr Eigenkapital achten. Geld auszugeben für noch nicht rentable Vorhaben wie die Banking-App CSX in der Schweiz, erscheint da fast schon als Sünde.

 

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