Erstmals berichtet Thomas Gottstein aus der Ich-Perspektive über das Doppel-Debakel mit Greensill und Archegos bei der Credit Suisse. Glaubt man dem CEO, wurde die Bank auch hinters Licht geführt – er selber will jetzt Tabus anrühren.

Es tue ihm sehr leid für alle Interessengruppen der Credit Suisse (CS), die in den letzten fünf Wochen zweimal enttäuscht worden seien: Das erklärte Bankchef Thomas Gottstein in seinem ersten Presseinterview nach dem «Trading Update» und den Veränderungen beim Institut vom (gestrigen) Dienstag.

Keine Prognose für 2021

«Was mich angeht, ich fühle mich wie ein Skirennfahrer, der eine Saison lang Verletzungspech hatte, sich zurückgekämpft hat, super in Form ist und im ersten Rennen mit bester Zwischenzeit ausfällt und sich nochmals das Kreuzband reisst», erklärte er der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig).

Dass der Archegos-Verlust von 4,4 Milliarden Franken für ihn inakzeptabel ist, hatte Gottstein bereits am Dienstag erklärt. Der Fall zieht einen Verlust im ersten Quartal nach sich – fürs Gesamtjahr wollte der CS-CEO im Interview nun keine Prognose machen. Hingegen versprach der Schweizer, der die Grossbank seit Februar 2020 anführt, die «nötigen Konsequenzen» zu ziehen – ohne Tabus.

Investmentbank muss noch Federn lassen

So würden nun aus gewissen Teilen des Investmentbanking weiter Risiken herausgenommen. Dazu gehöre, sagte der Konzernchef, «sicher» das Prime-Services-Geschäft. Dieses hatte der Bank mit Finanzierungen für die US-Finanzfirma Archegos im vergangenen März den Milliardenverlust eingebrockt.

Hingegen tut sich der CEO sichtlich schwer, auch die One-Bank-Strategie der CS, derzufolge diverse Sparten denselben Kunden bedienen, zur Disposition zu stellen. Gottstein sagte zwar: «Es gibt keine heiligen Kühe. Ich gehe davon aus, dass mit einem neuen Präsidenten auch eine Strategieüberprüfung vorgenommen wird, wie dies üblich ist.» Hingegen zeigte er sich überzeugt, dass das One-Bank-Modell die CS risikomässig besser positioniere.

Bedauern für Urs Rohner

Hingegen gab Gottstein zu, dass sein Plan, ab 2021 die Wachstumshebel beim Institut umzulegen, vom Doppel-Debakel durchkreuzt worden ist. «Greensill und der Hedge-Fonds werfen uns zurück, und es stellen sich Fragen zu unserer Strategie. Wir werden die Ereignisse mit dem Verwaltungsrat analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen.» Er bedaure es dabei ausserordentlich, dass Präsident Urs Rohner, der Ende April als CS-Präsident von António Horta-Osório abgelöst wird, «unter diesen Umständen abgeben muss».

In den internen Untersuchungen, die Rohner kurz vor Ende seiner Amtszeit noch ausgelöst hat, erhärtet sich derweil der Verdacht, dass die Bank in der Causa Greensill hinters Licht geführt worden ist.

Greensill Capital und Makler warnten nicht

Sicher sei, sagte Gottstein, dass der Versicherer Tokio Marine die CS-Fondspartnerin Greensill Capital bereits letzten Sommer informiert habe, dass er die Versicherungen per Ende Februar nicht verlängern werde. «Unsere Risiko-Chefin Lara Warner wurde erst am 22. Februar über das Auslaufen der Versicherung informiert», so der CS-CEO weiter. «Wir hatten vorher bei Greensill und auch bei unserem Versicherungsmakler nachgefragt. Sie haben uns nichts dazu gesagt.»

Nun prüfe man «alle Optionen» gegenüber den ehemaligen Geschäftspartnern.

Professionelle Kunden

Nicht in den Mund nahm Gottstein allerdings mögliche Entschädigungszahlungen an die Greensill-Investoren, die vor Wochen noch als Kulanz in der Luft lagen. Stattdessen will die CS dafür kämpfen, möglichst viele Kundengelder zurückzubekommen. «Bei unseren Kunden handelt es sich um professionelle Anleger. Im Rahmen ihrer Portfolio-Diversifizierung haben viele dieser Kunden nur 5 oder 10 Prozent ihrer gesamten Gelder, die sie von uns verwalten lassen, in diese Fonds angelegt», relativierte der Bank-Chef.

Aber auch Gottstein musste zugeben: «Es tut trotzdem weh.»

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