Von wegen heiss umworben: Wie Recherchen von finews.ch zeigen, ist die Zahl der Kundenberaterinnen und Kundenberater bei führenden Schweizer Instituten seit Jahren rückläufig. Auch in der Königsdisziplin des Swiss Banking gelten neue Realitäten.

Wenn Philipp Rickenbacher am Donnerstag zur Strategie der Privatbank Julius Bär berichtet, werden Beobachter genau hinhören, was der CEO zu seinen Kundenberatern zu sagen hat. Seit er im Herbst 2019 die Zügel bei Julius Bär übernommen hat, bewies Rickenbacher eine überraschend harte Hand gegenüber den Private Bankern an der Front. Walteten die Bär-Banker einst wie kleine Könige, setzte der neue CEO Anfang 2020 ein Stellenabbau-Programm durch, in Zuge dessen Dutzende Frontleute ersetzt wurden.

Mehr mit weniger

Auch seither hat die Zahl der Kundenberaterinnen und Kundenberater beim Zürcher Traditionshaus stets abgenommen (siehe Tabelle unten). Waren auf dem Zenith Ende 2018 noch 1’501 von ihnen für die Privatbank tätig, sind drei Jahren später einer von sechs Private Bankern nicht mehr für die renommierte Adresse tätig.

Das Kalkül Rickenbachers ist dabei aufgegangen, bisher. Wie das Jahresergebnis 2021 offenbarte, haben die verblieben Banker mehr Vermögen gestemmt und erwiesen sich auch noch als produktiver: Julius Bär präsentierte einen Rekordgewinn. Der CEO hat scheinbar eine Formel gefunden, die für das Unternehmen bestens funktioniert.

Schwierige Zeiten

Findet diese Strategie am Donnerstag eine Fortsetzung? Dazu wollte sich Julius Bär auf Anfrage nicht äussern, bevor man die Wachstumspläne für die nächsten Jahre präsentiert habe. Dem Institut zufolge wurde aber im bisherigen Jahresverlauf keine höhere Fluktuation bei den Kundenberatern festgestellt. Diese bewege sich auf dem Niveau der Vorjahre.

Auch die weltgrösste Privatbank – die UBS – bekennt sich auf Anfrage aufs Wachstum und auf die Bedeutung vom Personal an der Front. Gerade in schwierigen Zeiten sei es besonders wichtig, den Kunden nahe zu sein und diesen mit Rat und Diensten zur Seite zu stehen. «Dazu braucht es gute Kundenberater», sagt ein Sprecher.

Doch davon sind, wie der Blick auf die vergangenen fünf Jahre offenbart, bei der Grossbank immer weniger zugange.

Kundenberater 500 D

Natürliche Fluktuation genutzt

So beschäftigte die Globale Vermögensverwaltung (GWM) im ersten Jahresviertel 2022 noch 9’300 Kundenberater. Das ist zwar mehr als das Vierfache dessen, was die Erzrivalin Credit Suisse (CS) in ihrer Sparte Wealth Management ausgewiesen hat. Doch deutlich weniger als der Wert im Jahr 2018, als die Sparte GWM als neue Superdivision bei der UBS aus der Taufe gehoben wurde. Zum Jahresende 2018 zählte die UBS noch 1’377 Beraterinnen und Berater mehr im Geschäft mit reichen Privatkunden.

Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen hat sich seither ihre Anzahl von Quartal zu Quartal verringert. Auf die letzten drei Jahre besehen hat dabei die Region Asien-Pazifik mit einer Verminderung um 17 Prozent den grössten Aderlass erfahren. In Europa, dem Nahen Osten und Afrika (Emea) ging die Zahl der Berater um 11 Prozent zurück, in Amerika und der Schweiz um rund 5 Prozent. Wie die UBS betont, seien keine Jobs gestrichen worden. Stattdessen hat das Geldhaus die natürliche Fluktuation genutzt und Stellen nicht mehr besetzt.

Eine Folge der Digitalisierung

Wenn die globale Marktführerin im Private Banking mit weniger Frontpersonal auskommt, ist das von Bedeutung. Dies umso mehr, als der durchschnittliche Ertrag pro Kundenberater bei der UBS dabei Jahr für Jahr um 4 Prozent gestiegen ist. Es ist dieselbe Erfahrung, die man auch bei Julius Bär gemacht hat.

Aus Sicht der Grossbank ist die gesteigerte Leistung ein Folge des Einsatzes neuer Technologien und effizienterer Prozesse; ein internes Programm namens Client Time hilft den Kundenberatern etwa, die administrative Arbeit zu verkürzen – die Rede ist von einer halben Stunde pro Tag.

Während die UBS unter ihrem CEO Ralph Hamers an der Technologie-Führerschaft in der Branche arbeitet, setzt die Zürcher Privatbank EFG International voll auf den Faktor Mensch. Das Geschäftsmodell will es so: Die so genannten Client Relationship Officer (CRO) bilden das Rückgrat der Bank und wirken wie Unternehmer im Unternehmen. Aber auch bei EFG ist ihre Zahl seit drei Jahren insgesamt rückläufig.

Die Konstante bei der CS

Bei der Bank heisst es zwar, man sei weiterhin auf der Suche nach fähigen CRO. Allerdings hat das Institut seit dem Jahr 2018 eigenen Angaben zufolge die verwalteten Vermögen pro Kundenberater fast um die Hälfe (42 Prozent) gesteigert. Auch EFG fährt damit bestens, wie der Ausweis für das Jahr 2021 zeigte.

Davon kann bei der CS hingegen keine Rede sein. Nach einer Serie interner und externer Debakel ist das operative Geschäft auch in der Sparte Wealth Management angeschlagen. Wie der Blick zurück über die letzten vier Jahre zeigt (die Angaben sind jeweils auf den Zuschnitt der heutigen Sparte Wealth Management umgerechnet), erwiesen sich aber gerade die Kundenberater als Konstante. Inmitten schwerer Turbulenzen und diversen Restrukturierungen hat ihre Zahl kaum geschwankt – zumindest scheint es so.

Wie bei der CS zu erfahren war, ist die Zahl der Berater auch gestiegen, weil diverse Abteilungen innerhalb der Bank in die Einheit Wealth Management integriert wurden. Anderseits schafft es die CS offenbar weiterhin, Abgänge zu ersetzen. Auf das erste Quartal 2022 hin hat die Anzahl Berater im Wealth Management gar noch zugenommen.

Bei Pictet hat es noch Platz

Klar nach oben zeigt der Trend derweil bei Pictet, wo im Wealth Management über die letzten fünf Jahre immerhin ein Viertel mehr Stellen geschaffen wurden. Dass am neuen Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse gleich zu Anfang 100 Plätze mehr zur Verfügung standen, als besetzt werden konnten, durfte durchaus als Ansage verstanden werden: Unter der Nase der Zürcher Grossbanken wollen die Genfer in der Limmatstadt expandieren. Un das neue Hauptquartier in der Rhonestadt, das sich noch im Bau befindet, soll dereinst 3'000 Mitarbeitende auf 54'000 Quadratmetern Fläche vereinen.

Eingestellt wird auch weiter oben an der Bahnhofstrasse 9, wo die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ihr Hauptquartier hat. «Generell haben im Private Banking der Zürcher Kantonalbank die Anfragen nach komplexeren Beratungen zugenommen», erklärt einer Sprecherin auf Anfrage. «In diesem Segment sehen wir grosses Potential und bauen den Bereich deshalb systematisch weiter aus.»

In der Folge sind seit dem Jahr 2017 die Betreuungs- und Beratungsressourcen im Segment um rund 10 Prozent erhöht worden. Zahlen zum Bestand nennt die Staatsbank zwar nicht; es darf aber von über 100 Berater-Stellen im Private Banking ausgegangen werden.

Leider fehl am Platz

Mit dem Ausbau unterstreicht die ZKB nach eigener Aussagen den Anspruch, im Private Banking eine führende Rolle zu übernehmen – sinnigerweise steht das Geschäft beim Institut unter der Oberaufsicht von Florence Schnydrig Moser, einer einstigen CS-Kaderfrau.

Noch finden Private Banker, die sich von den Grossen Häusern wegbewegen, also eine Heimat. Doch mit den steigenden Ansprüchen an Produktivität und Grösse der Kundenbücher präsentiert sich der Wechsel zunehmend schwierig. Das bestätigt der Chef eine grösseren Privatbank in Zürich im vertraulichen Gespräch. «Wenn ein Jungbanker mit glänzenden Augen zu uns kommt, und sagt, er könne 20 Millionen Franken an Vermögen bringen, ist er bei uns leider fehl am Platz.»


Mitarbeit: Andrew Isbester, Roger Sandmeier (Grafik)

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