Der Kurszerfall der Schweizer Bank-Aktien zu Wochenbeginn lässt vermuten: Für die Branche bergen die Folgen des Kriegs in der Ukraine noch manches Risiko. finews.ch benennt die Brennpunkte.


1. Wie gewonnen, so zerronnen

Die Schweizer Vermögensverwalter konnten 2021 ein ausgezeichnetes Geschäftsjahr verbuchen. Die Volumina wie auch die Gewinne legten oft zweistellig zu. Bei den börsenkotierten Instituten spiegelte sich dies in den Aktienkursen wider. So kletterte der Wert der UBS-Titel in den zwölf Monaten vor dem Ukraine-Krieg um mehr als 22 Prozent. Analysten der US-Bank J.P. Morgan sahen den Kurs schon bei 23 Franken.

Doch nun zeigt der Trend bis auf Weiteres in die andere Richtung. Innert Monatsfrist ist der Kurs um 15 Prozent gefallen. Auch andere Schweizer Bankwerte wurden von der Ukraine-Krise heftig zerzaust: Minus 14 Prozent für die Credit Suisse, Minus 14,5 beim Kurs der Privatbank Julius Bär und des Investmenthauses Vontobel.

Monatelange Aufbauarbeit beim Anlegervertrauen ist so innert Tagen entflogen, was mit Blick auf das bislang bekannte «Exposure» der Schweizer Banken gegenüber Russland überzogen erscheint. Doch nicht zu vergessen ist, dass die wirklich einschneidenden Sanktionen des Westens fast ausschliesslich auf den Finanzsektor zielen.

2. Wo die Oligarchen sind

Infolge von Medienenthüllungen und Unternehmensmeldungen ergibt sich allmählich ein Bild, wie dicht die Beziehungen zwischen den Schweizer Banken und russischen Kunden sind. So wurden Konti von sanktionierten Oligarchen bei der Credit Suisse und Julius Bär verortet; die UBS berichtete am gestrigen Dienstag, dass man eine «kleine Anzahl von Global Wealth Management-Kunden» identifiziert habe, die von den kürzlich eingeführten Sanktionen betroffen sind. Auf diese würden ausstehende Kredite von insgesamt weniger als 10 Millionen Dollar entfallen.

Dies gegenüber einem Russland-Länderrisiko von 634 Millionen Dollar über alle Geschäftsbereiche der Grossbank hinweg. Notabene: Sogar die Schweizerische Nationalbank (SNB) sitzt auf russischen Wertschriften im Gegenwert eines dreistelligen Millionenbetrags.

Darüber hinaus verweisen Schätzungen auf die Bedeutung der Schweiz für superreiche Russen, für die das Land neben «Londongrad», Zypern, Singapur und Dubai einen wichtigen Hub bildet. Am Ende des dritten Quartals 2021 hielten russische Personen, Firmen und öffentliche Körperschaften insgesamt 11 Milliarden Dollar an Vermögen in der Schweiz, wie Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel zeigen. Doch die Summen könnten viel höher liegen – Schätzungen zu den Gesamtvermögen bei Schweizer Instituten gehen bis zu 150 Milliarden Dollar. Es gibt also auch ausserhalb der Sanktionslisten einiges zu verlieren für die hiesigen Akteure.

3. Erstmals Pariahs unter den Schweizer Banken

Werden die Rügen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zur Messlatte genommen, dann haben sich namhafte Schweizer Banken in den vergangenen Monaten so einiges zuschulden kommen lassen. Mängel in der Abwehr von Geldwäscherei, zweckentfremdete Kredite, ja gar aktive Verschleierung – die Liste ist lang. Unter Bankern wurde dies mit einem Schulterzucken hingenommen. Denn man weiss: Wer ohne Sünde ist, möge den ersten Stein werfen. Hinsichtlich der Schweizer Niederlassungen der russischen Finanzinstitute Gazprombank und Sberbank hat die Branche nun aber einen historischen Entschluss gefasst: Nur Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine hat die Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) die Institute aus dem Verband ausgeschlossen.

Dies unter anderem mit der Begründung, Integrität und Reputation seien wichtige Schlüsselfaktoren für den Finanzplatz. Das mag wohlgemeint sein; dennoch nimmt sich der Rauswurf der Russen-Banken als eine politische Massnahme aus, die sich noch herumsprechen wird. Derweil muss sich die Branche überlegen, ob das Reputation-Management nun fester Bestandteil des Standortwettbewerbs werden soll.

4. Wenn der Hub des Rohstoffhandels hustet…

Russland ist eines der rohstoffreichsten Länder der Welt, die Schweiz mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent eine der wichtigsten Drehschreiben im internationalen Rohwarenhandel. Angesiedelt sind Schweizer Rohstoffhändler wie Glencore, Trafigura, Vitol und Gunvor vor allem im Kanton Zug und in Genf. Die Schweiz ist ein wichtiger Umschlagplatz insbesondere für russisches Öl und Ölprodukte, aber auch ein bedeutsamer Handelsplatz für russisches und ukrainisches Getreide.

Die «NZZ» berichtete kürzlich, dass etwa 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz laufen; dem «Grundlagenbericht Rohstoffe» des Bundes aus dem Jahr 2013 erfolgten hierzulande wiederum bis zu 80 Prozent der Finanzierung des Rohstoffhandels über Banken; der Bericht nennt die Niederlassungen französischer Banken, die beiden Schweizer Grossbanken und verschiedene Kantonalbanken als Akteure in der Handelsfinanzierung.

Wie auch finews.ch berichtete, haben unter anderem die Credit Suisse und die französische Grossbank Société Générale bereits entschieden, keine Rohstoff-Trades aus Russland heraus zu finanzieren. Mit einem Exposure von rund 20 Milliarden Dollar hat die französische Bank eines der grössten Russland-Risiken unter den Finanzinstituten in den Büchern.

Zu Stolpersteinen für das einst florierende Geschäft werden nicht nur Sanktionen gegen Rohstoffhändler, sondern auch der Swift-Ausschluss von russischen Banken, was die Finanzierung und Absicherung von Geschäften verunmöglichen kann. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF schreibt zum Effekt lakonisch: «Es ist davon auszugehen, dass die Märkte in den nächsten Tagen und Wochen turbulent sein werden.»

5. Eine Exportindustrie bekommt den starken Franken zu spüren

In den markanten Abschlägen bei den Bankentiteln zeigt sich einmal mehr, dass die Schweizer Finanzbranche stark auslandsbezogen ist. Gemäss der SBVg sind die Finanzdienstleistungen die Nummer drei im Schweizer Aussenhandel nach der pharmazeutischen und der chemischen Industrie sowie der Uhren- und Instrumenten-Branche. Der Anteil der von im Ausland domizilierten Kunden gehaltenen Vermögen ist im Laufe des vergangenen Jahrzehnts markant zurückgegangen – in den Jahren zwischen 2010 und 2020 von 51,9 Prozent auf 46,3 Prozent.

Die verwalteten Vermögen werden in Franken gemessen, während die meisten Vermögen in Euro oder Dollar gehalten werden – und beide Währungen haben an Wert verloren. Der massive Kursverlust des Euro seit Beginn des Krieges wird diese Entwicklung weiter befeuern.

6. Erinnerungen an Lehman Brothers?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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