Tirole Herbst 500

Nimmt der Finanzsektor in Ihrer Forschung eine Sonderstellung ein?

Ja, ich war schon immer der Überzeugung, dass die Finanzbranche zentral sei für eine ganze Reihe von Wirtschaftsfragen. Entsprechend arbeite und forsche ich schon lange auf diesem Gebiet. In meiner Dissertation und auch später habe ich über Kapitalblasen geforscht.

Mathias Dewatripont und ich haben 1994 ein Buch über Bankenregulierung publiziert, zu einem Zeitpunkt, als erst wenige Kollegen an diesem Thema interessiert waren. Bengt Holmström und ich wiesen in den 1990er-Jahren nach, dass Liquiditätsengpässe in der Wirtschaft natürlich auftreten. Und wir untersuchten, welche Rolle der Staat spielt, wenn er dem System Liquidität zuführt.

«Der Hochmut der Gesetzgeber kann immer zu falschen Regeln und Bestimmungen führen»

Schliesslich haben Jean-Charles Rochet und ich die Ansteckungsgefahren analysiert, die aufgrund der Zentralisierung von Transaktionen an den Finanzmärkten auftreten können. Die Erforschung des Finanzsektors wurde ab 2000 in Wissenschaftskreisen immer populärer – noch mehr nach Ausbruch der Krise von 2008.

Sie plädieren für mathematisch kalkulierbare und damit auch «massgeschneiderte» staatliche Regulierungen. Beeinträchtigen Sie damit nicht die freien Kräfte der Marktwirtschaft?

Die Regulierung muss eine Balance darstellen zwischen einem ineffizienten Laissez-faire und staatlichen Interventionen, die jegliche Anreize und Innovationen, sowie letztlich die gesamte Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Dabei ist allerdings auch das Handicap der Behörden zu berücksichtigen, wenn es darum geht, neue Regeln einzuführen. 

Inwiefern?

Wie ich in meinem Buch aufzeige, haben asymmetrische Informationsflüsse weitreichende Konsequenzen darauf, wie man Rahmenbedingungen entwickelt, also Gesetze und Bestimmungen erlässt, etwa für den Arbeitsmarkt, die Innovationspolitik und viele andere wirtschaftspolitische Bereiche. Der Hochmut oder sagen wir die potenzielle Selbstüberschätzung der Gesetzgeber kann dabei immer zu falschen Regeln und Bestimmungen führen.

Was gab für Sie den Anstoss, sich dem Thema der «Industrieökonomik» zu widmen?

Viele Regulationswerke haben einen mikroökonomischen Ansatz oder sogar mehrere. Das ist interessant. Die Industrieökonomie fokussiert auf die Wettbewerbspolitik und die Aufsicht von Industrienetzwerken, etwa in den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung, Bahnverkehr oder Post. Aber auch die Bankbranche oder der Arbeitsmarkt beinhalten diese Komponenten.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Mit verschiedenen Ko-Autoren. Die Forschung ist heute vor allem Teamwork, daher beschäftige ich mich mit einer ganzen Reihe von Themen: Industrieorganisation, Bankwesen oder die Schattenbanken, die enorme Herausforderungen an die Regulation sowie an die makroökonomischen Rahmenbedingungen stellen. 



Tirole Basilisk 500

Jean Tirole ist ein französischer Ökonom, der sich vor allem mit Industrieökonomik beschäftigt. Im Jahr 2014 wurde er «für seine Analyse von Marktmacht und -regulierung» mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (Wirtschaftsnobelpreis) ausgezeichnet. Er untersuchte bei Oligopolen die Frage, wie unproduktive Unternehmen den Markteintritt von Konkurrenten verhindern und wie der Staat einem solchen Verhalten begegnen kann.

Er präsidiert die Jean-Jacques Laffont - Toulouse School of Economics Foundation und ist wissenschaftlicher Direktor des Institute for Industrial Economics. Er ist zudem mit der amerikanischen Elite-Universität MIT assoziiert sowie mit der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, dem Institut de France and dem Institute for Advanced Study in Toulouse. Tirole ist ein fleissiger Publizist und Autor von einem Dutzend Bücher. Sein 2016 erschienenes Standardwerk «Economics for the Common Good», ist ein auch für Laien verständliches Buch zu den Themen, mit denen sich Tirole befasst.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Beat Wittmann, Richard Egger, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Steve Hanke, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Oliver Bussmann, Michael Benz, Albert Steck, Andreas Britt, Martin Dahinden, Thomas Fedier, Alfred Mettler, Brigitte Strebel, Peter Hody, Mirjam Staub-Bisang, Nicolas Roth, Thorsten Polleit, Kim Iskyan, Stephen Dover, Denise Kenyon-Rouvinez, Christian Dreyer, Peter Kurer, Kinan Khadam-Al-Jame, Werner E. Rutsch, Robert Hemmi, Claude Baumann, Anton Affentranger, Yves Mirabaud, Frédéric Papp, Hans-Martin Kraus, Gérard Guerdat, Didier Saint-Georges, Mario Bassi, Stephen Thariyan, Dan Steinbock, Rino Borini, Bert Flossbach, Michael Hasenstab, Guido Schilling, Werner E. Rutsch, Dorte Bech Vizard, Adriano B. Lucatelli, Katharina Bart und Maya Bhandari.

Gold hat mit 2'400 Dollar ein neues Allzeithoch erklommen. Ist dies der Anfang einer nachhaltigen Hausse?
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