Das heutige Private Banking hat nichts mehr mit dem früheren Geschäftsmodell zu tun. Doch wohin genau die Reise geht, ist nicht klar, stellt Michael Welti in seinem Essay für finews.first fest. 


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


«Disrupt yourself» könnte man mit dem deutschen Autor Christoph Keese sagen. Er empfiehlt quasi jedem die Generalüberholung seines Tuns und Denkens.

Er fordert uns auf, unsere persönlichen Stärken zu erkennen und zu nutzen, um uns radikal neu zu erfinden. Er beschreibt etwas, was ohnehin seit längerem Realität ist: Die Welt wird umgewertet.

«Das zeichnet den Private Banker 4.0 aus»

Dabei geht es den Fokus auf Mustererkennung und Reiz-Reaktions-Schemata (anfällig für Automatisierung) oder auf Empathie und sozialer Interaktion hat (wenig anfällig für Automatisierung). Die digitale Entwicklung ist in diesem Kontext zu sehen. Sie ermöglicht einen noch effizienteren Austausch mit den Kunden, hilft, Kosten zu senken und mit künstlicher Intelligenz Entscheide noch besser zu treffen.

Die Technik kann die zwischenmenschliche Beziehung aber nicht ersetzen. Diese Beziehung ist grundlegend für gegenseitiges Vertrauen. Darauf basierend gibt es sieben Gründe, die einen Private Banker auch in Zukunft erfolgreich machen – den Private Banker 4.0:

1. Erfahrung und Seniorität

Der Kunde muss sich darauf verlassen können, dass seine Berater alle Aspekte des Bankgeschäftes verstehen, über die traditionellen Muster hinauswächst, sich einen 360° Überblick verschaffen kann und auf den grossen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann bei der Beratung komplexer Vermögensverhältnisse, Nachfolgeplanungen und Strukturierung von individuellen Bedürfnissen im Private Wealth und Corporate Finance Bereich

2. Integrität – Kundenwohl ist Bankenwohl

Mit der Erfahrung des Beraters steigt auch Kompetenz des Beraters, die zum Teil komplexen Familien- und Vermögensverhältnisse zu durchleuchten. Immer wichtiger wird die Funktion auch als Partner des Kunden zu agieren und nicht nur als Berater der Bank.

Die Zufriedenheit des Kunden, den Service einer Schweizer Bank zu geniessen, zahlt sich langfristig auch für die Bank und den Bankenplatz aus.

3. Ausbildung

Es reichte früher, sich mit der Schulbildung einer kaufmännische Lehre oder Universität Abschlusses im Bankgeschäft bis zur Pensionierung über Wasser zu halten. Heute allerdings bieten die Banken diverse Weiterbildungen an, intern und extern, um sicherzustellen, dass die Kunden vollumfänglich und compliant beraten werden können.

Die Anforderungen an den Berater haben sich deutlich erweitert und dies setzt ein grosses Eigeninteresse des Beraters hervor, sich mit neuen Thematiken zu befassen welche möglicherweise vor einigen Jahren noch nicht von Bedeutung waren.

4. Marktverständnis und Kompetenz

Die Berater werden oft durch grosse Spezialisten Teams in den Banken unterstützt. Um den Kunden die optimale Anlagelösung anbieten zu können, ist es jedoch unerlässlich, dass der moderne Berater sich selber für die Anlagemärkte interessiert, sich einen Überblick über die aktuelle Marktlage verschafft.

Der Kunde bemerkt den Unterschied, ob sein Banker die Marktvorkommnisse aktuell mitverfolgt oder nicht.

5. Digital und Social Media Fitness

Wir erinnern uns an die Tage, wo der Berater den Kunden anlässlich seines Besuches in der Schweiz persönlich im Büro getroffen im hat. Heute ist der Kunde mit dem Berater auf so viele verschiedene Arten verbunden und demonstriert jederzeitige Verfügbarkeit.

Informelle Kommunikation, welche sich über Messenger bis Sozial Media Plattformen erstrecken, geben beiden die Möglichkeit, sich sofort und zeitnah zu aktuellen Themen auszutauschen und sich eine Meinung zu bilden – auch ausserhalb der Bürozeiten. Vermutlich wird unser Smartphone die traditionelle Bankfiliale ersetzen, wenn nicht heute, dann höchst wahrscheinlich mit der Generation der Millennials und Digital Natives.

6. Individualität und Empathie

Zuhören zu können ist nicht nur im privaten Umfeld sondern auch im geschäftlichen Umfeld eine Kompetenz. Banken erwarten von ihren Beratern nur allzu oft die hauseigenen Produkte anzupreisen. Die hohe Kunst liegt allerdings darin, die richtigen Fragen zu stellen und die Bedürfnisse zu erkennen.

Der Kunde verdient einen Freund, einen Partner in Finanzangelegenheiten, der nicht nur die Bankprodukte anpreist, sondern die langfristige Entwicklung der Beziehung verfolgt.

7. Unternehmergeist

Der Private Banker 4.0 muss unternehmerischen Fähigkeiten und Kreativität einsetzen. Der Senior Berater muss die grossen Zusammenhänge in der Kunden- und Bankbeziehung sehen, natürlich im Einklang mit der Bankstrategie. Es ist enorm wichtig für Banken, sich entweder auf grosses Volumen mit einem standardisierten Angebot oder auf individuelle Bedürfnisse von UHNWI’s einzustellen.

Es ist nichts Falsches an einer Standardisierung der Angebote, wie es viele Anbieter offerieren. Dabei muss die Bank akzeptieren, das die Bedürfnisse des Kunden nicht vollumfänglich abgedeckt werden. Gleichzeitig gibt es den konkurrierenden Banken die Gelegenheit, sich unternehmerischer zu engagieren und dem Kunden Lösungen zu präsentieren, welche innovativ und lukrativ sind und sich somit von der Masse abzuheben.

«Die Transformation ist nie abgeschlossen, sie erfordert vielmehr eine konstante Anpassung»

Aus diesen Gründen hat die Schweiz nach wie vor die hervorragende Reputation als erstklassiger und grösster und internationaler Wealth Management Finanzplatz verdient und über Jahrzehnte verteidigt und weiter ausgebaut.

Die Transformation ist nie abgeschlossen, sie erfordert vielmehr eine konstante Anpassung. Der Profiteur ist der Kunde, der von der exzellenten Reputation und Tradition im Swiss Banking profitiert.


Michael A. Welti ist Head Zürich und Managing Director im Wealth Management bei der Genfer Bankengruppe Reyl & Cie.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Andreas BrittMartin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard GuerdatDidier Saint-GeorgesMario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco MartinelliBeat WittmannThomas SutterTom KingWerner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Peter Hody, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro OcchilupoClaudia Kraaz, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Michel Longhini, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul und Claude Baumann, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann und Karin M. Klossek.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.61%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.54%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.29%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.14%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.42%
pixel