Beat Wittmann plädiert im Interview mit finews.ch für einen Zusammenschluss von Credit Suisse und Julius Bär. Zudem könnte sich die CS im internationalen Geschäft als «Super Merchant Bank» positionieren.


Herr Wittmann, die europäischen Grossbanken scheinen seit der Finanzkrise von 2008 ihre Probleme nicht in den Griff zu kriegen. Woran liegt das?

Viele Regierungen setzen alles daran, ihre Grossbanken als «nationale Champions» zu erhalten. So bleiben enorme strukturelle Überkapazitäten bestehen. Dabei braucht eigentlich niemand eine Commerzbank in Deutschland, eine Bankia in Spanien oder eine Monte dei Paschi di Siena in Italien.

Das zumeist atomisierte Aktionariat dieser Banken verhindert zusätzlich, dass sich in solchen Instituten etwas ändert. Das macht es für aktivistische Investoren sehr schwierig, Einfluss zu nehmen. Als Folge davon bleiben auch die Löhne der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder horrend und sind nicht auf eine langfristige Wertentwicklung und Strategie angelegt.

«Das waren die Voraussetzungen für die Erholung in den USA»

Und nicht zuletzt ‎hat bis heute eine «Last Man Standing»-Politik dominiert, also das Prinzip Hoffnung, dass man durch den Untergang anderer Konkurrenzinstitute Marktanteile gewinnen könnte.

Amerikanische Institute strotzen schon seit einigen Jahren vor Kraft. Was haben sie besser gemacht?

Schon kurz nach der Krise haben US-Notenbank, Börsenaufsicht und das Treasury die grossen Institute gezwungen, sich zu rekapitalisieren, radikal abzuschreiben, wo nötig zu fusionieren und ihre Geschäftsmodelle und Strategien anzupassen. Das waren die Voraussetzungen für die Erholung.

«Die CS befindet sich mindestens einmal pro Geschäftszyklus in einer Reorganisation»

Seither gewinnen diese Banken stetig an Profitabilität und steigern ihre Marktanteile – auf Kosten nichtamerikanischer Banken, insbesondere der europäischen. Die aktuelle Deregulierungstendenz der US-Administration und die Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik verstärken diesen Effekt, ganz nach dem Motto «The winner takes it all», und das sind eindeutig die Amerikaner!

In der Schweiz seucht sich die Credit Suisse (CS) seit bald eineinhalb Jahren durch eine weitere Reorganisation. Sind Sie zuversichtlich?

Die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre gibt wenig Grund zur Zuversicht und Hoffnung, und Wunschdenken ist keine Strategie. Die CS befindet sich, wie die grosse Mehrheit europäischer Universalbanken, mindestens einmal pro Geschäftszyklus in einer tiefgreifenden Reorganisation, also acht- bis zehnmal‎ schon, und die Aktionäre haben eine geradezu epische Wertvernichtung erlebt.

Wird der geplante Börsengang des Schweizer Geschäfts der CS Remedur bringen?

Zurzeit sieht es so aus, dass das IPO (Initial Public Offering, dt. Börsengang) wieder abgeblasen würde – wohl einmal mehr, um die Löcher im internationalen Geschäft mit guten Erträgen des Schweizer Geschäfts zu stopfen.

«Die CS könnte mit einem Zusammenschluss mit Julius Bär den Schweizer Markt konsolidieren»

Aus meiner Sicht wären die Aktien (einer CS Schweiz) kaufenswert, sofern eine CS Schweiz den Markt in der Vermögensverwaltung aktiv konsolidieren würde, etwa durch einen Zusammenschluss mit Julius Bär. Im internationalen Geschäft könnte sich die CS als «Super Merchant Bank» positionieren, was historisch gesehen ihrer DNA entspricht und im übertragenen Sinn auch dem Bankgründer Alfred Escher Freude bereiten würde.

Warum tun sich so viele Grossbanken bei der Verbesserung ihrer Kapitalbasis so schwer?

Die Deutsche Bank ist ein Paradebeispiel dafür. Da wurde endlos gutes Geld schlechtem Geld nachgeworfen, womit jede Glaubwürdigkeit verspielt wurde, um neue Investoren zu gewinnen.

Weder das Geschäftsmodell noch die Strategie wurden vom Management jemals substanziell verändert. Man hat beispielsweise keine Aktiven verkauft, die nicht zum Kerngeschäft gehören, und nach wie vor besteht ein riesiges Kostensenkungspotenzial. Ich werde den Eindruck nicht los, dass das Top-Management von der persönlichen Kompensation und dem Prinzip Hoffnung geleitet wird.

Würden Sie in europäische Grossbanken investieren?

Zugegeben, die Bewertungen sind historisch tief, und positive Faktoren gewinnen an Gewicht. Die Konsolidierung via EU-Bankenunion ist eine gute Sache. Volkswirtschaftlich können wir auch eine gewisse Reflation beobachten, die sich in einer verbesserten Konsumenten-, Geschäfts- und Investorenstimmung äussert.

«Ich würde über einen Index in europäische Grossbanken investieren»

Darüber hinaus fliesst seit geraumer Zeit einiges an Kapital für Fusionen und Übernahmen (M&A) aus den USA nach Europa, gleichzeitig bekunden chinesische Investoren grosses Interesse an europäischen, nicht zuletzt an Schweizer Unternehmen. Vor diesem Hintergrund würde ich über einen Index in europäische Grossbanken investieren, weil das günstiger ist, und sehr interessante Spezialsituation gesondert prüfen.

Beispiele für Spezialsituationen sind‎ relevante Spin-offs von Universalbanken, etwa im Asset Management; Fintechs und Infrastrukturunternehmen, Deep Value/Distressed-Opportunitäten und Kandidaten für «Shareholder Activism».


Beat Wittmann ist Chairman und Partner der in Zürich ansässigen Finanzberatungs-Gesellschaft Porta Advisors. Der Bündner blickt auf eine mehr als 30-jährige Karriere im Schweizer Bankwesen zurück, die ihn unter anderem zu den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie zu Clarien Leu und Julius Bär führte. Von 2009 bis 2015 war er zunächst selbständig und danach unter dem Dach der Raiffeisen-Gruppe im Asset Management tätig.

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