Die Finanzbranche entferne sich immer weiter von ihrer Kernaufgabe, dem durchdachten, langfristigen Einsatz von Kapital, um in der Welt Wohlstand zu schaffen. Was man heute «Investieren» nenne, sei zu einer mathematischen und pseudowissenschaftlichen Übung geworden, schreibt Stuart Dunbar auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Börse interessiert uns nicht wirklich. Diese Behauptung mag Sie überraschen, sind wir doch bedeutende Investoren bei börsennotierten Unternehmen weltweit. Natürlich braucht es die Börsen als Marktmechanismus, um für den Handel unter Anlegern mit unterschiedlichen Perspektiven und Zeithorizonten Liquidität bereitzustellen.

Aber die täglichen Kursschwankungen sind nur Ablenkung, die wir ignorieren sollten. Der Handel auf den Sekundärmärkten mag zwar Gewinner und Verlierer hervorbringen, aber er schafft keine Kapitalrendite.

«Die Investmentbranche hätte Besseres zu bieten»

Unsere Branche entfernt sich immer weiter von ihrer Kernaufgabe, dem durchdachten langfristigen Einsatz des Kapitals unserer Kunden, um in der realen Welt Wohlstand zu schaffen. Was man heute «Investieren» nennt, ist zu einer mathematischen und pseudowissenschaftlichen Übung geworden, bei der das Verhalten von Aktienkursen und Anlageklassen im Vergleich zur Historie und zu anderen Aktien analysiert wird. Kurz, es läuft ein «Wettstreit um relative Renditen», anstatt das Wert geschaffen wird.

Aber die Investmentbranche hätte Besseres zu bieten, sowohl für die Anleger als auch für die Gesellschaft. Basis dafür ist, dass wir konstruktiv mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten, wenn sie ihren Kapitaleinsatz plant. Wir müssen beim Investieren Langfristigkeit (mindestens fünf Jahre, in der Regel länger), Kreativität und gemeinsame Interessen fördern.

«Ignorieren Sie beim Aufbau eines Portfolios die Marktindizes einfach»

Und, vielleicht am wichtigsten – wir müssen entschlossen die kurzfristigen Gewinnforderungen von spekulierenden Aktionären ignorieren. Denn Unternehmensführer vermeiden sonst, den Cashflow in potenziell lukrative Geschäfte zu investieren, weil sie meinen, dass ihre Aktionäre statt der Chancen auf langfristige Wertschöpfung nur niedrigere laufende Gewinne befürchten. Doch dies ist ein dysfunktionales System. Es untergräbt die mit dem Kapitalbesitz verbundene Verantwortung und die Steigerung der Produktivität.

Worauf sollten wir uns konzentrieren?

1. Suchen Sie Potenzial und investieren Sie mit Überzeugung. Konzentrieren Sie sich auf Chancen und operative Fortschritte in den Unternehmen. Vertrauen Sie der Tatsache, dass Unternehmen, die operativ am besten abschneiden, auf lange Sicht die beste Aktienkursentwicklung bieten. Nur wenige Anleger beherzigen, dass fast die gesamte langfristige Nettovermögensbildung einer kleinen Anzahl exponentiell wachsender Unternehmen zuzuordnen ist. Verschwenden Sie Ihre Ressourcen nicht damit, jede mögliche Investition zu prüfen, denn die meisten Unternehmen haben keine Chance auf überdurchschnittliches Wachstum. Ignorieren Sie beim Aufbau eines Portfolios die Marktindizes. Indizes widerspiegeln die Vergangenheit, also einen Markt, der das historische Wachstum routinemässig überbewertet und Veränderungen unterschätzt.

2. Arbeiten Sie konstruktiv mit dem Management herausragender Unternehmen zusammen, die das Kapital in der realen Welt lenken. Deshalb ist es eines der wertvollsten Dinge, die Sie im Auftrag ihrer Kunden tun können, dass Sie Firmengründer und Führungskräfte ermutigen, sich auf ihre langfristige Vision zu konzentrieren, und dass Sie die unvermeidlichen Höhen und Tiefen mit ihnen durchstehen.

3. Bringen Sie Ihren Zeithorizont mit der Realität der Bereitstellung von Eigenkapital in Einklang. Investmentmanager, die Boni für ihre jährliche Performanceleistung, Verkaufsleistung oder die Höhe der verwalteten Vermögen erhalten, haben nicht dieselben Ziele wie Investoren mit einem Horizont von 10 oder 20 Jahren.

Einige institutionelle Anleger – insbesondere Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften – haben die schwierige Aufgabe, kurzfristige Finanzierungen und Solvenzanforderungen mit den Realitäten langfristiger Investitionen auszubalancieren.

«Es kann nicht nur darum gehen, sich gegenseitig beim Aktienhandel zu überlisten»

Das Ignorieren wild schwankender Aktienkurse, die von spekulativen Anlegern getrieben werden, ist nicht leicht, wenn man eine Bilanz oder einen Sponsor hat, um die man sich Sorgen machen muss.

Um der Gesellschaft besser zu dienen, muss die Investmentbranche aber ihren Beitrag leisten, indem sie Unternehmen hilft, neuere, bessere und billigere Lösungen zu finden und die alten zu verdrängen. Wir müssen ein System von «geduldigem» Kapital schaffen, das überdimensionale Rendite ermöglicht, in dem es überdimensionale Probleme löst.

Wir brauchen ein System, das dies auf nachhaltige Weise tut, also weder unserer Umwelt noch der Gesellschaft irreparablen Schaden zufügt. Es kann nicht nur darum gehen, sich gegenseitig beim Aktienhandel zu überlisten.


Stuart Dunbar arbeitet seit 2003 bei Baillie Gifford und ist Direktor im Bereich der Kundenbetreuung. Er wurde 2014 Partner der Firma und ist verantwortlich für die Beziehungen zu Finanzinstituten. Daneben pflegt er auch die Kontakte zu Consultants und verantwortet das Marketing sowie die Kundenbetreuung in Europa und Asien. Bevor er zu Baillie Gifford kam, arbeitete er bei Dresdner RCM in Hongkong und Aberdeen Asset Management in Grossbritannien. Er schloss 1993 sein Studium an der Universität von Strathclyde mit einem BA in Finanzwesen und Wirtschaftsrecht ab.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Santosh Brivio, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Michael Welti, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid und Karam Hinduja.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.99%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel