Vor dem Hintergrund der schwelenden Rassenunruhen in den USA müssen die Kundenberater auch hierzulande das heikle Thema der Vermögensungleichheit ansprechen, schreibt finews.com-Redakteurin Katharina Bart in ihrem Beitrag auf finews.first


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Reaktionen der amerikanischen Top-Manager zu den Rassenunruhen in den USA waren in den vergangenen Tagen bemerkenswert: UBS-Top-Banker Tom Naratil verfasste einen Aufruf zum Handeln, Citi-Finanzchef Mark Mason – einer der wenigen hochrangigen Afroamerikaner bei einer globalen Bank – bloggte in bewegenden Worten über die Entwicklung, und Merck-Chef Ken Frazier erklärte, George Floyd «könnte ich sein».

Die Bank of America untermauerte ihre Engagement mit einem auf vier Jahre angelegten kommunalen Unterstützungsprogramm in der Höhe von einer Milliarde Dollar, das zur Beseitung der Rassenungleichheit in den USA beitragen soll.

Letzeres ist eine kluge unternehmerische Initiative, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt neu zu kitten – und gleichzeitig ein Schritt, den verunsicherte Private Banker unbedingt zur Kenntnis nehmen sollten.

«Privatbanken versuchen verzweifelt, dem Wunsch ihrer Kunden zu entsprechen, etwas Gutes zu tun»

Warum? Weil Privatbanken verzweifelt versuchen, dem Wunsch ihrer wohlhabenden Kunden zu entsprechen, Gutes zu tun: Der Boom nachhaltiger und wirkungsvoller Anlageprodukte sowie karitativer Spenden zeugt eindeutig davon. Nur: Bislang haben sich die Privatbanken mit ihrem Philanthropie-Angebot vor allem auf Ziele in Schwellenländer konzentriert.

UBS philathropy
(UBS' Phyllis Costanza in Indien: Bild: UBS Optimus Foundation)

Die gemeinnützige Stiftung Optimus der UBS etwa nimmt Kunden jährlich auf Reisen mit, damit diese sich persönlich von den Fortschritten der Hilfsprojekte überzeugen können (Bild oben). Die «Vernügungsreisen» zu weit entfernten Zielen blenden möglicherweise eine schmerzliche Realität aus – und dies im grössten Vermögensverwaltungsmarkt der Welt, in den USA.

«Vermögensungleichheiten sind nicht neu»

Bei schwarzen amerikanischen Familien ist aufgrund der ethnischen Wohlstandskluft die Wahrscheinlichkeit 20-mal höher, kein Vermögen oder sogar Schulden zu haben als eine Million Dollar oder mehr zu besitzen, wie eine Studie des amerikanischen Think Tanks Inequality.org zeigt.

Vermögensungleichheit ist nichts neues – Josef «Joe» Stadler warnte schon vor drei Jahren, dass die Armen zurückschlagen könnten. Die Reichen, so erklärte er damals, fürchteten eine Neuauflage des späten 20. Jahrhunderts, als sich das Wohlstandsgefälle in den USA dramatisch vergrössert hatte.

Spulen wir drei Jahre vor: Es scheint möglich, dass die Wohlhabenden zur Beseitigung der Ungleichheit in der Gesellschaft verpflichtet werde könnten. Ein Top-Banker der amerikanischen Citigroup sagte unlängst, er gehe davon aus, dass die Reichen dereinst besteuert oder sogar enteignet werden könnten, um beispielsweise die Kosten einer neuerlichen Pandemie mitzutragen.

«Snap-Chef Evan Spiegel forderte die USA unlängst zu einer finanziellen Wiedergutmachung auf»

Einige Reiche gehen sogar mit eigenem Beispiel voran: Robert Johnson, ein 74-jähriger US-Medienmagnat, fordert 14 Billionen Dollar an Reparationen für die Nachkommen von Sklaven. Und als Vertreter der neuen Tech-Unternehmer forderte Snap-Chef Evan Spiegel die USA zu einer finanziellen Wiedergutmachung auf.

In der Praxis ist eine solche Idee relativ einfach – viele Nationen haben Solidaritätsfonds für vergangene Missetaten eingerichtet. In Wirklichkeit handelt es sich bei solchen Initivativen oftmals lediglich um Alibiübungen, die wenig zur Umsetzung von Massnahmen beitragen, die vor Gericht erkämpft wurden.

«Privatbankiers laufen Gefahr, den Dialog an die nächste Generation an Meinungsführer zu verlieren»

Edward Baptist, ein Professor der amerikanischen Cornell Universität, hat grosse Teile seiner akademischen Laufbahn damit verbracht, über Sklaverei in den USA und ihre Folgen zu schreiben – insofern täten grosse Banken, wie die UBS oder die Credit Suisse, gut daran, sich dieser Geschichte zu stellen, zumal das Thema «Vermächtnis» ein Eckpfeiler ihrer Strategie im Umgang mit Kunden ist. Noch haben die Banken Zeit, das heikle Thema des «historischen Unrechts» an ihre Kunden zu adressieren, bevor diese gezwungen sind, damit konfrontiert werden.

Unter diesen Prämissen laufen viele Private Banker Gefahr, den Dialog an die nächste Generation von Meinungsführer zu verlieren, und zwar an Unternehmen, die näher an den jungen Leuten dran sind. Was das konkret heisst, illustriert etwa das eingängige TikTok-Video des E-Commerce-Entrepreneurs Humphrey Yang über das Vermögen von Milliardär Jeff Bezos, der sein Geld wiederum mit dem Bücherversandhandel Amazon gemacht hat.

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Die Rassenungleichheit und die nun wieder ins Schlaglicht gelangte Polizeibrutalität sind Themen, die uns noch lange beschäftigen werden. Die Credit Suisse hat sich bereits 2014 mit der ethnischen Spaltung des Wohlstands befasst.

Die damalige Spitzenmanagerin Pamela Thomas-Graham gab damals eine Studie zum Thema in Auftrag. Die Schweizer Grossbank verlor jedoch das Interesse daran, als Thomas-Graham zwei Jahre später die CS verliess – und diese sich parallel dazu 2015 auch aus dem US-Private-Banking-Markt verabschiedete.

«Die zweite Option erfordert einiges an Demut»

Es wäre einfach, die Ungleichheit in den USA anhand der ethnischen Unterschiede zu deuten – doch die dramatischen Ereignisse der vergangenen zwei Wochen machen unmissverständlich deutlich, dass die Spaltung in der Gesellschaft viel tiefer geht. 

Ein Beispiel, wohin das führen kann, ist die US-Unternehmerfamilie Sackler, die aufgrund des gesellschaftlichen Drucks sich nun genötigt sieht, aktiv die aufgrund von Opioidmissbräuchen verursachten gesellschaftlichen Schäden zu beheben.

Wie lange können die Private Banker in ihren Kundengesprächen weiterhin nur die Armut in den Schwellenländern thematisieren und über die neuen Probleme hinwegsehen? Oder werden sie tatsächlich den Mut aufbringen und mit einigen ihrer Kunden ein wirklich unangenehmes Gespräch führen – oder vielleicht sogar einen Spaziergang durch einkommensschwache Minderheitenviertel ihrer Stadt unternehmen?

Die zweite Option erfordert einiges an Demut und vor allem auch den Mut, Privilegien anzusprechen – und auf eine «Vergnügungsreise» nach Afrika zu verzichten und stattdessen bedürftige Gemeinden in der eigenen Region zu unterstützen. Insofern liegt das Geschick eines guten Private Bankers heute auch darin, lokale, gemeindebasierte Projekte zu identifizieren, um Geld, das vermögende Kunden durchaus gewillt sind zu spenden, nachhaltig zu kanalisieren. Insofern geht das Schlagwort «Black Lives Matter» unsere Banker durchaus etwas an. 


Katharina Bart ist als Senior Contributor für finews.ch und finews.com tätig. Die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin ist seit mehr als 20 Jahren im Journalismus tätig, zuletzt war sie Chief Correspondent im Zürcher Büro der internationalen Nachrichtenagentur «Thomson Reuters», für die sie insgesamt vier Jahre arbeitete. Zuvor war sie von 2003 bis 2011 Correspondent für das «Wall Street Journal» sowie für die Nachrichtenagentur «Dow Jones Newswires». Nach ihren Studien in Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Grand Valley State University in Michigan, USA, sowie an der Universität in Fribourg in der Schweiz, arbeitete sie für die damalige Zurich Financial Services (ZFS), für den Industriekonzern Rieter und Friedli Corporate Finance.


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