Die Wirtschaftszyklen von 1999 und 2019 sind sich erstaunlich ähnlich. Was lässt sich daraus ableiten? Gérard Piasko beschreibt auf finews.first, worauf Anlegerinnen und Anleger nun besonders achten sollten. 


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Vor ein paar Wochen ist der US-Wirtschaftszyklus über zehn Jahre alt geworden und damit der längste der Wirtschaftsgeschichte. Der Konjunkturzyklus der 1990er-Jahre, der zehn Jahre dauerte und mit dem Platzen der Technologie-Blase 2000/2001 endete, ist zeitlich – aber nicht in der Stärke – übertroffen worden. Was sind die Parallelen und Unterschiede zwischen diesen beiden Zyklen?

In den 1990er-Jahren wurde nach der Rezession von 1990 ein 10-jähriger Wirtschaftszyklus in den USA eingeleitet, der auch zu einem ähnlich langen Aktien-Bullenmarkt führte. Getrieben wurde diese Hausse von amerikanischen Technologieaktien, wie auch im aktuellen Zyklus. Unterbrochen wurde der Zyklus der 1990er-Jahre von Schwellenländerkrisen, der Mexiko-Krise 1994 und der Krise in Asien und Russland 1997/98.

«Dadurch wurde der Wirtschaftszyklus durch billigeres Geld verlängert»

Auch im aktuellen Zyklus kann man eigentlich von zwei Schwellenländerkrisen sprechen: 2015/16 gab es die Krise in China sowie in den Rohstoffen und im vergangenen Jahr begann der Handelskrieg zwischen den USA und China. Gemeinsam war den Schwellenländerkrisen, dass dadurch das globale, aber weniger das amerikanische Wirtschaftswachstum gefährdet wurde.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die US-Zentralbank bei jeder dieser Krisen mit Zinserhöhungen pausierte oder sogar Zinssenkungen durchführte. Dadurch wurde der Wirtschaftszyklus durch billigeres Geld verlängert.

Andererseits aber wurden dadurch die Bewertungen über vernünftige Niveaus hinaus erhöht, sowohl bei Anleihen und noch mehr bei Aktien, vor allem bei Technologieaktien, welche die Anlegern aufgrund des überdurchschnittlichen Gewinnwachstums besonders nachgefragt haben.

«Staatsanleihen zeigen übertriebene Bewertungen»

Damit wird deutlich, dass Parallelen zu den 1990er-Jahren bestehen, denn gegenwärtig werden US-Technologieaktien wieder mit einer höheren (aber noch nicht extremen) Bewertung gehandelt, und Staatsanleihen zeigen inzwischen wohl übertriebene Bewertungen. Auch was die Zinssenkung zur Verlängerung des Wirtschaftszyklus anbetrifft, sind die Parallelen zu den 1990er-Jahren sichtbar.

Nicht zuletzt auf Druck der Regierung ist die amerikanische Zentralbank daran, den US-Konjunkturzyklus zu verlängern. Erst in einigen Quartalen wird man dann sehen, ob 0,75 Prozent oder gar 1,25 Prozent günstigere Zinsen die globalen Konjunkturprobleme zum Ende dieser Dekade auch wieder lösen können. Sie werden aber auf jeden Fall die Probleme der materiellen Ungleichheit an vielen Orten, von Hongkong bis London, verstärken.

«Die Klimadiskussion zögert bei vielen Konsumenten einen Autokauf hinaus»

Es zeigen sich aber auch Unterschiede zu den 1990er-Jahren: Diesmal sind es wohl nicht in erster Linie die Zinsen, die für die globale, auch neuestens amerikanische Konjunkturabschwächung verantwortlich sind. Die Ursachen sind andere: erstens eine generelle Verunsicherung der Unternehmen über den Ausgang des Handelskonflikts und eventuell nicht mehr zugänglichen Lieferkomponenten.

Zweitens gewisse Sättigungsanzeichen bei Konsumgütern wie Smartphones, Konsumelektronik oder Autos – auch, weil die Klimadiskussion bei vielen Konsumenten einen Autokauf hinauszögert. Drittens generieren Strukturumwälzungen in vielen Branchen sinkende Margen.

«Es ist logisch, dass bei niedrigerem Wirtschaftswachstum der Konjunkturzyklus länger und älter werden kann»

Einen letzten wichtigen Unterschied zu den 1990er-Jahren möchte ich zum Schluss aufzeigen: Damals war das Wachstumsniveau der globalen und auch amerikanischen Wirtschaft deutlich höher als im aktuellen Konjunkturzyklus. Dies hat zwei Auswirkungen: Zum ersten ist es logisch, dass bei niedrigerem Wirtschaftswachstum der Konjunkturzyklus länger und älter werden kann. Was aber keineswegs bedeutet, dass der Konjunkturzyklus weniger fragil wird angesichts der höheren Anzahl geopolitischer Probleme als in den 1990er-Jahren.

Zum zweiten bedeutet ein strukturell tieferes Wachstum der Wirtschaft auch weniger Druck auf die Inflation nach oben, woraus sich die Konklusion ergibt, dass sich Investoren bei Anlagen, speziell in Obligationen, auf tiefere Renditen einstellen sollten.


Gérard Piasko ist seit Anfang 2018 Chief Investment Officer (CIO) der Zürcher Privatbank Maerki Baumann. Er verantwortet die Anlagestrategie des Hauses sowie die Anlagekommunikation gegenüber der Kundschaft. Er war während vieler Jahre als CIO im Private Banking der Bank Julius Bär, der Bank Sal. Oppenheim (Schweiz) und zuletzt der Deutsche Bank (Schweiz) tätig. Er hat Ökonomie und Rechtswissenschaften an der Universität Zürich studiert sowie ein Nachdiplom-Studium an der Columbia University in New York absolviert.


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